Hamburg. Modeketten-Chef Heiko Schäfer spricht im Abendblatt über die Zusammenarbeit mit dem Topmodel und die Pläne für die Zukunft.
Der Markt schrumpft, die deutschen Modeunternehmen sind fast durchweg in der Krise. Tom Tailor aus Hamburg arbeitet sich gerade aus ihr heraus. Seit Herbst 2016 wurden gut 350 der zuvor mehr als 1000 Geschäfte und Shops geschlossen, Hunderte Arbeitsplätze abgebaut.
Aus den verlustreichen Geschäften in China, den USA und Frankreich zog der Konzern sich zurück, Marken wie Bonita Men sind ganz verschwunden, das Sortiment ist jetzt um ein Drittel kleiner. Mittlerweile zeigt das Restrukturierungsprogramm namens Reset (Neustart) Wirkung: Tom Tailor macht wieder Gewinn, der Aktienkurs ist deutlich gestiegen. Das Abendblatt sprach mit Vorstandschef Heiko Schäfer über seine Pläne für Konzern und Marke – und die erste Tom-Tailor-Kollektion des ehemaligen Supermodels Naomi Campbell.
Herr Schäfer, im Foyer der Konzernzentrale hängt jetzt ein Riesenporträt von Naomi Campbell. Ihre Kollektion ist seit Oktober in den Geschäften. Haben Sie Ihre prominenteste Mitarbeiterin schon persönlich kennengelernt?
Heiko Schäfer: Nein, ich glaube, es ist hilfreicher, wenn ich meine Arbeit hier in Hamburg mache. Und es zieht mich ohnehin nicht unbedingt dahin, wo die Blitzlichter sind. Aber natürlich haben meine Mitarbeiter Naomi Campbell bei der Abnahme der Kollektion getroffen.
Wie muss man sich die Zusammenarbeit vorstellen? Frau Campbell entwirft etwas, und Tom Tailor muss das so akzeptieren? Oder andersherum?
Schäfer: Weder noch. Es gab ein intensives Vorgespräch darüber, was beide Seiten sich vorstellen und wie die einzelnen Kollektionsstücke aussehen könnten. Im Anschluss haben wir dann Prototypen entwickelt und ihr zur Freigabe vorgelegt. Sie hat einige Veränderungen in der Ästethik angeregt. Es gab da zum Beispiel einzelne Teile, der ihr nicht gefielen, dann haben wir andere genommen. So etwas macht uns das Leben zwar nicht einfacher, aber wir wollen ja von ihren Erfahrungen und Ideen profitieren.
Fanden die Kundinnen es auch gut?
Schäfer: Es ist eine November-Kollektion für die Vorweihnachtszeit. Viel Schwarz und Gold. In einzelnen Läden gibt es die Produkte noch, insgesamt ist die Kollektion aber gut abverkauft, und in unseren eigenen Geschäften ging dies sogar schneller als bei unseren anderen Kollektionen. Wir haben allerdings nie den Anspruch gehabt, dass die Campbell-Kollektion eine kommerzielle Rakete wird, und haben die Produktion eher klein gehalten. Grundsätzlich sind wir zufrieden, wie es gelaufen ist. Für April haben wir eine weitere gemeinsame Kollektion gerade fest vereinbart. Die nächste soll im Juni folgen, ist aber noch in Vorbereitung.
Wenn solche Aktionen gar nicht so viel Umsatz bringen, warum machen Sie das dann?
Schäfer: Der für uns wichtigste Effekt ist, dass wir im Gespräch sind. Wir stehen am Ende einer Phase der Konsolidierung, Tom Tailor ist wieder profitabel. Nun wollen wir aufs Gas treten, die Profitabilität soll wachsen. Ich bin überzeugt, dass es hierfür wichtig ist, die Marken emotional aufzuladen. Wir wissen, dass mehr als 80 Prozent der Menschen Tom Tailor zwar kennen, aber viele kein eindeutiges Gefühl damit verbinden. Das wollen, das müssen wir ändern.
Welches Gefühl soll ich denn künftig haben, wenn mir Tom Tailor begegnet?
Schäfer: Happiness. Ich bin überzeugt, dass es ein großes Bedürfnis nach mehr Fröhlichkeit und Leichtigkeit gibt in einer Zeit, in der so viele Nachrichten negativ sind: Trump, Brexit, Flüchtlingskrise. Und wir wollen selbst auch ein bisschen mutiger und provokativer werden. Früher haben wir Werbespots gemacht, in denen primär Kleidung zu sehen war – reine Produktkampagnen. Jetzt machen wir Haltungskampagnen, Fröhlichkeit und Mut sind dabei die wichtigsten Stichwörter. Kommendes Jahr werden wir den Marketingetat mehr als verdoppeln. Und wir gehen manchmal auch unkonventionelle Wege.
Nämlich?
Schäfer: Wir waren schon nachts in Hamburg unterwegs und haben per Beamer das Tom-Tailor-Logo auf große Gebäude projiziert. Und es gab eine Aktion, bei der – wasserlösliche – Graffiti gesprüht wurden. Danach hatten wir Kontakt mit der Polizei, die fand das nicht so gut. Aber so was nehmen wir jetzt schon mal in Kauf.
Und wenn die Marke erst einmal emotional aufgeladen ist, wird alles gut?
Schäfer: Die Stärkung der Marken ist nur eine von vier großen Aufgaben, die wir angehen. Unser Umsatz im Onlinehandel liegt bei etwa zehn Prozent und muss deutlich erhöht werden. Wir investieren in die technische Ausstattung und in die Zentrale hier in Niendorf selbst. Da ist zwölf Jahre lang nichts passiert. Und auch viele unserer Läden müssen nach langer Zeit überholt und umgestaltet werden.
Das wird teuer ...
Schäfer: Wir haben im Sommer über eine Kapitalerhöhung 60 Millionen Euro eingesammelt, und wir verdienen wie gesagt wieder Geld. Dieses Geld benutzen wir jetzt für Investitionen, um das Unternehmen dauerhaft deutlich profitabler zu machen. Und Tom Tailor stellt dafür auch Mitarbeiter ein. Allein hier in der Zentrale in Hamburg gibt es derzeit mehr als 100 unbesetzte Stellen vor allem im E-Commerce, der IT und im Vertrieb.
Und Ihre Aktionäre müssen sich erst mal mit Kursgewinnen begnügen, oder zahlt Tom Tailor bald auch wieder Dividende?
Schäfer: Die gute Entwicklung des Aktienkurses sieht der Vorstand als Vertrauensbeweis, dass die Investoren an den von uns eingeschlagenen Weg glauben. Natürlich würden wir gerne auch wieder eine Dividende zahlen. Wegen der hohen Verlustvorträge aus den vergangenen Jahren ist das derzeit aber nicht möglich.
Zum Schluss noch einmal zurück nach Hamburg. Im Frühjahr hörte man, es seien auch Tom-Tailor-Kollektionen von und mit Hamburger Künstlern denkbar. Dann kam doch Naomi Campbell ...
Schäfer: Wir sehen uns inzwischen wieder sehr viel stärker als Unternehmen mit Hamburger Wurzeln und machen das auch schon nach außen deutlich. Tatsächlich wird es im neuen Jahr eine Kollektion in Kooperation mit Hamburger Künstlern geben, die wir bei der Fashion Week in Berlin präsentieren. Nachhaltigkeit wird dabei auch eine Rolle spielen, und es geht in eine stylische Richtung, die eher jüngere Leute anspricht.