Hamburg. Diebe, Pöbler, Alkoholiker – der Hamburger Hauptbahnhof lockt auch die Halbwelt an. Auf Streife mit zwei Bundespolizisten.

Beim dritten Mal reicht’s. Zweimal schon hatten die Polizisten den Betrunkenen an diesem Nachmittag mit geklauten Weinflaschen in der Wandelhalle erwischt. Zweimal forderten sie ihn auf, den Hauptbahnhof zu verlassen. Doch als sie eine halbe Stunde später wieder wegen des 51-jährigen Polen zum Rossmann-Markt gerufen werden, reißt den Beamten der Geduldsfaden. Der Ladendieb – zwei Flaschen Weißwein im Rucksack – muss die Nacht auf der Wache in der Gewahrsamszelle verbringen.

„Normalität am Hauptbahnhof“, sagt Polizeioberkommissar Thomas H. (45), der seit zwei Jahren an Hamburgs Fern- und S-Bahnhöfen Streife geht. Schwerpunkt des Reviers: der Hauptbahnhof. Hier registriert die Bundespolizei die meisten Straftaten. 6472 waren es im vergangenen Jahr, das sind fast 18 am Tag. Diebstähle machen einen Großteil aus. 1673 sind in der polizeilichen Eingangsstatistik vermerkt, rund 700 davon Ladendiebstähle. Und die nehmen zu: Zwischen Januar und Oktober dieses Jahres waren es schon mehr als 800.

Bundespolizisten als "mobiler Auskunftsschalter"

An diesem Tag laufen sie zu zweit durch den Hauptbahnhof, „Präsenz zeigen“. An den Gleisen werden die Polizisten von Reisenden abgefangen. Wo geht’s zur U-Bahn? Ist dies der richtige Zug? Wo befindet sich die nächste Toilette? „Wir sind auch ein mobiler Auskunftsschalter“, sagt Polizeiobermeister Jan W. (32). „Die Leute unterscheiden nicht, ob wir von der Bundespolizei sind oder von der Bahn.“

Auf Streife begegnen Thomas H. und Jan W. Pendler, Alkoholiker, Feierwütige, Kleinkriminelle. So unterschiedlich wie die soziale Herkunft der Bahnhofsbesucher sind auch die Fälle, mit denen es die Beamten zu tun haben.

Eine 33-Jährige klaut Lipgloss für 37 Euro aus einer Parfümerie, obwohl sie 23.000 Euro im Portemonnaie hat. Ein betrunkener 23-Jähriger schlägt wegen einer Zigarette mit der Faust zu. Gewalt und Pöbeleien hätten zugenommen – auch gegenüber Polizisten, sagt Thomas H. 1029 Körperverletzungsdelikte gab es im Jahr 2016 im Hauptbahnhof, 208-mal widersetzten sich Pöbler den Beamten. Die Täter, das seien zum einen Randständige, ja. „Zum anderen ist es aber auch der Student, der viel zu sehr über den Durst getrunken hat und sich aufführt wie der Kaiser von China.“

Ein Ladendieb mit 2,77 Promille

Beschimpft werden Thomas H. und Jan W. auch, als sie einen Schwarzfahrer mitnehmen. Der 22-jährige Marokkaner, der mit dem ICE aus Berlin eintrifft, versteht angeblich nur Arabisch. Um ihm den Tatvorwurf verständlich zu machen, wollen sie ihm ein Formular auf der Wache geben. Doch zuvor hagelt es Beleidigungen, ein Deutscher hat die Szene beobachtet und den Polizisten Rassismus vorgeworfen. „Du brauchst einen imaginären Schutzpanzer“, sagt Thomas H. Das bringe der Job nun mal mit sich.

In seiner Zelle auf der Bahnhofs­wache schläft der Ladendieb inzwischen seinen Rausch von 2,77 Promille aus. Aus der Zelle nebenan bringen Beamte einen Kriminellen vor den Haftrichter. Thomas H. und Jan W. bleibt nur kurz Zeit für eine Pause. „Kunden“ wollen betreut werden.