Hamburg. Discounter bricht Rabatt-Tabu und bietet sogar Markenparfüms zum Sonderpreis an. Budni-Geschäftsführer warnt vor den Folgen.

Das Angebot mit Herz wird als Geschenktipp zum Valentinstag angepriesen. Im aktuellen Prospekt von Aldi Nord gleich neben Kosmetikspiegel und Lockenstab platziert, geht der Discounter mit Parfüms von prestigeträchtigen Markenfirmen in die Preisoffensive: Die Düfte von Calvin Klein, Karl Lagerfeld und Chopard kosten je Flasche (75 bis 150 Milliliter) gerade mal 29,95 Euro.

Seit Montag liegen die Edel-Flakons in den Angebotskörben der 2500 Aldi-Nord-Märkte, darunter mehr als 80 in Hamburg. Kurz vor Weihnachten hatte das Unternehmen, das jahrzehntelang vor allem als Basisversorger Erfolgsgeschichte schrieb, erstmals mit Markendüften Kunden gelockt, jetzt legt es nach.

Es rumort in der Branche

Aldi unterbietet die Preise im Wettbewerb damit deutlich. Beim Marktführer Douglas kostet etwa das Eau de Toilette Calvin Klein CKin2U für Männer trotz massiver Preissenkung aktuell im Onlineshop noch 37,95 Euro. Auch bei der Drogeriemarktkette dm, die erst kürzlich verstärkt in das margenstarke Geschäft mit den schönen Düften eingestiegen ist, bekommt man Karl Lagerfeld Men für 34,95 Euro – allerdings mit 50 statt 100 Millilitern Inhalt. In der Branche wird das als Kampfansage gesehen, es rumort kräftig. Denn Aldi ist nicht der einzige Anbieter, der in den Bereich der hochwertigen Fachhandelsprodukte einbricht. Drogeriemarktketten offerieren ein wachsendes Duftangebot zum kleinen Preis. Rabattaktionen bieten auch Kaufhäuser und vor allem Onlinehändler. Der Kunde darf sich freuen.

Ein Parfümhändler wird Aldi deshalb nicht werden, aber die Duft-Offensive wirft ein Schlaglicht auf den eingeleiteten Strategiewechsel des einstigen Billigheimers. Im vergangenen Jahr starteten Aldi Nord und Aldi Süd unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit eine milliardenschwere Modernisierungsoffensive ihrer Märkte. Bereits vorher hatte die mächtige Handelskette angefangen, Markenprodukte in die Regale zu räumen. Günstiger als die Konkurrenz, aber zunächst mit festgelegten Preisen. Es folgte ein weiterer Schwenk: Immer häufiger setzt Aldi bei Artikeln namhafter Hersteller den Rotstift an.

Discounter bricht Rabatt-Tabu

Ausgenommen war bislang der Kosmetikbereich. Jetzt bricht der Discounter sein Rabatt-Tabu auch in diesem Segment. So bietet Aldi Nord in seinen Filialen vom nächsten Freitag an drei Produkte der Pflegeserie Nivea Essentials Urban Skin für jeweils 4,59 Euro an. Damit liegen die Preise unter denen von Marktführer Rossmann, der 4,99 Euro aufruft. Selbst dm mit seiner Dauerniedrigpreis-Strategie ist mit 4,95 Euro teurer. Auch Geschirrspülmittel von Pril, Badreiniger von Viss oder Kids Duschgel von Duschdas werden in den Aldi-Wochenprospekten als Aktionsware angepriesen.

Gestartet wurde die neue Rabattschlacht Ende Januar mit einer spektakulären Aktion mit Nivea-Produkten. Aldi lockte mit Preisnachlässen von 25 Prozent auf Artikel des Hamburger Kosmetikherstellers Beiersdorf. Allerdings mit Einschränkungen: Kunden mussten drei Produkte im Wert von mindestens neun Euro im Einkaufswagen haben. Inzwischen sind einige Nivea-Produkte dauerhaft reduziert. „Wir wissen, dass Kunden auf Markenartikel achten. Unser Ziel ist es, günstiger zu sein“, sagt Serra Schlesinger, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Aldi Nord in Essen. Offenbar kommt das bei den Kunden bestens an. „Wir sind mit der Nivea-Aktion sehr zufrieden“, so die Sprecherin in neuer Aldi-Offenheit. Details zu Absatz und Umsatz gibt es allerdings auch diesmal nicht.

Aldi bricht den Burgfrieden

Deutlich wird aber, dass Aldi den Burgfrieden mit den Drogeriemärkten bricht. Bisher war es Konsens, dass die Handelsformate sich ihren Sortimenten entsprechend unterscheiden. In der Drogerie gibt es Haar- und Körperpflege, Kosmetik und Hygieneartikel, niedrige Preise bekommt man beim Discounter nebenan. Wie schon die großen Supermarktketten ist inzwischen auch Aldi auf dem Weg zum One-Stop-Shopping, sprich die Kunden sollen ihren kompletten Wocheneinkauf in den Märkten erledigen können. Drogerieartikel sind ein wichtiger Umsatzbringer. 26,6 Milliarden Euro geben die Deutschen jährlich für Shampoos, Babycremes und Wattestäbchen aus. Der Distributionsanteil der Drogeriemärkte liegt nach den aktuellen Zahlen des Marktforschungsunternehmens IFH Köln hochgerechnet bei 55 Prozent. Den Rest teilen sich Kauf- und Warenhäuser, Supermärkte, Friseure, Discounter und der Onlinehandel.

Roßmann reagiert betont ausgelassen

Die Marktführer dm und Rossmann sind seit Jahren auf Wachstumskurs. dm (3500 Märkte) hat seine Umsätze im Geschäftsjahr 2016/2017 auf 10,3 Milliarden Euro erhöht und erstmals die Schwelle zu einem zweistelligen Milliardenumsatz überschritten. Rossmann (2100 Märkte) steigerte sich um sieben Prozent auf rund neun Milliarden Euro. Unternehmenschef Dirk Roßmann reagierte betont gelassen. „Vor Aldi brauchen wir uns nicht zu verstecken, wir können jede Preisaktion mitgehen“, sagte der Unternehmer der „Wirtschaftswoche“. Der Drogeriekonzern reagierte prompt mit Preissenkungen. dm konterte ebenfalls und kündigte den strategischen Ausbau der Eigenmarke Balea an.

Aber auch andere Handelskonzerne schauen begehrlich auf das Geschäft. Im vergangenen Jahr schloss Edeka eine Kooperation mit der Hamburger Drogeriemarktkette Budnikowsky. Eine Säule ist eine Einkaufskooperation, die bereits besteht, außerdem will Edeka künftig mithilfe der Nummer vier der Branche eigene Drogeriemärkte betreiben. Geschäftsführer Christoph Wöhlke bewertet den neuerlichen Preiskampf als grundsätzlich: „Wir bedauern diese Wertevernichtung sehr, denn jeder Artikel hat seinen Preis“, so der Hamburger auf Anfrage des Abendblatts. „Es wird Zeit, dass die Rolle des Preises auf Gesellschaft, Umwelt und andere Herausforderungen kritisch diskutiert wird. Diese Preisspirale streut den Menschen Sand in die Augen, denn alle Menschen profitieren – wenn überhaupt – nur kurzfristig davon und zahlen langfristig einen sehr hohen Preis.“

Aldi plant offenbar weitere Aktionen. Details gibt das Unternehmen nicht bekannt. Als Nächstes sollen offenbar Markenwaschmittel wie Ariel und Lenor dran sein.