Hamburg. Im Schanzenviertel hat Hamburgs erste Gastronomie eröffnet, die kaum noch Müll produziert. So funktioniert es.
„Because earth is beautiful“ (zu Deutsch: Weil die Erde schön ist) steht in fett gedruckten Buchstaben im Café „In guter Gesellschaft“ im Schanzenviertel an der Wand neben dem Eingang. Die beiden Freundinnen Ina Choi-Nathan (34) und Alana Zubritz (31) betreiben die erste Gastronomie in Hamburg nach der „Zero Waste“-Philosophie. Das bedeutet: Sie wollen so wenig Müll wie möglich produzieren. Aber wie lässt sich dieses Geschäftsmodell in einer Gesellschaft umsetzen, in der selbst die Biogurke in einer schützenden Folie verpackt ist?
„Es ist so einfach, Plastik zu ersetzen“, sagt Ina und zeigt auf einen Strohhalm aus Metall. Die Mülltonne hinter dem Tresen ist bis auf einem Kunststoffdeckel, einen Kronkorken und zwei Plastikschnipsel leer. Der fünf Liter fassende Altpapiereimer wird in der Woche nur einmal ausgetauscht. Und für den Bioabfall, der ohnehin wiederverwertet wird, haben die Gründerinnen ein Kompostiergerät in Österreich bestellt. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, Lebensmittel in Plastiktüten einzukaufen, werden sie als Müllbeutel in der Damentoilette wiederverwendet.
Vor drei Monaten hat das Café eröffnet
Vor drei Monaten hat das Kaffeehaus in unmittelbarer Nähe der U-Bahn Feldstraße eröffnet. Eigentlich hat Alana in Hamburg Design studiert und ihren Master-Abschluss im englischen Brighton mit der Fachrichtung Nachhaltigkeit absolviert. „Ich hatte schon immer Lust, etwas in der Welt zu verändern“, sagt die 31-Jährige, die zuvor Veranstaltungen für faire Mode und Lebensmittelrettung organisiert hat. „Damit konnte ich aber kein Geld verdienen.“
In England hat sie das erste „Zero Waste“-Restaurant entdeckt. „Ich war begeistert“, sagt Alana. Bereits vor ihrer Rückkehr schmiedete sie den Plan, sich mit Ina selbstständig zu machen. Nur womit? „Ursprünglich wollten wir gar kein Café eröffnen. Für uns war es nur wichtig, nachhaltig zu arbeiten“, erzählt Ina, die in der freien Wirtschaft beschäftigt war.
Ware wird unverpackt geliefert
Die Hamburgerinnen lassen sich ihre Ware von Lieferanten unverpackt zustellen. Mittlerweile gibt es mehrere Geschäfte im Norden (siehe Infokasten), die ihre Produkte bewusst ohne Plastikhüllen verkaufen. „Absurderweise sind sie sogar teurer“, sagt Ina. Deswegen stellen sie im Café Aufstriche, Grillgemüse und Milch selbst her. Die Gerichte sind vegan oder vegetarisch.
„Es ist aufwendiger nach dem Zero-Waste-Prinzip zu arbeiten“, gibt sie zu. Eine heiße Schokolade wird im Marmeladenglas serviert, auf den Tischen stehen Stoffservietten in Dosen. Und selbst die Putzmittel werden aus Essig, Natron und Soda zusammengemixt und in Glasflaschen gefüllt. Anstelle von Spülmaschinentabs verwenden die Betreiberinnen und ihre sieben Mitarbeiter Pulver aus Salz. Bis auf die Kaffeemaschine und der Tresen sind alle Möbel gebraucht.
Coffee-to-go-Becher gibt es nicht
Über dem Ladentisch hängt ein gerahmtes Bild, auf dem steht: „Deutschlandweit werden stündlich 320.000 Coffee-to-go-Becher weggeworfen. Wir haben nur Mehrwegbecher.“ Kunden bringen sich ihren eigenen Becher mit oder können für zwei Euro Pfand einen ausleihen. „Ich habe schon erlebt, dass Gäste wieder gegangen sind, weil wir keine Wegwerfbecher haben“, erzählt Ina, die in Wiesbaden geboren ist und ihre Wurzeln in Korea hat.
Die beiden Frauen, die vor einiger Zeit noch gemeinsam in einer WG gewohnt haben, leben auch privat mit niedrigem Müllverbrauch. Anstelle von Shampoo benutzen sie Haarseife, wenn sie sich Sushi beim Asiaten bestellen, bringen sie eine Frischhaltedose mit, und Käse gibt es nur von der Theke. „Man kann auf vielen Ebenen auf Müll verzichten, aber nicht auf allen. Der Idealzustand ist schwer zu erreichen“, sagt Ina. Für sie sei es besonders schwer, keine in Plastik verpackten Kosmetikartikel zu nutzen. „Meine Wimperntusche verwende ich trotzdem.“
Viele Gäste wissen nichts von "Zero Waste"
Bevor Alana und Ina das Café einweihten, haben sie zu Hause getestet, welche Gerichte am meisten Müll sparen. Herausgekommen sind unter anderem belegte Biobrote, hausgemachte Teigtaschen sowie Suppen und Salate zu fairen Preisen. Besonders beliebt ist das Frühstück am Sonnabend. „Am Wochenende ist hier die Hölle los“, erzählt Alana. Und weiter: „Der Tourismus ist hier regelrecht explodiert.“
Viele Gäste wissen nicht von der ungewöhnlichen Philosophie, wenn sie sich einen Kaffee bestellen. „Sie sind sehr überrascht. Aber die Rückmeldungen sind durchweg positiv“, sagt Ina. Sie hofft, dass das Geschäft ein Vorbild für andere Menschen ist. Wie schon der Slogan im Eingangsbereich andeutet: Die Erde ist schön – und soll es auch bleiben.
„In guter Gesellschaft“, Sternstraße 25, Di–Sa 9–19 Uhr, So 10–19 Uhr.
Einkaufen ohne Müll
In diesen Geschäften werden Lebensmittel, Getränke, Drogerieartikel und Haushaltswaren unverpackt angeboten. Und so funktioniert’s: Kunden bringen sich entweder selbst verschließbare Gefäße, Dosen, Flaschen und Beutel mit oder können sie zum Selbstkostenpreis im Laden kaufen. Der Kunde füllt sich von der Ware so viel ein, wie er braucht. Anschließend wird alles gewogen und kassiert. Eine Auswahl an „Zero Waste“-Geschäften in Hamburg:
Stückgut: Am Felde 91, Mo–Fr, 10–19 Uhr, Sa 11–17 Uhr.
Ohne Gedöns: Tannenhof 45, Mo, Di, Do, Fr 9–18.30 Uhr, Mi 9–14.30 Uhr, Sa 9.30–14.30 Uhr.
Bio.lose: Osterstraße 81, Mo–Fr 8-20, Sa 8-18 Uhr.
Twelve Monkeys: Hopfenstraße 15b, Mo–Sa 10–20 Uhr.