2017 war ein einzigartiges Jahr für die Hamburger Kulturszene. Ausruhen auf bisher Erreichtem aber liegt keinem Kreativen.

Es ist wohl unstrittig, dass das Jahr 2017 für die Hamburger Kultur ein einzigartiges war und als ein solches auch in die Geschichte eingehen wird. Die Eröffnung der Elbphilharmonie am 11. Januar 2017 hat den Blick der Welt auf die Stadt gelenkt, und sie hat die Wertschätzung der Hamburger für ihr eigenes Kulturleben wahrnehmbar verändert. Die Kulturbehörde hat nach dem Tod von Barbara Kisseler mit ihrem Nachfolger Carsten Brosda eine neue starke Spitze bekommen, die beiden Staatstheater Thalia und Schauspielhaus konnten die Verlängerungen ihrer Intendanten ebenso vermelden wie die Philharmoniker Hamburg die ihres Leitungsteams Kent Nagano und Georges Delnon. Ausruhen auf bisher Erreichtem aber liegt keinem Kreativen.

Die Richtung ist klar: Alle wollen an die Spitze

Schon gar nicht Dirigent Alan Gilbert, dem designierten Nachfolger von Thomas Hengelbrock als Chef des NDR Elbphilharmonie Orchesters. Zwar beginnt sein Vertrag erst mit der Saison 2019/20, doch nachdem ein verärgerter Hengelbrock nun schon für Sommer 2018 seinen Abschied aus Hamburg angekündigt hat, dürfte der Neue bereits im kommenden Jahr einige wichtige Konzerte leiten. Dass dabei großer Druck auf ihm lastet, ist klar, schließlich muss das Residenzorchester des neuen Konzerthauses sich inzwischen mit Größen wie den Wiener und Berliner Philharmonikern vergleichen lassen. Mittelmaß war früher, heute ist Weltklasse gefordert, und der New Yorker soll das Elbphilharmonie Orchester genau dahin führen: an die Spitze.

Als dessen Erster Gastdirigent – damals trug es noch den Namen NDR Sinfonieorchester – war Alan Gilbert bereits von 2004 bis 2015 zu erleben, doch ob er den Klangkörper tatsächlich formen kann, erweist sich erst in den nächsten Jahren. Bereits in der Konzertsaison 2018/19 werde der 50-Jährige, zuletzt Chefdirigent der New Yorker Philharmoniker, „zwei wichtige Konzertprojekte“ durchführen, erklärt der NDR, schweigt sich aber über Details noch aus. Klar ist indes: Am 6. und 7. April leitet Gilbert in der Elbphilharmonie Aufführungen von Gustav Mahlers 3. Sinfonie. Dass er dabei unter besonderer Beobachtung der Kritiker und des Publikums steht, liegt auf der Hand. Er übernehme „ein bedeutendes Orchester mit wunderbarer Historie und einem besonderen Klang“, sagte Gilbert im Abendblatt-Interview. Ihm gehe es jetzt darum, die Elbphilharmonie mit „Kultur, Musik und Schönheit“ zu füllen. Auf einen thematischen Schwerpunkt seiner Arbeit mochte er sich damals noch nicht festlegen. „Ich liebe die Musik“, so sein Credo.

Dass auch die Hamburger (inzwischen) die Musik lieben, dürfte Alan Gilbert den Start in Hamburg mindestens erleichtern.

Eine weitere architektonische Perle könnte das Hafenmuseum Hamburg werden. Dessen bisherige Leiterin, Ursula Richenberger (46), wird zum 1. Januar 2018 die Projektleitung des neuen Deutschen Hafenmuseums in Hamburg übernehmen.

Ursula Richenberger
Ursula Richenberger © dpa | Axel Heimken

Bis zur geplanten Eröffnung 2024 ist zwar noch reichlich Zeit. Die aber will klug genutzt sein: Das neue Museum ist zweifelsohne das nächste kulturelle Großprojekt der Stadt – auch, weil der Bund 120 Millionen Euro zur Verfügung stellt, eine in Europa einzigartige Situation.

Dem Regisseur Fatih Akin („Gegen die Wand“) gelingt in seiner nun schon lange währenden Karriere immer wieder ein frisches Durchstarten. Vor wenigen Wochen kam sein aktueller Film „Aus dem Nichts“ in die Kinos – und Akin dürfte auch damit seine Position als derzeit wichtigster Filmemacher des Landes gefestigt haben.

 Fatih Akin
Fatih Akin © Getty Images | Nicolas Guerin

Im vergangenen Jahr reüssierte die Produktion mit Hauptdarstellerin Diane Kruger in Cannes, in 2018 lockt nun die Aussicht auf einen Oscar und einen Golden Globe. Und womöglich der Drehbeginn der Bestsellerverfilmung „Der goldene Handschuh“.

Aktuell ist die Hamburger Rapperin Haiyti, 2016 Gewinnerin des Musikpreises „Hans“, als erste deutsche Frau solo auf dem Cover des Musikmagazins „Juice“ abgebildet. Ihr Album „Montenegro Zero“ erscheint am 12. Januar.

Haiyti
Haiyti © HA | Presse

Gut möglich, dass Haiyti, die mit bürgerlichem Namen Ronja Zschoche heißt, Anfang 20 ist und aus Langenhorn kommt, die Tür mit Zeilen wie „Ich tätowiere mir ein Messer / direkt unters Herz“ weit aufstößt für weiteren weiblichen Nachwuchs im deutschsprachigen Hip-Hop. Cool energisch, laut – und bald nicht mehr zu überhören.

Durch die Verlagslandschaft weht es im Jahr 2018 frisch: Bei Hoffmann und Campe gibt es mit Birgit Schmitz (46) seit vergangenem Sommer eine neue Verlegerin. Schmitz folgte auf Daniel Kampa, den es zurück nach Zürich zog. Ihr erstes eigenes Programm wird die Neue am Harvestehuder Weg in diesem Jahr vorlegen. Welche Schwerpunkte sie da wohl setzen wird? Erste Programmmacher-Erfahrungen sammelte Schmitz beim Berlin Verlag und beim Benevento Verlag in Salzburg. In Hamburg übernahm sie von ihrem Vorgänger unter anderem eine neue und junge Verlagsschiene, die in Anlehnung an das Kultmagazin der Achtziger- und Neunzigerjahre den Titel „Tempo“ trägt. Herausfordernd und avantgardistisch sind eher neue Attribute bei Hoffmann und Campe – damit kann Birgit Schmitz gerne weitermachen.

Nach fast sechs Jahrzehnten ist 2018 der Rowohlt-Verlag zurück in Hamburg. Das große Publikationshaus wurde einst in Leipzig gegründet, kam über Berlin und Stuttgart 1950 nach Hamburg, ehe es für lange Zeit nach Reinbek umzog. Dort verantwortet Barbara Laugwitz (46) seit 2014 die Geschäfte. Sie ist es nun, die den Umzug des Verlags nach Hamburg in die Wege geleitet hat – die Zeichen stehen auf Aufbruch. Ab Herbst residiert Rowohlt im Bieberhaus am Hauptbahnhof, im gleichen Gebäude am Heidi-Kabel-Platz, in dem auch das Ohnsorg-Theater untergebracht ist. Damit zeigt sich, dank der Verlegerinnen Schmitz und Laugwitz, ab Herbst besonders in Hamburg ein Trend in der deutschen Verlagswelt: Bücher werden hier neuerdings von Frauen gemacht.