Hamburg. Linke fordert mehr Prävention und bessere Lehrerbildung. Dutzende Jugendliche radikalisieren sich jedes Jahr.

Die Linksfraktion setzt sich dafür ein, dass Hamburger Schulen stärker gegen eine islamistische Radikalisierung von Schülern vorgehen – und hat zu dem Thema jetzt einen Bürgerschaftsantrag eingereicht. „Dschihadistische und salafistische Gruppierungen werben gezielt an öffentlichen Orten, auch an Schulen und vor allem in digitalen Räumen der Alltags- und Lebenswelt von Schülern, um Anhänger für ihre extremen Überzeugungen“, heißt es in dem Antrag.

„Eine generelle Zunahme der Identifizierung mit ausgrenzenden, fundamentalen Überzeugungen, die bereits das Ausmaß einer ,Jugendsubkultur‘ angenommen haben, sowie der immer frühere und raschere Zuspruch zu gewaltbereiter religiöser Radikalisierung unter Jugendlichen belegen diese Tendenzen.“ Dabei verweist die Linke auf Berichte, nach denen sich der radikalislamische Salafismus zu einer Art deutschem „Inlandsextremismus“ entwickle, seit der „Islamische Staat“ (IS) immer weiter an Boden verliere.

Nicht nur Schüler mit Migrationshintergrund könnten „zur Zielgruppe für extremistische Vereinnahmungen islamistischer und dschihadistischer Prägung werden“, so der Linken-Antrag weiter. „Umso wichtiger sind darum passgenaue wie differenzierte Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte und andere schulische Akteure, die passende Zielsetzungen an den jeweiligen Schulen ermöglichen und ... alle Jugendlichen als Zielgruppe adressieren und keine Stigmatisierungen oder rassistischen Zuschreibungen reproduzieren.“ Zwar gebe es bereits Fortbildungsangebote zum Islamismus. Diese reichten aber nicht aus. Auch sei die speziell für die religiöse Radikalisierung vorgesehene Abteilung des Instituts für Lehrerbildung personell nicht gut genug ausgestattet.

Zahlen will oder kann der Senat nicht vorlegen

„Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, die Präventionsarbeit als fes­ten Bestandteil des Unterrichts zu verankern, damit Sensibilisierung und Prävention sicher und kontinuierlich an Schulen stattfinden können“, sagte Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus. In ihrem Antrag fordert die Linke ein neues Konzept zur Islamismus-Prävention. Es müsse an jeder Schule mindestens ein Lehrer regelmäßig und umfassend geschult werden. Bei Verdacht einer Radikalisierung müsse garantiert werden, dass Schulen, Eltern und Experten der Jugendhilfe schnell eingreifen könnten.

Gesammelte Zahlen zu den Fällen religiöser Radikalisierung von Schülern scheint der Senat derzeit allerdings nicht vorlegen zu wollen oder zu können. Auf eine Anfrage des AfD-Fraktionsvorsitzenden Jörn Kruse, wie viele Schüler zuletzt durch „übersteigertes religiöses Verhalten“ aufgefallen seien, antworte er, der „Terminus übersteigertes religiöses Verhalten“ sei ihm „nicht bekannt“. Allerdings hat der Senat sporadisch und verstreut über unterschiedliche Drucksachen die Zahlen der Fälle veröffentlicht, in denen sich Schulen wegen radikalisierter Schüler an die Schulbehörde wandten. Demnach gab es zwischen Sommer 2015 und April 2016 laut einer Senatsmitteilung 58 Fälle von Schülern, bei denen die Schulen eine Radikalisierung fürchteten. Allein zwischen Februar und Mai 2017 waren es laut einer Senatsantwort auf eine FDP-Anfrage 21 Fälle.

Seit Sommer 2017 gab es 16 Beratungsanfragen

Nach einer aktuellen Senatsantwort auf eine Linkenanfrage gab es seit dem Sommer 2017 insgesamt 16 weitere Beratungsanfragen, weil Schülerinnen oder Schüler zwischen 14 und 17 Jahren sich zu radikaliseren schienen. Eine vollständige Übersicht der Fälle wurde als Antwort auf die Anfragen bisher allerdings nicht vorgelegt. Auch die zuletzt deutlich gestiegenen Fallzahlen der Ausstiegsberatungsstelle „Legato“ sprechen aber dafür, dass die religiöse Radikalisierung eher zunimmt.

Die Linke fordert angesichts der nicht sonderlich übersichtlichen Datenlage in ihrem Bürgerschafts­antrag auch „umfassende Transparenz zur Sachlage sowie ergebnisoffene Diskussionen zur effektiveren Aufstellung und Ausgestaltung von Schule“.

Der Senat müsse „allen Schulen die notwendigen Rahmenbedingungen bereitstellen, um diese wichtige Präventionsarbeit nach ihren tatsächlichen Bedarfen auch gewährleisten zu können“.