Hamburg. Die wichtige Verbindung in die Ostsee ist nach dem Unfall länger eingeschränkt. Konkurrenzhäfen dürfen sich freuen.

Es ist eine Havarie mit Folgen: In der Nacht zum Dienstag hat ein portugiesischer Frachter am Nord-Ostsee-Kanal in Kiel-Holtenau ein Schleusentor gerammt. Seitdem funktioniert auf der meistbefahrenen künstlichen Wasserstraße der Welt vor der Ostsee nur noch eine Schleusenkammer. Schiffe, die in den Kanal hineinfahren wollen, müssen mit stundenlangen Wartezeiten rechnen. Auch im Hamburger Hafen bringt der Unfall die Fahrpläne durcheinander. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Schiffsunglück.

Wie konnte es zu dem Unglück
kommen?

Nach Angaben der Polizei in Kiel sei der unter portugiesischer Flagge fahrende Frachter „Akacia“ bei der Schleusendurchfahrt so schnell gewesen, dass der Bug das Tor teilweise durchbrochen habe und auf dem Schleusentor zum liegen kam. In die beschädigte Bugnase des Schiffes drang Wasser ein. Es habe aber nicht die Gefahr bestanden, dass das Schiff volllaufe, betonte Matthias Visser vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Kiel-Holtenau (WSA). Experten gehen von einem technischen Defekt aus. Allerdings sind Schiffsführer vor der Einfahrt in die Schleuse dazu angehalten, die Funktionsfähigkeit ihrer Maschine zu prüfen.

Was bedeutet der Unfall für
den Nord-Ostsee-Kanal?

Der NOK ist eine der Hauptverkehrsadern Nordeuropas. Er schließt Skandinavien und die baltischen Staaten an den Weltverkehr an. Rund 30.000 Schiffe nutzen ihn jährlich und transportieren dabei mehr als 80 Millionen Tonnen Ladung. In Kiel-Holtenau steht nach dem Unfall nur noch eine der beiden Schleusenkammern zur Verfügung. Das sorgt für Stau im Schiffsverkehr. Die Verzögerung für Schiffe, die Schleuse in Kiel-Holtenau zu passieren, lag am Mittwochvormittag bei etwa drei Stunden, teilte das Schifffahrtsamt Kiel mit.

Was befürchtet die Wirtschaft
im Hamburger Hafen?

Hamburgs Hafenwirtschaft ist nach dem schweren Schiffsunfall in Sorge. „Der Unfall ist sehr bedauerlich, und wir hoffen, dass die Schifffahrtsverwaltung die Funktionsfähigkeit der Schleuse schnell wiederherstellt. Der Nord-Ostsee-Kanal ist die wichtigste Verbindung des Hamburger Hafens in den Ostseeraum“, sagte Norman Zurke, Geschäftsführer des Unternehmensverbands Hafen Hamburg. „Der Unfall wird mit Sicherheit Einfluss auf den Schiffsverkehr in Hamburg haben“, sagte Wirtschaftssenator Frank Horch. „Es steht zu befürchten, dass wieder mehr Schiffe direkt um Dänemark herum in die Ostsee fahren, ohne in Hamburg zu halten.“

Warum ist der Kanal für den
Hamburger Hafen so bedeutend
?

Der Nord-Ostsee-Kanal ist eigentlich ein entscheidender Standortvorteil Hamburgs im Wettbewerb mit den weiter westlich gelegenen Häfen. Wegen seiner Lage am Ausgang des Kanals wird Hamburg auch als der westlichste Ostseehafen bezeichnet. Rund 1,7 Millionen Standardcontainer werden im Jahr zwischen Hamburg und dem Ostseeraum gehandelt. Ein Großteil geht durch den Nord-Ostsee-Kanal. Fällt dieser länger aus oder dauert die Passage zu lang, suchen sich die Reedereien einen anderen Weg. Sie fahren ihre Ladung von den großen Westhäfen – Rotterdam und Antwerpen – direkt durch das Skagerrak in die Ostsee. Hamburg bleibt in diesem Fall außen vor.

Wie lange dauert die Reparatur
der Schleuse?

Zwei Schlepper haben inzwischen das verunglückte Schiff aus der Schleusenkammer in den Kanal hineingezogen. Dort wurde es unweit der Schleuse festgemacht. Daraufhin haben Taucher begonnen, den Schaden am Schleusentor zu inspizieren. „Ziel ist es, das zerstörte Schleusenschiebetor auszubauen und durch ein Reservetor ersetzen zu können. Das Reservetor ist sofort verfügbar“, sagte Visser vom WSA. Bei unbeschädigten Toren dauert ein Austausch in der Regel zwei bis drei Tage. Hier wird es sicher länger dauern. Zuerst müssen im Wasser befindliche Schrottteile des Tors geborgen werden. Für Prognosen für die Reparaturdauer müssen erst die Ergebnisse der Tauchuntersuchungen abgewartet werden.

Wie sicher ist die Verbindung
durch den Nord-Ostsee-Kanal?

Auf der viel befahrenen Wasserstraße kommt es immer wieder zu Störungen des Schiffsverkehrs. Dabei geht es nicht nur um Unfälle. Ein Problem sind auch die völlig veralteten Schleusenanlagen am Westende des Kanals in Brunsbüttel. Beispielsweise mussten 2013 beide Kammern der Großen Schleuse für acht Tage gesperrt werden, um ein defektes Schleusentor zu tauschen. Auch bei der Kleinen Schleuse war nur eine Kammer betriebsbereit. Während dieser Arbeiten war der Kanal für Schiffe über 125 Meter Länge nicht befahrbar. Diese Schiffe mussten während der Sperrung den Umweg durch das Skagerrak nehmen. Da der Umweg rund 400 Kilometer länger ist, rechneten Reeder damals mit Mehrkosten von 70.000 Euro pro Schiff. Da aber die Treibstoffkosten seitdem gesunken sind, überlegen immer mehr Schiffsbetreiber, den Umweg über Dänemark in Kauf zu nehmen. Inzwischen wird in Brunsbüttel eine fünfte Schleusenkammer gebaut, die 2020 freigegeben werden soll.

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