Hamburg. Großartig: Thomas Hengelbrock, das NDR Elbphilharmonie Orchester und Pianist Piotr Anderszewski begeisterten das Publikum.

Die Unterscheidung zwischen Gängigem und Abseitigem in der Musik gehört abgeschafft. Sollte nicht jedes Werk die Zuhörer so packen, als begegnetem sie ihm zum ersten Mal? Und wenn die dann noch neugierig und offen sind, sich mit den eigenen Empfindungen dem auszusetzen, was kommt, anstatt sich wohlig in vertraute Klänge zu kuscheln, dann kann Musik wirklich etwas an- und ausrichten.

Der Pianist Piotr Anderszewski, das NDR Elbphilharmonie Orchester und sein scheidender Chefdirigent Thomas Hengelbrock haben dem Publikum in der Elbphilharmonie ein unwiderstehliches Angebot gemacht. Das berühmte ­c-Moll-Klavierkonzert von Mozart klang bei ihnen wie eine Reise ins Unbekannte. Mit aller Beklommenheit. Ganz fahl im Ton tasteten sich die Musiker in die Orchestereinleitung und ließen die kleinen Begleitfiguren sprechen, die Mozarts Solokonzerten so einen ergreifend persönlichen Tonfall verleihen. Niemand schwelgte im Schmerz, selbst die langen Seufzerbögen der ersten Geigen lagen jenseits allen Pathos. Und Anderszewski? Machte Kammermusik, statt solistisch aufzutrumpfen.

Anderszewski artikulierte mit Biss

Dieser Pianist lässt sich in keine Schublade stecken. Sein Ton hatte Kern, er artikulierte mit Biss und ließ die Läufe prasseln, konnte den Klang in den Kadenzen aber auch geradezu romantisch verdunkeln. In Block D kam die Mittellage fast überpräsent an – ob’s an der Akustik lag? Bei der Mahler-Fünften nach der Pause hatte die Akustik deutlich die Hand im Spiel. Sie verstärkte die elbphilharmonietypische Unruhe des Pu­blikums, das sich nach jedem Satz äußern musste (meist hustend). Und Hengelbrock servierte diesen Mahler, dem doch sonst das Etikett der Überwältigungsmusik anhaftet, dynamisch dosiert, trennscharf und eher als Nouvelle Cuisine denn als Sonntagsbraten. Die Auftakt-Triolen am Anfang hätte der Trompeter, allein auf weiter Flur, etwas deutlicher absetzen können.

Aber dann holte er aus und wies mit seinem Gleißen auf die ganze Mahlersche Unerbittlichkeit der Sinfonie voraus. Keine Süße, keine Sentimentalität, nirgends. Hell und gerade klangen die Streicher, ihren Ausdruck bezogen sie, gerade im Kinohit Adagietto, aus dem Gestenreichtum der Musik. Ein Fest feierte der Solohornist Jens Plücker im Scherzo. Von betörend zartem Verklingen bis zum instrumentalen Aufschrei war alles dabei. Chapeau, wie souverän Plücker zwischen Präsentierteller und Teamarbeit wechselte. Der Jubel des Publikums nach dem furiosen Schluss galt zuallererst ihm.