Eimsbüttel. Seit Herbst ist das präparierte Tier nicht mehr zu sehen. Zoologisches Museum will Deutschlands berümtestes Walross neu zeigen.
Wo ist Antje? Deutschlands wohl berühmteste Walrossdame ist seit Herbst nicht mehr in der Ausstellung im Zoologischen Museum zu sehen und wird von vielen Besuchern vermisst.
Von einer Folie bedeckt, steht das präparierte Tier in einem schmucklosen Nebenraum, der wie eine Abstellkammer anmutet. Ein Einkaufswagen rechts von ihr, eine Leiter in einer anderen Ecke, alles grell erleuchtet. Von draußen hört man die Geräusche der Museumsbesucher. Hier drinnen ist Antje ganz allein. Ein bisschen traurig wirkt das. Dabei war sie doch der Star in Hagenbecks Tierpark, stand als Publikumsliebling im Mittelpunkt und schaffte es sogar zum NDR-Maskottchen. Und nun ist sie im Abseits.
Trauerbeflaggung nach Antjes Tod bei Hagenbeck
Dabei ist Antje auch fast 15 Jahre nach ihrem Tod gut in Form. „Solch ein Präparat ist für die Ewigkeit“, sagt Klaus Zwonarz, Chefpräparator im Zoologischen Museum. Er hat die mächtige, damals bis zu 750 Kilogramm schwere Walrossdame ein Jahr lang präpariert und ist immer noch zufrieden mit seiner Arbeit: Das braune Fell glänzt, die 60 Zentimeter langen Originalstoßzähne sehen prächtig aus, die künstlichen Barthaare sind in Form und vollständig. Sie ist nur viel schlanker als sie es zu Lebzeiten war, und der Präparator hat sie einer Verjüngungskur unterzogen: „Sie sieht nicht aus wie 27, sondern wie 17“, sagt Zwonarz und lacht. Ein Damenbart schmeichelt in diesem Fall: „Sie hatte bei ihrem Tod ja kaum noch Barthaare.“
Ohne diese hochsensiblen Sinnesorgane wäre das Walross in den dunklen Wintermonaten in der Natur gar nicht fähig gewesen zu jagen. Aus ihren künstlichen braunen Augen blickt sie nun in den Raum. Gemütsregungen gehen von dem Tier zwar keine aus, dennoch wirkt sie ruhig und gelassen, ja irgendwie zufrieden. Bei vielen Hamburgern hat das Walross immer schon große Gefühle geweckt. Zu Lebzeiten und nach ihrem Tod.
In der Nacht zum 17. Juli 2003 war sie gestorben. Das Hamburger Abendblatt schrieb am Tag danach: „Tränen fließen am Gehegerand, traurige Gesichter blicken auf das Eismeerbecken.“ Bei Hagenbeck herrschte Trauer: Die Flaggen vor dem Eingang waren auf Halbmast gesetzt. Um sieben Uhr hatte Tierpfleger Dirk Stutzki Antje leblos in der Schlafhöhle gefunden. Sie war mit 27 Jahren eingeschlafen. „In der freien Natur werden Pazifische Walrösser höchstens 20 Jahre alt“, sagt Zwonarz.
Im April kommt Antje zurück in die Ausstellung
Er erinnert sich noch an den Tag, an dem Antje starb: „Sie hatte sich zum Sterben in ihre Schlafhöhle gelegt, nachdem sie noch einmal ihr Lieblingsessen, Krabbensuppe, gegessen hatte. Mit drei Kollegen waren wir den ganzen Tag damit beschäftigt, ihre Haut abzuziehen.“ Der Verwesungsprozess war bereits in Gange, das geht bei wassernahen Tieren immer sehr schnell, sagt Zwonarz. Gestunken habe es aber nicht.
Im April soll Publikumsliebling Antje wieder zu sehen sein – ein wenig herausgeputzt auf einem Ehrenplatz im neuen Foyer. Mit allen Angaben zu ihrem Leben. Denn die Tierpräparate sollen mehr Persönlichkeit bekommen – die hat Antje zwar ohnehin, aber auf Informationstafeln sollen die Besucher mehr aus ihrem Leben erfahren: Sie stammt aus dem Nordpolarmeer und war 1976 als Wildfang über den Zoo Moskau nach Hamburg gekommen. Bereits als Baby war sie mit ihren 61 Kilo ein Wonneproppen. Ihren Namen gab ihr der frühere Tierparkchef Carl-Heinrich Hagenbeck. Wie sie zu ihrem Namen kam? „Sie war genauso ein kleiner Brocken wie meine sieben Jahre alte Schwester Antje“, sagte der spätere Tierparkchef Claus Hagenbeck 2003 im Abendblatt-Interview. Ein Fernsehteam des NDR hatte Antje zwei Jahre nach ihrer Ankunft entdeckt: Sie sollte dann 20 Jahre lang Pausentier und Maskottchen des Fernsehsenders sein. Zu ihren Geburtstagen gab es jedes Jahr Fischtorte – auch überreicht von Heidi Kabel. Patin war Verlegerin Alexandra Jahr.
Bald ist wieder Platz für Antje
Wenn die Sonderausstellung „Verschwindende Vermächtnisse“ zu Ende geht, gibt es wieder Platz für Antje. „Wie schon bei Finni, dem Finnwal, und Smilla, der Eisbärin, wollen wir Antje zugleich als Vertreterin ihrer Art und in ihrer Beziehung zu uns Menschen zeigen“, sagt Professor Matthias Glaubrecht, Wissenschaftlicher Direktor des Centrums für Naturkunde (CeNak). Ebenso wie die Eisbärin stehe auch Walross Antje für die rasanten Veränderungen der Lebensbedingungen in der Arktis.
In der Schau „Verschwindende Vermächtnisse: Die Welt als Wald“ folgen 17 Künstler den Spuren des Naturforschers Alfred Russel Wallace (1823–1913) zu den Hotspots der Artenvielfalt in Südostasien und Südamerika. Die Sonderausstellung ist bis zum 29. März im CeNak der Universität Hamburg, Martin-Luther-King-Platz 3, zu sehen, Öffnungszeiten: täglich 9 bis 17 Uhr. Eintritt frei. Infos unter www.cenak.uni-hamburg.de/ausstellungen/museum-zoologie.html