Hamburg. Die HSH Nordbank steht vor dem Verkauf, in der Handelskammer hat eine neue Zeit begonnen und am Flughafen herrscht Gepäckchaos.
Über Langeweile konnte sich Hamburgs Wirtschaft im zurückliegenden Jahr wahrlich nicht beklagen. Der Machtwechsel in der Handelskammer, das Gepäckchaos am Flughafen und das Bangen um die Zukunft der HSH Nordbank – dies sind nur drei von vielen Themen, die 2017 beherrschten. Doch genau diese drei werden nach Meinung der Abendblatt-Wirtschaftsredaktion 2018 bestimmen. Gefragt sind Problemlöser – eine Frau und zwei Männer. Mal sehen, ob sie den Herausforderungen gewachsen sein werden ...
Der Mann, der die HSH verkaufen muss
Er wusste, worauf er sich einlässt: Als Stefan Ermisch im Juni 2016 an die Vorstandsspitze der HSH Nordbank aufrückte, lag der Zeitplan für das von der EU-Kommission angeordnete Verkaufsverfahren der Landesbank bereits fest. Ermisch, bis dahin Finanzvorstand und Vizechef des Instituts, sprach von einer „ehrenvollen Aufgabe“. Zweifellos steht enorm viel auf dem Spiel: Findet sich bis Ende Februar kein Käufer, dessen Konzept den EU-Kriterien entspricht, muss die HSH abgewickelt werden. Je nachdem, zu welchen Konditionen der Verkauf erfolgt, könnten die Haupteigner Hamburg und Schleswig-Holstein gezwungen sein, mehrere Milliarden Euro der von ihnen zugesagten Garantien praktisch sofort aufzubringen. Und dann sind da noch die 2000 Mitarbeiter, davon die Hälfte in Hamburg.
Zwar wirkt Ermisch angesichts der enormen Verantwortung vergleichsweise unaufgeregt. Gelegentlich ließ der 51-Jährige in den zurückliegenden Monaten jedoch erkennen, dass er vor den Risiken keineswegs die Augen verschließt. Die Privatisierung sei „alles andere als ein Selbstläufer“, gestand er im Frühjahr ein.
Denn schließlich steht nicht nur ein inzwischen auf Effizienz getrimmtes und wachsendes Bankgeschäft zum Verkauf, das ordentliche Gewinne erwirtschaftet. Auch die Altlasten von immerhin noch rund neun Milliarden Euro, mehr als die Hälfte davon faule Schiffskredite, müssen einen neuen Besitzer finden. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 war die so genannte „Abbaubank“, in der die Altlasten gebündelt sind, noch mehr als 80 Milliarden Euro schwer.
Dass die HSH unter einem solchen Gewicht nicht längst zusammengebrochen ist, liegt nur an den immensen Stützungsanstrengungen von Hamburg und Schleswig-Holstein, unter anderem in Form der Garantien von zehn Milliarden Euro. Für Außenstehende war es aufgrund der komplexen Konstruktion aber so gut wie unmöglich abzuschätzen, wie sich die Garantien auf die zuletzt vordergründig recht guten Quartalsergebnisse der Bank auswirkten.
Drei Gruppen von Finanzinvestoren im Rennen
Immer wieder hat Ermisch darauf hingewiesen, dass nicht er selbst der Verkäufer der HSH ist, sondern den beiden Haupteignern diese Aufgabe obliegt. Dennoch spielt der Vorstandschef dabei natürlich eine wichtige Rolle. An ihm war es, durch eine wirksame Sanierung die Voraussetzung für den Verkauf zu schaffen. Darüber hinaus repräsentiert Ermisch die Landesbank nach außen. Beides hat er in professioneller Manier erledigt.
An prophetischen Fähigkeiten allerdings mangelt es dem Manager: Noch im Spätsommer 2016 erwartete er, dass ein strategischer Investor die HSH erwerben wird. Doch offenbar haben die potenziellen Kandidaten aus diesem Lager ihre Zweifel, ob die Norddeutschen in ihrer Nische zwischen den Sparkassen und den Großbanken dauerhaft erfolgreich sein können: Insidern zufolge sind nur noch drei Gruppen von Finanzinvestoren im Rennen.
