Hamburg. Aber keine andere Partei diskutiert über Quote und Quoren so leidenschaftlich, ausdauernd und letztlich ohne Ergebnis.

Seit Jahren quälen sich die hiesigen Christdemokraten mit der Frage, wie Frauen in ihrer Partei besser gefördert werden können. Bei parteiinternen Ämtern und Mandaten in den Parlamenten sind die Unions-Frauen zum Teil drastisch unterrepräsentiert. Ein Beispiel: Obwohl fast 40 Prozent der Mitglieder des Landesverbands Frauen sind, sind nur zwei der 20 CDU-Bürgerschaftsabgeordneten weiblich. Dass das so ist, hat sicherlich viele Gründe. Ein Grund mag das Wahlrecht sein, das es den Wählern möglich macht, ihren favorisierten Kandidaten die Stimmen zu geben und so von der vorgegebenen Liste abzuweichen. Dennoch: Die meisten CDU-Mitglieder sind sich einig, dass das Ergebnis nicht dem Anspruch einer Volkspartei entspricht, die gesellschaftliche Wirklichkeit widerzuspiegeln. Von der Attraktivität der Partei bei den Wählern (den weiblichen zumal) einmal ganz abgesehen.

Regelmäßig gibt es Streit

Nur bei der Frage, wie sich das ändern ließe, gibt es in der Union regelmäßig Streit. Vor viereinhalb Jahren schmetterte der Landesparteitag die von der damaligen Parteispitze vorgeschlagene Einführung einer Drittelquote – also jeder dritte Platz für eine Frau – bei parteiinternen Wahlen ab. Übrigens waren auch etliche Frauen gegen die Einführung der Quote. Als vor einem Jahr die Landesliste für die Bundestagswahl im September aufgestellt werden sollte, kam es zum Eklat. Auf den aussichtsreichen Plätzen sollten nur Männer kandidieren, die sich trotz aller Proteste von couragierten Frauen um die heutige Kieler Kultusministerin Karin Prien auch durchsetzten. Das war sogar ein Verstoß gegen die Bundessatzung der CDU, die ein Drittelquorum vorsieht– wenn auch nur als Soll-Vorschrift als weichere Form der Quote.

Am Ende ein Kompromiss

Als Spätfolge dieser Peinlichkeit, für die es natürlich auch wieder viele Gründe gab, hat eine Gruppe um den CDU-Landesvorsitzenden Roland Heintze nun ein Diskussionspapier erarbeitet, das noch radikaler ist als alle vorherigen Vorschläge. Es sieht für parteiinterne Wahlen das Reißverschlussprinzip vor. Männer und Frauen sollen im Wechsel gewählt werden. Das Echo war deutlich. Die mächtigen Kreischefs der Union stellten sich in dieser Woche quer. „Weltfremd und ohne Chance auf Realisierung“, befand ein hochrangiges CDU-Mitglied. Es fehle unter anderem, sagte CDU-Mitte-Chef Christoph de Vries, gerade an der Basis in den Ortsverbänden an aktiven Frauen, die bereit seien, sich in der Parteiarbeit zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen.

FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels­Frowein
FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels­Frowein © HA | Mark Sandten

„Wir werden uns noch einmal zusammensetzen und die eine oder andere Ecke abschleifen“, sagte ein führender CDU-Mann mit Blick auf die Heintze-Vorschläge. Man ahnt es: Am Ende wird ein Kompromiss herauskommen, der nicht viel ändert. Es geht übrigens auch jetzt schon anders, auch in der Hamburger Union und ohne starre Quote: Der Kreisverband Altona ist eine Art Vorreiter in Sachen Frauenförderung. Sieben von 26 Mitgliedern des Kreisvorstands sind weiblich – immerhin 27 Prozent.

Etwas gerät aus dem Blick

Kreischef Marcus Weinberg hat mit Franziska Grunwaldt und Anke Frieling sogar zwei Frauen als Stellvertreterinnen. Fast die Hälfte der Unions-Bezirksabgeordneten und drei von zehn Ortsvorsitzenden sind weiblich. Zwei der drei Frauen, die im März 2015 für die CDU in die neu gewählte Bürgerschaft einzogen, kommen aus Altona. Sind die CDU-Frauen in Altona engagierter und bereiter, Verantwortung zu übernehmen, als in den anderen Kreisverbänden? Eher unwahrscheinlich.

