Hamburg. Der Altonaer Regisseur gewinnt den Preis mit dem Drama „Aus dem Nichts“. Golden Globes im Zeichen von #MeToo und Trump.

Eine noble Geste. Fatih Akin will den Preis, den er gerade gewonnen hat, nicht behalten, sondern seiner Hauptdarstellerin Diane Kruger überreichen: „Das ist deiner“, sagt er, und als sie abwehrt: „Das ist unserer.“ So oder so ist es ein Triumph für den deutschen Film: Bei der Golden-Globe-Verleihung am Sonntagabend (Ortszeit) in Beverly Hills wird Akins NSU-Drama „Aus dem Nichts“ als bester nicht-englischsprachiger Film ausgezeichnet. Das letzte Mal, dass das einem deutschen Film gelang, war 2010 Michael Hanekes „Das weiße Band“. Danach muss man schon weit zurückblättern in den Annalen und wird erst wieder 1992 mit „Hitlerjunge Salomon“ fündig. Mit dem Globe steigen nun auch Akins Oscar-Chancen. Deren Nominierungen werden aber erst am 23. Januar bekannt gegeben.

Die Auszeichnung nimmt der Regisseur natürlich mit nach Hamburg. „Der kommt in mein Büro, zu den anderen Preisen.“ Und Hamburgs Filmfest-Direktor Albert Wiederspiel freut sich mit ihm: „Wir sind stolz auf und für ihn. Und ich weiß, dass Fatih klug genug ist, mit beiden Füßen hierzubleiben und nicht ein Hollywood-Regisseur zu werden.“

Film handelt von einer Frau, die sich wehrt

So zynisch das auch klingen mag: Dem Altonaer Akin dürfte es zugutegekommen sein, dass die diesjährige Globe-Verleihung ganz im Zeichen der Debatte um sexuelle Übergriffe stand. Dass seine Hauptdarstellerin in Hollywood weit mehr beheimatet ist als im deutschen Kino, war schon auch förderlich. Aber vor allem handelt sein Film von einer Frau, die sich wehrt. Nach solchen starken Frauen sehnt man sich.

Die wichtigsten Preisträger

Die Golden Globes scheinen sich ohnehin zu einer immer politischeren Veranstaltung zu entwickeln. Eigentlich verleiht hier nur Hollywoods Auslandspresse, ein Häuflein von nicht mal 100 Journalisten, Preise für Film und Fernsehen. Nur eine von inzwischen zahl­losen Preisverleihungen bis zum Oscar, weshalb die Zeit „Award Season“ genannt wird. Aber die Globes sind halt die ersten im Jahr. So hat sich Hollywood vor einem Jahr hier erstmals versammelt, um quasi kollektiv auf den gerade angetretenen US-Präsidenten Trump und seine ersten Fettnäpfe zu reagieren. In diesem Jahr ist es wiederum die erste Möglichkeit, um unisono auf die Übergriffs-Debatte einzugehen.

Stars kommen in Begleitung von Aktivistinnen

Dies ist die 75. Verleihung, in jedem anderen Jahr würde man ein solches Jubiläum riesig feiern. Nicht so an diesem Abend. Das ist schon am roten Teppich klar zu erkennen. Alle sind der Aufforderung gefolgt, aus Solidarität Schwarz zu tragen. Nach einer Beerdigung sieht es dennoch nicht aus, auch in Schwarz kann man für Aufsehen sorgen. Aber auf den üblichen Glitter haben, bis auf drei Ausnahmen, alle verzichtet. Die einzigen Farbtupfer im Saal sind die roten Rosen auf den Tischen. Und nicht wenige Stars kommen gleich in Begleitung von Aktivistinnen, Meryl Streep etwa mit Ai-jen Poo, der Vorsitzenden der Vereinigung der Hausangestellten, Michelle Williams mit Tarana Burke, die die #MeToo-Kampagne initiiert hat – übrigens lange vor dem Weinstein-Skandal, schon 2006.

Und nicht nur was die Kleiderordnung anbelangt, prägt die MeToo-Bewegung von Anfang an die Verleihung. In seiner mit Spannung erwarteten Begrüßungsrede sorgt „Late Night“-Moderator Seth Meyers gleich im ersten Satz für eine Pointe, als er „Guten Abend, meine Damen und übrig gebliebenen Herren“ wünschte. Dies sei das erste Mal in drei Monaten, dass Männer keine Angst haben müssten, ihren Namen zu hören. Und Weinstein, ätzt Meyers weiter, sei heute nicht anwesend, der käme erst wieder in 20 Jahren zurück und werde dann wohl „der erste Tote, bei dessen Nachruf gebuht wird“.

Klare Worte von Oprah Winfrey

Klare Worte kommen dann auch von Oprah Winfrey, ohnehin längst so etwas wie eine Institution, das gute Gewissen der Nation. Und nun die erste schwarze Frau (und überhaupt erst die zweite Schwarze nach Sidney Poitier), die den Cecil B. DeMille-Ehrenpreis für ihr Lebenswerk erhält. Sie nutzt die Gelegenheit zu einem kämpferischen Plädoyer gegen Machtmissbrauch: „Zu lange wurden Frauen nicht angehört oder ihnen wurde nicht geglaubt, wenn sie den Mut hatten, gegen die Macht von Männern aufzubegehren“, sagt sie unter tosendem Applaus, „aber deren Tage“, so ihr Credo, „sind gezählt.“

Um die Filme geht es irgendwie auch an diesem Abend. Aber die Preise fallen wohl etwas anders aus, als es sonst der Fall gewesen wäre. „Shape of Water“ war mit sieben Nominierungen der große Favorit und liefert eigentlich alles, wofür die Traumfabrik gemeinhin steht. Aber das entrückte Fantasymärchen passt nicht recht zu den Tagesaktualitäten und muss sich am Ende mit zwei Preisen bescheiden. Der große Gewinner wird dagegen der Film mit dem etwas sperrigen Titel „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ um eine wütende Mutter eines vergewaltigten Mordopfers, die sich, ähnlich wie Diane Kruger in „Aus dem Nichts“, gegen Polizeiwillkür und Rassismus zur Wehr setzt.

Ewig gleiche Dankesworte

Frances McDormand wird dafür nicht nur, wie erwartet, zur besten Schauspielerin gekürt, der Film räumt gleich viermal ab, unter anderem beim Hauptpreis Bestes Drama. Und in der Sparte Komödie/Musical gewinnt das Drama eines jungen Mädchens, „Lady Bird“, das Regiedebüt der Schauspielerin Greta Gerwig. Womit man sich auch gleich über die Unterlassung hinwegrettet, dass in diesem Jahr wieder keine einzige Frau für die beste Regie nominiert wurde, obwohl es dazu zwei gute Gelegenheiten gegeben hätte.

Doch bei aller Solidarität und politischen Signalen: Wenn es darum geht, den Preis entgegenzunehmen, begnügen sich die meisten Stars doch mit den ewig gleichen Dankesworten. Frances McDormand ist eine der wenigen, die offen auf die Debatte eingeht und bekennt, wie stolz sie sei, „Teil zu sein bei einem tektonischen Beben in der Machtstruktur unserer Industrie“. Die meisten spulen die üblichen Dankeschöns für Produzenten und Casting-Verantwortliche ab. Wer nicht jenen dankt, die einen nach vorn gebracht haben, wird das bereuen: Diese Weisheit gilt wohl noch immer. So viel hat sich – noch – nicht im Machtgefüge der Filmindustrie geändert.