Ob einer von ihnen am Ende unterschreibt und welche Absichten er dann für die HSH Nordbank hat, weiß derzeit niemand. Auch Ermisch ist gespannt. Sein Vertrag läuft bis Ende 2018, doch ob er nach dem 1. März für weiteres Wachstum sorgen darf oder beschleunigt abwickeln muss, wird sich erst noch erweisen.
Viel Arbeit für die neue Chefin der Handelskammer
Mit diesem Ergebnis hatten nicht einmal die sogenannten Rebellen gerechnet. 55 von 58 Sitzen konnte die Gruppe „Zwangsbeiträge abschaffen – Die Kammer sind WIR!“ im Frühjahr bei der Plenumswahl zur Handelskammer gewinnen. Es war ein Erdbeben für die etablierte Wirtschaft in der Stadt. Und die Nachbeben sind jetzt noch – zehn Monate nach der Wahl – deutlich zu spüren. Spätestens als im April Tobias Bergmann zum neuen Präses gewählt wurde, war auch dem letzten Verfechter der alten Kammer klar: Das war’s. Tradition hin, Tradition her. Eine neue Zeit hatte begonnen.
Die Absetzung des von den Rebellen ungeliebten Hauptgeschäftsführers Hans-Jörg Schmidt-Trenz war dann keine Überraschung mehr. Die Nachfolgeregelung allerdings schon. Eine Frau aus Oberfranken folgte vor wenigen Wochen auf Schmidt-Trenz: Christi Degen, 53, geboren im Rheinland und bis vor Kurzem Chefin der IHK in Bayreuth. Sie soll das Hauptamt nun so führen, wie es den neuen Ehrenamtlichen gefällt. Eine Herausforderung, die größer kaum sein könnte.
Denn im Zentrum ihres Handelns dürfte das Sparen stehen. Schließlich wollen die Rebellen die Kammer schlanker und kostengünstiger aufstellen „Wir scheuen keine Diskussion, wenn es um Effizienz und Wirtschaftlichkeit geht“, sagte jüngst Präses Bergmann im Abendblatt. Der Sparkurs dürfte noch an Bedeutung gewinnen, da die Rebellen bereits nach wenigen Monaten kleinlaut zugeben mussten, dass sie ihr Wahlversprechen „Beiträge abschaffen bis 2020“ nicht werden halten können. Um zumindest langfristig in die Nähe der „Null-Euro-Marke“ zu kommen, müssen nun womöglich die Beschäftigten der Kammer bluten. Auf die Frage des Abendblatts, wie sicher die Jobs am Adolphsplatz seien, schob Bergmann vor wenigen Wochen den Schwarzen Peter bereits Christi Degen zu: „Das müssten Sie eigentlich die neue Hauptgeschäftsführerin fragen, die für die Personalfragen verantwortlich ist.“ Und er schob nach: „Es soll trotz des notwendigen Sparkurses keine betriebsbedingten Kündigungen geben“. Die Betonung lag dabei auf „soll“.
Also vielleicht doch Kündigungen?! Die Antwort wird Christi Degen geben müssen. Die Verunsicherung unter den Kammerbeschäftigten ist jedenfalls groß. Sie haben eigentlich keine Lust, ins Zentrum machtpolitischer Spielchen zu geraten. Doch mittlerweile beharken und beleidigen sich nicht nur die alten und neuen Machthaber der Kammer, sondern auch unter den Rebellen selbst sind die ersten Grabenkämpfe ausgebrochen. Und mitten drin: die Hauptgeschäftsführerin.
Bisher hat sie sich noch nicht zu ihren konkreten Plänen geäußert. Vielleicht ist das auch noch ein wenig zu früh, eine gewisse Zeit der Einarbeitung muss man Degen zugestehen. Doch im kommenden Jahr wird „die Neue“ liefern müssen. Es dürfte für die erste Frau an der Kammerspitze ein schwieriger Spagat werden – sich zwischen den zum Teil utopischen Plänen der Rebellen im Ehrenamt und den realistischen Sorgen der Beschäftigten zu positionieren.
