HAmburg. Beim Gastspiel in der Barclaycard Arena ließ sich die britische Synthiepop-Band am Donnerstagabend von 13.000 Fans feiern.

Lichtblitze zucken. Ein dramatisches Intro geleitet die drei Depeche-Mode-Musiker auf die Bühne der Barclaycard Arena.

Und von der ersten Sekunde an ist sie da: die Euphorie. Die Halle steht und tanzt.

Depeche Mode ist wie eigentlich immer: Sänger Dave Gahan lässt unter dem eleganten silberschwarzen Outfit teuflisch gut die Muskeln spielen. Der stoische Tastenmann Andrew Fletcher versteckt sich hinter Brille und diversen Gerätschaften. Martin Gore trägt zwar nicht das übliche Paradiesvogel-Kostüm, hat aber dramatischen Lidschatten aufgelegt. Von gesetzten Mittfünfzigern keine Spur. Mit ordentlich Wumms legen die um einen Drummer und einen Bassisten erweiterten Synthiepop-Dinosaurier los: Als Intro ertönt das Beatles-Cover „Revolution“ und kurz darauf „Going Backwards“.

Ein ansehnliches Hit-Repertoire

Andere Bands und Künstler, die bald ihr 40. Jubiläum feiern, planen längst ihre zweite Abschiedstournee und bringen nur noch müde Best-offs heraus. Wenn sie denn überhaupt noch leben. Prince, David Bowie, George Michael, alle sind sie dahingegangen. Dave Gahan erfreut sich seines Daseins. Depeche kommt einfach nicht aus der Mode, wie auch dieser Auftritt in Hamburg innerhalb ihrer ausverkauften Welttournee belegt.

Den großen Teil des Abends vor 13.000 Fans bestreiten die Musiker naturgemäß mit ihrem ansehnlichen Hit-Repertoire, aber auch neue Rock-Oden wie das kämpferische „Where’s the Revolution“ vom aktuellen, gar nicht so üblen Werk „Spirit“ kommen bei der Menge gut an.

Vom Synthiepop zum Elektro-Blues

Längst ist ihr Stil vom Synthiepop der Anfänge zu einem gut abgehangenen Elektro-Blues gewechselt, der auch das neue Werk dominiert. Er passt auch wunderbar zu der gereiften Stimme ­Dave Gahans, der schon bald drahtig wie eh und je seinen jugendlichen Hüftschwung demonstriert, ohne den natürlich auch diesmal wieder nichts geht.

Gahan läuft auf der Bühne von einem Rand zum anderen und über einen kurzen Steg ins Publikum hinein, posiert mit seinem verführerischen Schlangengang und gibt den Schamanen der wüsten Sinnlichkeit. Mal reißt er die Arme empor, mal verzerrt er die Miene zur dramatischen Pose.

Das Publikum ist in die Jahre gekommen

Das Publikum ist inzwischen überwiegend in den mittleren Jahren angekommen, und es reist mit Depeche ­Mode auch diesmal wieder äußerst willig an die Orte der schönsten Jugenderinnerungen zurück. Warum? Weil Depeche Mode einfach verlässlich ein grandioses Set abliefert, etliche Fans wissen das von vielen anderen Konzerten. Und weil das Trio mit seiner tanzbaren Pathosformel zu begeistern versteht wie noch immer keine andere Band nach ihm. Und weil es über ein Repertoire verfügt, das längst auch bei Kritikern anerkannten Klassiker-Status hat. Musik für die Massen im besten wortwörtlichen Sinne. Man wird ihrer Songs nicht überdrüssig, das Trio versteht sie hübsch neu und eine Nuance anders zu arrangieren. „Barrel Of A Gun“ etwa, oder „World in My Eyes“ mit seinem treibenden Tanzbeat. Das hochsensitive „In Your Room“ erinnert noch an finstere, längst überwundene Jahre im Bann der Drogen, Pop-Dämonen und Zerwürfnisse, in denen die Existenz der Band, vor allem aber die ihres Sängers auf der Kippe stand.

Vom neuen Werk glänzt vor allem das elegische „Cover Me“ mit seinem reduzierten Pathos. Darin singt Dave Gahan von einem Mann, dem es auf der Erde zu bunt wird und der doch frus­triert feststellen muss, dass es auf einem anderen Planeten nicht besser ist. Die Band richtet den Blick zurück, schlägt aber auch eine Brücke in die Gegenwart. Der Konzert-Dramaturgie entspricht es auch, dass Martin Gore, der kongeniale Songschreiber der meisten Depeche-Mode-Songs, seine Soloauftritte hat. Dem eher introspektiven Künstler liegt mehr der Vortrag der Balladen als der Auftritt der Rampensau. Und auch diesmal holt er sich seinen verdienten Sonderapplaus.

Tatendrang und muntere Diesseitsfreude

Das Motto des Depeche-Mode-Hits „Never Let Me Down Again“ verbindet Popgemeinde und Band längst ohne Verfallsdatum, also auch an diesem Abend. Düsternis, Melancholie sind nach wie vor die beherrschenden Stimmungen. Es geht aber auch Kampfgeist – siehe „Where’s the Revolution“. De­peche Mode 2018, das ist Tatendrang und muntere Diesseitsfreude. Die Ewigkeit und die Erlösung können getrost noch warten.