Hamburg. Ein Deal, der den HSH-Vorstand vor Gericht brachte. Und ein Prozess, der Hamburg ein Jahr lang in Atem hielt.

Zu den vielen Irrtümern und falschen Eindrücken im Zusammenhang mit der HSH Nordbank gehört auch dieser: Der Vorstand wurde wegen der Schieflage der Bank und der Milliardenverluste vor Gericht gestellt. Dem war mitnichten so. Der Prozess, der Hamburg 2013/2014 ein Jahr lang in Atem hielt, war keine Aufarbeitung der HSH-Krise, sondern es ging im Kern nur um ein einziges Geschäft: Omega 55.

Allerdings hat die Aufklärung, warum dieser irrwitzige Kreisel-Deal überhaupt eingegangen wurde und wer dafür die Verantwortung trägt, einzigartige Einblicke in die Finanzbranche ermöglicht und damit geholfen, zu verstehen, was da bei der HSH Nordbank – und vielen anderen Banken übrigens auch – so verdammt schiefgelaufen ist.

Darum ging es: Im Zuge der Finanzkrise stand die HSH Nordbank 2007 vor einem Problem. Sie hatte hohe zweistellige Milliardenbeträge an Risk-weighted Assets (RWA) in den Büchern – Geschäfte, die ein besonderes Ausfallrisiko hatten. Zwar ist jedes Bankgeschäft per se ein Risiko. Aber es gilt die Faustformel: Je höher das Risiko, desto mehr Eigenkapital muss eine Bank dafür zurückhalten. Und die Finanzkrise hat die Risiken für alle Banken erhöht. Die HSH hätte für ihre RWA große Teile ihres ohnehin knappen Eigenkapitals binden und eine entsprechend schlechte Kapitalquote ausweisen müssen. Das wollte sie jedoch mit Blick auf den für 2008 geplanten Börsengang vermeiden.

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Also lagerte sie Ende 2007 Risiken im Umfang von 17 Milliarden Euro aus – daher spricht man von RWA-Transaktionen. Das war grundsätzlich unter bestimmten Bedingungen erlaubt, wie der damals verantwortliche Vorstand daher stets betonte. „Omega“ als eine von diesen RWA-Transaktionen hatte jedoch kuriose Besonderheiten: Denn am Ende landeten die Risiken – und weitere obendrauf – wieder bei der HSH.

Die HSH hatte das Risiko zunächst ausgelagert

Das kam so: Partner für das Geschäft war die französische Großbank BNP Paribas. Zunächst lagerte die HSH Immobilienkredite im Umfang von zwei Milliarden Euro an eine Zweckgesellschaft aus. Für diese Kredite stellte BNP eine Kreditausfallversicherung (Fachjargon: Credit Default Swap, kurz CDS) zur Verfügung. Dafür wiederum zahlte die HSH einige Millionen an Prämie. Damit hatte sie ihr Risiko ausgelagert und abgesichert – das war der relativ unproblematische Teil A des Deals.

Knackpunkt war Teil B. Die französische Bank packte nun ihrerseits Kredite über vier Milliarden Euro in eine Zweckgesellschaft namens Omega, der BNP und HSH jeweils eine Art Dispo über zwei Milliarden Euro stellten – als Absicherung gegen Kreditausfälle. Damit hatte die HSH ihr ausgelagertes Risiko de facto wieder zurückgenommen. Doch es kam noch schlimmer: BNP Paribas packte auch noch ein hoch kompliziertes 800-Millionen-Wertpapier (Single-Tranche Collateralized Debt Obligation) in die Omega-Gesellschaft, für das die HSH ebenfalls hälftig haften musste – also mit 400 Millionen Euro. 2008 nahm BNP diese Versicherung mit rund 300 Millionen Euro in Anspruch. Als das bekannt wurde, führte es mit zum Aus für HSH-Vorstandschef Hans Berger.

Bis zur Prozesseröffnung dauerte es vier Jahre

2009 reichte der Hamburger Anwalt Gerhard Strate Strafanzeige gegen den HSH-Vorstand ein. Sein Vorwurf: schwere Untreue und Bilanzfälschung. Die Staatsanwaltschaft begann zu ermitteln. Weil die hochkomplexen Omega-Verträge zig Ordner umfassen und überwiegend in Englisch formuliert sind, dauerte es vier Jahre bis zur Prozesseröffnung. 2013 war es so weit: Mit Hans Berger, Dirk Jens Nonnenmacher, Peter Rieck, Jochen Friedrich, Bernhard Visker und Hartmut Strauß stand erstmals in Deutschland ein kompletter früherer Bankvorstand vor Gericht. Rieck und Friedrich waren fachlich zuständig für Omega – daher hatte sich die HSH Ende 2009 von ihnen getrennt. Die anderen Vorstände hatten die Vorlage im Eilverfahren mit abgezeichnet.

Nach einem Jahr und 62 Prozesstagen dann das Urteil: Richter Marc Tully bezeichnete den Deal als „objektiv sinnlos und wertlos“, wobei er den Schaden für die HSH mit rund 30 Millionen Euro bezifferte. Den B-Teil verglich er gar mit dem Aufschwatzen einer Heizdecke auf einer Butterfahrt. Doch im Ergebnis sprach er die Angeklagten alle frei. Zwar hätten sie ihre Pflichten verletzt, aber diese Pflichtverletzung sei nicht gravierend genug für eine Verurteilung.

2016 hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil auf, der Prozess muss komplett neu aufgerollt werden. Wann das sein wird, ist noch offen – aber die HSH Nordbank wird es dann mit Sicherheit nicht mehr geben.