Die drei Problemfelder des Flughafenchefs
Piloten freuen sich über Gegenwind am Flughafen in Fuhlsbüttel. Schließlich ist das für Starts und Landungen durchaus günstig. Dem Chef von Hamburg Airport dürfte der heftige Gegenwind, der ihm derzeit um die Nase bläst, hingegen gar nicht gefallen. Michael Eggenschwiler kämpft vor allem mit drei Problemen, die er 2018 als Krisenmanager lösen muss.
Einen Sturm könnte die Politik entfachen. Die Fluglärmschutzkommission will Starts nur noch bis 23 Uhr und Landungen bis 23.30 Uhr erlauben. Damit würden faktisch die Betriebszeiten verkürzt, denn bisher sind dank einer Verspätungsregel bis 23 Uhr geplante Ankünfte und Abflüge bis 24 Uhr möglich. Eine Regelung, gegen die die Bürgerinitiativen für Fluglärmschutz seit Jahren mobil machen. Sie fordern die Einhaltung der gesetzlichen Nachtruhe zwischen 22 und 6 Uhr. Die Naturschutzorganisation BUND sammelte in einer Petition dafür 15.000 Unterschriften. Die Bürgerschaft muss sich nun mit diesem Thema beschäftigen, die Politik ist am Zuge und muss zwischen den Interessen des Flughafens als wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen und denen der Anwohner abwägen. Allerdings liefert der Airport selbst Fakten, die Wasser auf die Mühlen seiner Gegner sind.
Pünktlichkeitsoffensive angekündigt
Im April 2016 verkündete Eggenschwiler eine Pünktlichkeitsoffensive, mit der die Verspätungen in der letzten Stunde des Tages gesenkt werden sollten. Das Gegenteil trat ein. 2017 gab es mehr als 1000 Starts und Landungen zwischen 23 und 24 Uhr – mindestens 50 Prozent mehr als 2015. Ein PR-Desaster. Eggenschwiler wird die Politiker trotzdem von einer Beibehaltung der bisherigen Regelung überzeugen müssen. Wirtschaftsvertreter und die zuständige Wirtschaftsbehörde weiß er an seiner Seite. In den Parteien ist die Lage schwieriger. Denn gerade in den Bezirken gibt es selbst in der dem Flughafen zugewandten CDU kritische Stimmen.
Das beste Argument für die Bewahrung des Status quo wären weniger verspätete Flüge. Vielleicht hilft dem Flughafenchef der teilweise Rückzug von Easyjet. Die Bürgerinitiativen brandmarken vor allem die Billigflieger als regelmäßige Zuspätstarter und -kommer. Die Briten schließen ihre Basis Ende März und streichen bereits ab Februar Strecken. Nach der Insolvenz von Air Berlin und deren Tochter Niki ist das allerdings auch ein weiterer Schlag für den Airport, der mit mehr als 17 Millionen Passagieren das vierte Jahr in Folge einen Rekord aufstellte. Soll die Zahl der Fluggäste zumindest stabil bleiben, werden Eggenschwiler und sein Team als zweite große Aufgabe Airlines von den Vorzügen des Helmut-Schmidt-Flughafens überzeugen müssen.
Bauarbeiten bis 2020
Als Drittes muss der Schweizer die Dauerbaustelle und ihre Folgen im Auge behalten. Die Erneuerung des Vorfeldes läuft noch bis 2020. Daraus resultierende längere Bustransfers für die Passagiere sind das eine Ärgernis, das andere ist das zum Teil unzumutbar lange Warten auf Koffer und Taschen. Zwar wird seit Monaten das Personal in dem Bereich aufgestockt, ad acta gelegt ist das Gepäckchaos aber nicht. Auch hier ist Eggenschwiler gefragt, damit zumindest bei den Passagieren der Gegenwind möglichst zur Windstille abflaut.