Hamburg. Die blutjunge Madoka Sugai begeisterte im Klassiker „Don Quixote“, der seine Premiere in der Staatsoper feierte.

Drehung, Sprung, Drehung, Sprung, Drehung, Drehung, Drehung. Die Figuren des Balletts „Don Quixote“ erscheinen vom Parkett der Staatsoper aus geradezu übermenschlich in ihren Bewegungen. Bravourös meistert das Hamburg Ballett an diesem Premierenabend eine seiner technisch anspruchsvollsten Inszenierungen. Und da verwundert es nicht, dass auf die blutjunge Madoka Suai als herausragende Solistin, wie auch auf Alexandr Trusch verdient ein Szenenapplaus nach dem anderen herabregnet.

Ihre Pas de deux und Soli als Liebespaar Kitri und Basil zeigen mehr als schwebende Körper und atemberaubende Pirouetten. Was die beiden abliefern, ist klassische Tanzkunst in höchster Perfektion, Ausdruck in Vollendung.

Historische Inszenierung als Vorbild

Eine wirkliche Neuinszenierung des Stoffes ist es nicht. Manuel Legris folgt bis ins Detail der historischen Inszenierung Rudolf Nurejews nach Marius Petipa mit dem Wiener Staatsopernballett aus dem Jahre 1966, die er bereits 2011 an der Wiener Staatsoper zeigte. Der Ausnahmetänzer und -choreograf Nurejew gab den Basil 1960 in einer Aufführung des Kirow-Balletts in Leningrad. Sie wurde zu seinem Sprungbrett nach Paris und in den Westen.

Die Entscheidung von Hamburg- Ballett-Chef John Neumeier für „Don Quixote“ ist ohne Zweifel ein Geschenk an die sprungstarken, technisch versierten Tänzerinnen und Tänzer, die hier die gesamte Palette ihres Könnens präsentieren. Ansonsten wartet das Ballett mit einer nicht eben überkomplexen Geschichte und auch einer wenig dramatischen Musik von Ludwig Minkus auf. Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg folgt unter Garrett Keast den volkstümlich inspirierten Klängen.

Das Ballett hält sich nur grob an die weit verzweigten Handlungsstränge des Romans von Miguel de Cervantes aus dem 17. Jahrhundert. Die Tänzerinnen und Tänzer erzählen das Notwendige mimisch, um anschließend den klassisch-tänzerischen Passagen den größten Raum zu geben.

„Don Quixote“, der „Ritter von trauriger Gestalt“, liegt im Bett in einer hoffnungslos überladenen, historisch-naturalistischen Kulisse. Nicholas Georgiadis verantwortet auch die dazu passenden traditionellen Kostüme, schwere lange Röcke, viel spanische Folklore oder Zigeunerlumpen. Quixote träumt von der Jungfrau Dulcinea, die er meint, aus den Händen eines Riesen befreien zu müssen. Gemeinsam mit seinem tumben Gehilfen Sancho Pansa – mit Haartonsur und ausgestopftem Bauch – macht er sich auf den Weg.

Das bleibt jedoch nur eine Art äußerer Rahmen, innerhalb dessen sich die Handlung rasch verlagert zur jungen, von Madoka Sugai getanzten Wirtstochter Kitri, die Alexandr Trusch als Barbier Basil liebt, aber nach dem Willen ihres autoritären Vaters den wohlhabenden, aber kauzigen Adeligen Gamache ehelichen soll. Doch die rebellische Kitri flüchtet mit Basil in ein Zigeunerlager. Hier glänzt der ebenfalls äußerst sprungstarke Aleix Martínez vor eindrucksvollen Gruppentableaus der Lagernden.

Großartige Szenen

Bis zum Happy End, der Hochzeit der Liebenden, dauert es fast drei ­Stunden inklusive zweier Pausen. Großartige Szenen sind zu bestaunen, voller spanisch inspirierter Posen und stolzer Matadore, in denen etwa Li­zhong Wang als Espada mit Patricia Friza als Straßentänzerin begeistert. Wunderbar auch die Wein­göttinnen, Dryaden genannt, und mit Hingabe getanzt von Dryaden-Königin Anna Laudere sowie Patricia Friza, Nako Hiraki und Yun-Su Park. Madoka Sugai aber überstrahlt alle. Mit schwebender Leichtigkeit meistert sie selbst die 32 Drehungen des Hochzeits-Pas-de-deux, akkurat landend und dabei immer noch ­lächelnd. Sugai ist die wirkliche Sensation dieses Abends.

Tänzerisch steckt in „Don Quixote“ die ganze Virtuosität der russischen Balletttradition. Es ist ein wenig, als würde man im Museum einen raren Schatz aus alten Zeiten besichtigen. Der bleibt natürlich ein ewiger, zeit­loser Schatz und als solcher großartig, dennoch hätte in der Inszenierung die Frage interessant sein können, was das Ganze mit uns heute zu tun hat.

„Don Quixote“ 12.12., 14.12., 15.12., 21.12., 13.1., 18.1., jeweils 19.30, 21.1. 14.30 u. 19.00, Hamburgische Staatsoper, Karten unter
T. 35 68 68; www.hamburgballett.de