Angesichts der Turbulenzen in der Union gerät leicht aus dem Blick, dass es auch in anderen Parteien mit der angestrebten Teilhabe der Frauen nicht immer reibungslos funktioniert. Unter den fünf SPD-Bundestagsabgeordneten aus Hamburg ist Aydan Özoguz die einzige Frau. Nur redet in der SPD kaum jemand darüber. Wahr ist allerdings auch, dass immerhin 26 der 59 SPD-Bürgerschaftsabgeordneten weiblich sind, was 44 Prozent entspricht.

Die frühere niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan
Die frühere niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan © HA | Andreas Laible

Bei Grünen und Linken gilt seit vielen Jahren ohnehin eine strikte 50:50-Quotierung zwischen den Geschlechtern. Drei von neun FDP-Abgeordneten sind Frauen, während Andrea Oelschlaeger bei der AfD die einzige Frau neben sechs Männern ist.

Dem Senat gehören nur vier Frauen an

Apropos SPD und Grüne: Dem Senat gehören nur vier Frauen, aber acht Männer an. Das entspricht wahrlich nicht der politischen Grundüberzeugung beider Parteien, nach der die Hälfte des politischen Himmels den Frauen gehört. Selten war Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) so kleinlaut wie vor der Regierungsbildung im Frühjahr 2015 bei der Antwort auf die Frage nach Einhaltung der Frauenquote. „Wir werden gemeinsam versuchen, das so gut wie möglich zu machen. Aber das ist nicht ganz einfach“, sagte Scholz damals hellsichtig. In seinem ersten Senat von 2011 bis 2015 waren übrigens Männer und Frauen zu gleichen Teilen vertreten.

Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne)
Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) © HA | Marcelo Hernandez

Mit Andreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne) stehen zwei Männer an der Spitze der Regierungsfraktionen. Gegen den ungünstigen Eindruck einer nicht ausreichenden Beteiligung von Frauen an der Spitze der Koalition versuchten Rote und Grüne schon frühzeitig mit dem Stichwort Gesamtbetrachtung anzusteuern. Ja, wer bedenkt, dass mit Carola Veit (SPD) eine Frau Bürgerschaftspräsidentin ist und alle vier Vize-Fraktionschefs von SPD und Grünen weiblich sind, erhält sogleich ein frauenpolitisch deutlich freundlicheres Bild. Alles also nur eine Frage der Perspektive ...

Eine Bürgermeisterkandidatin der CDU

Die männerdominierte CDU könnte allerdings mit einer kühnen Volte vor allem die SPD verblüffen und Bürgermeister Olaf Scholz vielleicht sogar etwas alt aussehen lassen: Das wäre der Fall, wenn die Union eine jüngere Frau (Scholz feiert in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag) als Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl 2020 präsentierte.

CDU-Landeschef Heintze und Bürgerschaftsfraktionschef André Trepoll suchen bereits emsig nach potenziellen Kandidaten und Kandidatinnen. Dabei soll ihr Auge auf Aygül Özkan gefallen sein. Die 46 Jahre alte Hamburgerin, deren Eltern in den 60er Jahren aus der Türkei eingewandert sind, war von 2010 bis 2013 Sozialministerin in Niedersachsen – die erste Landesministerin mit Migrationshintergrund und muslimischem Glauben in Deutschland.

Özkan kennt die Hamburger CDU gut, für die sie von 2008 bis 2010 in der Bürgerschaft saß und deren stellvertretende Landesvorsitzende sie war. Das Problem: Die Juristin mit Wirtschaftskompetenz hat sich 2014 aus der Politik verabschiedet und ist Geschäftsführerin der PCC Services GmbH, einer Tochter der Deutschen Bank. „Das ist derzeit nicht die Frage“, sagte Özkan mit Blick auf eine mögliche Spitzenkandidatur. Eine ganz andere Frage ist, ob Özkan der Hamburger Union als Scholz-Herausforderin überhaupt vermittelbar wäre. Aber noch ist ja Zeit. Erst Ende 2018 will sich die Union auf einen Namen für den Spitzenposten festlegen.