Hamburg. In der Unternehmenszentrale könnten fast 250 der mehr als 1000 Arbeitsplätze wegfallen. Zigarettenabsatz geht beständig zurück.

Es sind unruhige Zeiten beim Hamburger Zigarettenhersteller Reemtsma: Die Nummer zwei auf dem deutschen Tabakmarkt hält mit Marken wie West, Gauloises, Davidoff, Peter Stuyvesant, JPS oder den Selbstdreher- und -stopfer-Tabaken Drum und Route 66 seit Jahren zwar ziemlich beständig um die 25 Prozent Marktanteil. Aber der Zigarettenabsatz hierzulande und in der gesamten westlichen Welt geht seit Jahren ebenso beständig zurück. Die Branche klagt über zunehmende staatliche Eingriffe wie Werbeverbote und zuletzt die Einführung von Schockbildern auf Tabakwaren-Verpackungen in der EU.

Unruhe herrscht unter den mehr als 1000 Beschäftigten in der Bahrenfelder Unternehmenszentrale seit Mitte der Woche aber vor allem, weil die Zahl der Arbeitsplätze dort in naher Zukunft deutlich schrumpfen könnte. Bis zu 245 Jobs – also fast jeder vierte in der Hansestadt – könnten bis zum Jahr 2020 in der Verwaltung wegfallen.

Das gab das Reemtsma-Management während einer Betriebsversammlung am Mittwoch bekannt, wie mehrere Teilnehmer der dienstlichen Veranstaltung berichten. Für die Versammlung war eigens der Veranstaltungssaal Kuppel Hamburg auf der nahe gelegenen Trabrennbahn Bahrenfeld angemietet worden.

Wirtschaftliche Lage gibt keinen Anlass

Unternehmensspitze und Betriebsrat dementieren die Zahl 245 nicht, relativieren sie in einer gemeinsamen Stellungnahme auf Anfrage des Abendblatts aber. „Für das Geschäftsjahr 2018 betrifft die geplante Restrukturierung bis zu 85 Arbeitsplätze am Standort Hamburg“, heißt es darin. Alle weiteren vorgestellten Planungen für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 seien jedoch nicht endgültig und: „Die Gespräche über die geplanten Veränderungen am Standort Hamburg sind noch nicht abgeschlossen.“ Der Vorstand um Sprecher Michael Kaib und der Betriebsrat verhandeln demnach auch darüber, den Arbeitsplatzabbau durch Vorruhestandsangebote sozialverträglich zu lösen sowie durch die Nichtbesetzung frei werdender Stellen.

Die wirtschaftliche Lage von Reemtsma gibt keinen Anlass, über Stellenabbau und Kostenreduzierung zu diskutieren. Trotz des zurückgehenden Absatzes ist der Zigarettenhersteller weiter hoch profitabel. Der jüngste veröffentlichte Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2015/16 weist einen Umsatz von gut 1,7 Milliarden Euro (ohne Tabaksteuer) und knapp 577 Millionen Euro Gewinn aus. Im Jahr zuvor waren es 485 Millionen Euro gewesen.

Das Geld geht an den britischen Mutterkonzern Imperial Brands, zu dem Reemtsma seit mehr als zehn Jahren gehört. In Hamburg ist unter anderem die Forschungs- und Entwicklungsabteilung für alle Ländergesellschaften des Konzerns tätig, das globale Geschäft mit zollfreien Zigaretten für Duty-Free-Läden wird von Bahrenfeld aus gesteuert, zudem die globalen Zulieferketten. Ob Hamburg der richtige Standort für alle diese Abteilungen ist, ist jetzt offenbar mindestens infrage gestellt. Es sei üblich, dass in einem Konzern „immer nach den wirtschaftlich sinnvollsten Lösungen geschaut werden muss“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung von Vorstand und Betriebsrat. „Insofern ist die Verlagerung von globalen Funktionen oder Teilen davon auch immer eine Entscheidung, die in Hinsicht auf die globale Wettbewerbsfähigkeit getroffen werden muss.“

Neue Hoffnung dank elektronischer Zigaretten

Aktienanalysten machen sich um die Wettbewerbsfähigkeit des weltweit viertgrößten Tabakkonzerns Imperial Brands derzeit allerdings keinerlei Sorgen. Die Mehrzahl der Bankhäuser empfiehlt, Aktien des britischen Konzerns zu kaufen, der pro Jahr deutlich mehr als eine Milliarde Euro Gewinn einfährt. Doch Vorstandschefin Alison Cooper hat ehrgeizigere Wachstumsziele und den Anteilseignern für die nächsten Jahre deutlich mehr Umsatz und Gewinn versprochen, kommt dabei bislang aber nicht recht voran.

Zudem treibt auch Imperial Brands jetzt das jahrelang eher stiefmütterlich behandelte Geschäft mit elektronischen Zigaretten voran – und braucht dafür viel Geld. In den USA haben die Briten vor Kurzem einen Verdampfer namens myBlu eingeführt, Europa soll folgen. Für das Marketing seien in diesem Jahr 300 Millionen britische Pfund (340 Millionen Euro) eingeplant, gab Cooper Anfang der Woche bekannt.

An das Geschäft mit den Rauchgeräten der nächsten Generation knüpfen sich bei Reemtsma aber auch Hoffnungen. Die Vermarktung im deutschsprachigen Raum und in Skandinavien werde von Hamburg aus betreut, heißt es. Das könne Arbeitsplätze schaffen.