Hamburg. Das geplante Forschungsgebäude am UKE entfacht die Diskussion über Notwendigkeit und Alternativen von Tierversuchen neu.

Für Tierschützer das nackte Grauen, für die Forschung unerlässlich: Diese genauso alten wie gegensätzlichen Positionen zum Thema Tierversuche prallen nach der Ankündigung des Senats, einen Neubau für Versuchstiere am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) zu errichten, nun wieder verstärkt aufeinander. Seit die Stadt plant, ein 32 Millionen Euro teures Zentrum für Testmäuse, Ratten oder Schafe auf dem Klinikgelände zu errichten, drängen Tierrechtler schäumend auf die Straße. Die Wissenschaftsbehörde unter Senatorin Katharina Fegebank (Grüne) rechtfertigt das Vorhaben dagegen als alternativlos.

Hamburg verbraucht pro Jahr 150.000 Tiere

Tatsächlich werden in Hamburg jährlich Tierversuche in nahezu unveränderter Menge bewilligt. 13 Institutionen und Unternehmen mit biomedizinischer Forschung listet die Gesundheitsbehörde, in acht von ihnen wurden im Jahr 2017 Tierversuche genehmigt (siehe Kasten). Laut Behörde sind dabei in 394 Projekten etwa 150.000 Tiere „verbraucht“ worden, wie es im Amtsdeutsch heißt – vor allem Ratten und Mäuse. Deutschlandweit wurden im gleichen Zeitraum konstant bleibende 2,85 Millionen Wirbeltiere zu Versuchszwecken eingesetzt, laut Bundeslandwirtschaftsministerium allein 1,45 Millionen Mäuse.

Tierversuchskultur werde manifestiert

Der Vorwurf der Hamburger Tierschutzbündnisse, die am Sonnabend zu einem Protest auf dem Rathausmarkt aufrufen, zielt vor allem auf fehlende Anstrengungen, die tierversuchsfreie Forschung voranzutreiben. Stattdessen werde mit dem Neubau am UKE die Tierversuchskultur manifestiert. Hamburg versäume es, ernsthafte Alternativen, wie den Einsatz von Zellkulturen oder computergestützten Verfahren, zu fördern. Ein Beispiel, sagt Stephan Jersch, Fachsprecher der Linken-Bürgerschaftsfraktion, sei der alle zwei Jahre mit 20.000 Euro dotierte Preis für Alternative Forschungsmethoden. Er ging zuletzt nicht nur an auswärtige Wissenschaftler aus Konstanz und Berlin, seine schmale Ausstattung stehe auch in einem Missverhältnis zum 30-Millionen-Euro-Investment für Tierversuche am UKE. „Das setzt ein völlig falsches Zeichen“, sagt Jersch.

Ziel der Forschung ist indes, die Anzahl von Versuchstieren zu reduzieren. In Holland etwa sollen einige Tierversuche bis 2025 komplett ersetzt werden. Ein Durchbruch, der Bio-Tests abschaffen kann, ist aber nicht in Sicht. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) verweist auf Abendblatt-Anfrage stattdessen auf eine jährliche Fördersumme von gut sieben Millionen Euro für Projekte der Initiative „Eine Frage der Haltung – neue Wege für mehr Tierwohl“ und das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren. Die Förderung zur Vermeidung von Tierversuchen sei „weltweit einzigartig“, sagt eine Sprecherin des BMEL.

Würde die Forschung eingeschränkt?

Dennoch registriert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine nach wie vor „geringe“ Zahl von Förderanträgen auf dem Gebiet der Alternativmethoden. Momentan werde kein Einzelprojekt zur tierversuchsfreien Forschung unterstützt. „In einigen geförderten Forschungsverbünden kommt dem Aspekt der Alternativmethoden aber eine besondere Bedeutung zu“, sagt Sprecher Marco Finetti. Dabei halten selbst von der DFG Begünstigte wie der Lehrstuhlinhaber für Alternativmethoden, Prof. Marcel Leist aus Konstanz, Tierversuche noch für unerlässlich. Seiner Ansicht nach würde ein „Ausstieg“ bei Tierversuchen die Entwicklung von Ersatzmethoden zwar fördern, die aktuelle Forschung aber stark einschränken.

Im Fall des UKE, sagt eine Sprecherin der Wissenschaftsbehörde, werden viele Erkenntnisse ohne Tierversuche gewonnen – durch Modellrechnungen, In-vitro-Verfahren, Zellkulturen oder Patientenstudien. Oft hätte Forschung (und deren Finanzierung im Wettbewerb) jedoch nur Erfolg, wenn am lebenden Organismus experimentiert werde. „Dies betrifft etwa künstliche Herzklappen.“ Auch zur Kreislauf-, Krebs- oder Gehirnforschung seien Tierversuche nötig. Generell würden diese Tests aber nur beim Fehlen von Alternativen beantragt und bewilligt.

Senat: „Kapazität sichern“

Die grüne Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank lässt ihre Unterstützung für die Versuchstierhaltung am UKE als Kontrast zu grünen Positionen im Bund so erklären: „Wir nehmen die Notwendigkeit von Tierversuchen nicht als gegeben hin, sondern sehen, dass systematisch am Ersatz gearbeitet werden muss.“ Deshalb gebe es den Hamburger Forschungspreis „Alternativen zum Tierversuch“. Linken-Politiker Jersch wirft dem Senat dagegen vor, „keine Anstrengungen zur Begrenzung der Tierversuche, zu mehr Kontrolle und Reporting“ zu unternehmen.

Der Neubau für die UKE-Versuchstierhaltung mit drei Forschungszweigen soll alte Gebäude ersetzen, den Standard erhöhen und die „Kapazität sichern“, so der Senat. Neben Schafen und Schweinen werden dort Frettchen, Ratten und bis zu 40.000 Mäuse gehalten. Die Bauarbeiten sollen 2019 beginnen, erste Teile 2021 bezugsfertig sein.