Hamburg. Was die Polizei-Kontrollgruppe „Autoposer“ auf Streife erlebt. Künftig soll sie mit mehr Personal auch Motorräder überprüfen.

Den drei jungen Männern, die neben dem Mercedes CLK 320 stehen, ist es sichtlich peinlich, auf der Reeperbahn nachts um halb eins zum Gespött der Leute zu werden. Ganze Gruppen von Frauen quietschen vor Vergnügen, als das Trio von Beamten der Kontrollgruppe „Autoposer“ überprüft wird. Minuten vorher hatten die Männer in dem 216 PS starken Coupé noch mit quietschenden und qualmenden Reifen um die Aufmerksamkeit der Passanten gebuhlt.

Die drei entsprechen ganz der Zielgruppe, um sie sich die Kontrollgruppe um Oberkommissar Tobias Hänsch kümmert. Er arbeitet derzeit mit fünf Kollegen, das ist die Winterbesetzung. Eigentlich umfasst die Kontrollgruppe neun Beamte. Ursprünglich hatte man im Winter Pause machen wollen. Doch die Autoposer machen ihrerseits auch keine Pause. So gehen die Kontrollen weiter. „Jahrelang hat man nicht dagegengehalten“, sagt Hänsch. So ist das Phänomen, bei dem meist junge Männer mit illegal getunten Autos und überhöhter Geschwindigkeit Aufmerksamkeit erregen wollen, enorm verbreitet.

Auch Motorräder sollen ins Visier genommen werden

In diesem Jahr will die Kontrollgruppe ihre Arbeit ausweiten. Auch Motorräder sollen dann ins Visier genommen werden. Dazu hofft die Gruppe, personell aufgestockt zu werden und bei den administrativen Aufgaben, die die Beamten stark belasten, Unterstützung zu bekommen.

Auf dem Kiez liegen unterdessen die Nerven blank. Einer der jungen Herren aus dem Mercedes CLK 320 beginnt, die feixenden Frauen zu beleidigen. Der 22 Jahre alte Fahrer, der mit seinen beiden Freunden von einer türkischen Hochzeit kommt, ist angetrunken. Er muss zum Atemalkoholtest in die Wache Lerchenstraße. Bei dem 22-Jährigen, so stellt sich schnell heraus, gibt es offenbar deutlich mehr Schein als Sein. Der Wagen gehört Papa. Er selbst war als Kurierfahrer tätig. Da gibt es aktuell Probleme. Wegen zu schnellen Fahrens ist der Führerschein demnächst für einen Monat weg. Nun, da der Atem­alkoholtest einen Wert von 0,76 Promille ergibt, kommt noch ein Monat dazu. Der Polizei bekannt ist der 22-Jährige im feinen Zwirn auch: als Mensch, der gern im Internet bestellt, aber nicht zahlt. Mehrere Betrugsverfahren sind deswegen anhängig. Und: Er wohnt noch bei seinen Eltern. Das ist für ihn ein ernsthaftes Problem. Das „Knöllchen“ kommt per Post – und die macht sein Vater für ihn auf.

Den Autoposern geht es ums Auffallen

Später in dieser Nacht stoppen Hänsch und sein Kollege an der Bargteheider Straße einen Mercedes 500 SL. Das Auto war durch seine lauten Auspuffgeräusche aufgefallen. Wieder ein Volltreffer. Der Fahrer, ein 46 Jahre alter Türke, der wegen zahlreicher Gewalt- und Eigentumsdelikte polizei­bekannt ist, ist zwar nicht Halter des Fahrzeugs. Das dürfte aber eine reine Vorsichtsmaßnahme sein, um nicht wegen zu üppiger Eigentumsverhältnisse aufzufallen. Der Mercedes ist protzig: Die Reifen sind breiter als erlaubt, dafür aber abgefahren. Hinter den Felgen sind gut sichtbar die roten AMG-Bremsen. Auch die Auspuffanlage, manipuliert für einen „satteren Sound“, spiegelt vor, dass es sich um ein High-Performance-Fahrzeug handelt, die die Daimler AG in einer eigenen Tochtergesellschaft tunen lässt. Tatsächlich ist es die um einige Zehntausend Euro günstigere Normalvariante.

Ein Polizist kontrolliert den Motor eines illegal getunten Ford Mustang
Ein Polizist kontrolliert den Motor eines illegal getunten Ford Mustang © dpa | Daniel Bockwoldt

Für den Fahrer ist der Abend abrupt zu Ende. Der Mercedes wird sichergestellt und kommt per Abschlepper in die zentrale Verwahrstelle für Fahrzeuge der Polizei in die Halskestraße. Der Fahrer nimmt es scheinbar gelassen. Die Beamten seien „echt korrekt“, sagt er und lässt sich von einem Fahrer in einem Kleinwagen abholen.

Soundgenerator täuscht leistungsstarken Motor vor

An der Halskestraße, wo noch bis letzte Woche der von der Kontrollgruppe sichergestellte Lamborghini von Ex-Nationaltorwart Tim Wiese stand, stellen zwei Tage danach zwei Prüfer der Dekra die Manipulationen an dem Mercedes 500 SL mit gerichtsverwertbarem Sachverstand fest. Am Ende kratzt Hänsch die Zulassungsplakette vom Nummernschild ab. Dieser Wagen, eines von fünf Autos, die am vergangenen Wochenende sichergestellt wurden, kommt so nicht wieder auf die Straße.

Den Autoposern, wie sie genannt werden, geht es ums Auffallen. Sie haben eine ganz eigene Definition für Wertigkeit, das durch die Fahrzeuge vermittelt werden soll. Es ist eine Täuschung, so unecht wie das Auspuff­geräusch vieler Autos.

„Wir haben immer wieder Fahrzeuge mit Soundgenerator“, sagt Hänsch. Das sind Lautsprecher, die im Wagen eingebaut werden – oftmals in der Mulde im Kofferraum, die für den Ersatz­reifen vorgesehen ist. Sie sind mit dem Motor verbunden und produzieren die brüllenden Geräusche eines kapitalen Achtzylinders. Oft findet man sie an Dieselfahrzeugen, die eigentlich auch bei großer Motorisierung leise sind. Kaum zu glauben: Sie werden von Werkseite als Zubehör wie ein Schiebedach oder eine Klimaanlage angeboten. „Um die 2000 Euro kostet so ein Soundgenerator“, sagt ein Autoverkäufer. Die Idee zu dem „Akustik-Tuning“ hatte VW, um Fahrern eines Golf Diesel ein GTi-Gefühl zu vermitteln. Die meisten verbauten Soundgeneratoren sind allerdings zu laut und zudem illegal.

Nicht immer sind es typische Autoposer, die der Kontrollgruppe ins Netz gehen. Am Steuer eines Dodge mit zu lautem Auspuff sitzt ein 52 Jahre alter Handwerker. Er hatte den Wagen aus den USA importiert und vom TÜV abnehmen lassen. „Ich hatte extra gefragt, ob alles so richtig für Deutschland ist“, beschwert sich der Mann. Er muss nun zusehen, wie sein Dodge abgeschleppt wird.