Hamburg. Am vorletzten Prozesstag bat Ahmad A. seine Opfer und die Hinterbliebenen des Mannes, den er erstochen hat, um Verzeihung.

Drei Dinge fallen am vorletzten Verhandlungstag im Prozess gegen den Messerstecher von Barmbek auf. Erstens: Ahmad A. (27) hat seinen Vollbart abrasiert. Zweitens: Nicht wie üblich folgt er dem Geschehen mit starrem, nach vorn gerichteten Blick, er schaut fast durchgängig nach unten. Ein Zeichen von Demut, von Reue gar? Drittens: In seinem letzten Wort entschuldigt er sich bei den Opfern – bei den Hinterbliebenen des von ihm erstochenen Mannes (50) und den sechs weiteren teils lebensgefährlich verletzten Menschen.

Er wisse nun, dass er nicht das Recht habe, das Leben anderer zu beenden, sagt Ahmad A. am Montag. „Ich kann die Zeit leider nicht zurückdrehen“, so der Angeklagte in Richtung der Opfer. „Ich kann Sie nur um Verzeihung bitten. Bitte akzeptieren Sie meine Entschuldigung mit großem Bedauern.“

Bundesanwaltschaft fordert lebenslänglich

War mit einer Entschuldigung des Angeklagten nicht unbedingt zu rechnen, fielen die Plädoyers der Vertreter von Bundesanwaltschaft und Nebenklage erwartungsgemäß aus. Sie forderten, Ahmad A. wegen Mordes und sechsfachen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit Anerkenntniss einer „besonderen Schwere der Schuld“ zu verurteilen. Sollte das Gericht am 1. März in seinem Urteil die Schuldschwere feststellen, wäre eine Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen.

Wahllos und heimtückisch habe Ahmad A. am 28. Juli 2017 in und vor einer Edeka-Filiale an der Fuhlsbüttler Straße auf Kunden und Passanten eingestochen. „Sie alle waren zur falschen Zeit am falschen Ort“, sagte die Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Yasemin Tüz. Indem er ausschließlich Menschen angriff, die er für Deutsche nicht-muslimischen Glaubens hielt, sei zudem von niedrigen Beweggründen auszugehen. Besondere Schuldminderungsgründe wie eine eingeschränkte Schuldfähigkeit lägen nicht vor, so Tüz. Der psychiatrische Sachverständige habe zwar von einer Anpassungsstörung mit depressiven Episoden gesprochen – eine verminderte Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt habe er aber ausgeschlossen.

Ahmad A., der Mann mit zwei Gesichtern

Wie sich im Prozess herausstellte, war Ahmad A. ein Mann mit zwei Gesichtern: hier der junge Mann, der dem westlichen Lebensstil frönte; der Marihuana rauchte, feiern ging und Frauenkontakte suchte. Dort der Islamist, der sich aus Frust über seine Situation radikalisierte und schließlich das angeblich den Muslimen weltweit widerfahrende Unrecht als Rechtfertigung für seine blutige Tat missbrauchte.

Dabei sei sein Mandant 2008 hoffnungsvoll nach Europa aufgebrochen, sagte sein Verteidiger Christoph Burchard. Er habe sich anpassen und im Westen leben wollen. Spätestens Ende 2016, nach der Ablehnung als Asylbewerber, sei ihm klar geworden, dass er in Deutschland keine Zukunft habe. Sein Mandant habe sich dann entschieden, in sein Heimatland Palästina zurückzukehren – was aber an fehlenden Papieren scheiterte. „Er durfte nicht in Deutschland bleiben und Deutschland nicht verlassen.“ In dieser verzweifelten Situation, die Burchard mit einer „Lebendfalle“ verglich, sei er empfänglich für radikale Gedanken geworden. Zu dem Exzess wäre es nicht gekommen, hätte man ihm ein vorübergehendes Bleiberecht gewährt-- oder ihn zumindest in sein Heimatland entlassen.