Hamburg. Geräte der Firma Starship stehen Reinigungen, Blumenläden und Apotheken in Eimsbüttel demnächst auf Abruf zur Verfügung.

Wie heißt ein Ort, an dem Roboter auf ihren Einsatz warten? Garage? Hauptquartier? Hendrik Albers nennt ihn „Schlafplatz“. Bis gerade passte das auch noch, aber dann haben der neue Deutschland-Chef des Roboterherstellers Starship und ein Mitarbeiter ein paar Kabel eingestöpselt und einige Schalter umgelegt. Und plötzlich fangen die weißen Plastikkisten auf Rädern an zu blinken. Rot und grün, vorn und hinten – fast wie aus schmalen Augenschlitzen. Soll heißen: Die geparkte Flotte ist erwacht, quasi zum Abmarsch bereit. „Im Moment haben wir in Hamburg sieben Lieferroboter“, sagt Albers. Zwei davon sind an diesem Dezembertag bei der Arbeit, liefern zur Mittagszeit zwischen Grindelviertel und Ottensen Bestellungen für den Essens-Lieferdienst Foodora und die Pizzakette Domino’s aus.

Hamburg ist für Starship im Moment die wichtigste Stadt in Zentraleuropa. Gerade erst haben die Pioniere der autonomen Zustellung eine deutsche Tochter in der Hansestadt gegründet, als Zentrale für den Markt auf dem Kontinent. Das hat einen Grund: Hamburg hatte bereits 2017 eine weitreichende Ausnahmegenehmigung für den Betrieb der Roboter erteilt, die noch keinen Namen haben, aber eine entfernte Ähnlichkeit mit dem „Star Wars“-Star R2-D2. Diese solle für das kommende Jahr verlängert und auf weitere Stadt­gebiete ausgeweitet werden, sagt Albers. Allerdings – so die Auflage der Behörden – dürfen die elektronischen Boten auch weiterhin nicht allein unterwegs sein, sondern müssen immer von einem Menschen begleitet werden.

Weitere Tests

Für die Entwickler um die Firmengründer Ahti Heila und Janus Friis, die mit dem Internetdienst Skype den Telefonmarkt revolutioniert und Milliarden verdient haben, ist das eine Zwischenstation. Langfristig, so die Vision, werden die GPS-gesteuerten und mit intelligenter Sensorik ausgestatteten Roboter mit ihrer Fracht allein durch die Straßen rollen – überwacht nur über einen Bildschirm am Unternehmenssitz in Estland. Die fahrenden Boxen sollen entscheidend zur Entlastung der stark steigenden Transportverkehre in den Städten im Zuge des wachsenden Onlinehandels sorgen.

„Wir müssen in Zukunft verstärkt auf innovative und die bestehenden Lieferketten ergänzende Konzepte setzen“, sagt Albers, der im Oktober die Leitung des Hamburger Büros von Starship mit derzeit zehn Mitarbeitern übernommen hatte. Die Lieferroboter unterstützten die Zustellung von Paketen auf der letzten Meile, dem finalen Weg der Ware zur Haustür des Kunden. Aktuell testet Starship weltweit unterschiedliche Anwendungsfälle.

Bestimmte Voraussetzungen

In Hamburg etwa hatte das Logistikunternehmen Hermes von Oktober 2016 bis Ende März 2017 in einem sechsmonatigen Modellprojekt die Zustellung von Paketen erprobt. Seit dem Sommer gibt es Roboterlieferungen von der Ottensener Domino’s-Filiale und aus einem halben Dutzend Restaurants, die über das Portal Foodora ausliefern lassen. Dabei gelten bestimmte Voraussetzungen: Der Radius des elek­tronischen Boten beträgt etwa 1,5 Kilometer. Gewicht (10 Kilogramm) und Packmaß (40 x 35 x 33 Zentimeter) sind begrenzt. Zudem muss der Empfänger über ein Smartphone verfügen, um über einen Code den Deckel des Geräts öffnen zu können. Bisher sind die Starship-Roboter in Hamburg 10.000 Kilometer gefahren, weltweit ist die 100.000-Kilometer-Marke geknackt.

„Wir haben nicht den Anspruch, alles und jede Lieferung zu übernehmen“, sagt Starship-Mann Hendrik Albers, „aber wir bieten eine zukunftsweisende Alternative für den Nahbereich.“ Der Zwei-Meter-Mann sitzt in einem witzigen Büro neben dem – deutlich größeren – Roboterraum. Noch ist die Starship-Zentrale im Gründerzen­trum Betahaus im Schanzenviertel. Im Januar ziehen Menschen und Maschinen nach Eimsbüttel um. Dort startet Anfang des Jahres ein Projekt, bei dem kleinere Geschäfte einen Lieferroboter quasi auf Abruf buchen können. Albers hat Blumenläden, Reinigungen, Bäcker oder Apotheken im Blick. „Die Betriebe können sich als Kooperationspartner registrieren lassen und über eine Internetseite die Auslieferung mit dem Roboter ordern, genauso wie sie heute einen Kurierdienst anrufen“, erklärt der 37-Jährige, der seit Oktober im Unternehmen ist.

Roboter-Einsatz ausweiten

Erste Gespräche sind bereits geführt, die Resonanz sei positiv, heißt es. Abgerechnet wird direkt mit den Geschäften, die Kosten sollen in der Pilotphase etwa denen von Paketdiensten entsprechen, mittelfristig dann aber sehr viel niedriger sein. Auch die Starship-Partner Foodora und Domino’s erklärten auf Anfrage, den Roboter-Einsatz im nächsten Jahr ausweiten zu wollen. „Bis zum Frühjahr 2018 wollen wir den Service in 15 Restaurants im Schanzen- und Grindelviertel sowie in Eimsbüttel anbieten“, sagt Foodora-Sprecher Vincent Pfeifer. Es gehe darum, mehr Erfahrungen zu sammeln.

Branchenexperten sehen den Einsatz allerdings noch eher skeptisch. „Die Lieferroboter sind nicht praxistauglich“, sagt Horst Manner-Romberg von der Hamburger Unternehmensberatung MRU, die sich auf Kurier-, Express-, Paket-, und Postdienste spezialisiert hat. „Zu geringe Reichweite, zu wenig Kapazität.“ Zudem seien die Kosten viel zu hoch. Trotzdem sieht auch er die Zukunft der Paketzustellung in autonomen Fahrzeugen. „Die Automatisierung der letzten Meile ist schon allein wegen der Personalprobleme bei Fahrern überall auf der Tagesordnung“, so der Insider. Unter anderem experimentiere die australische Post mit Robotern. In Frankreich und Israel beschäftigen sich Start-ups mit dem Thema.

Weiterer Testmarkt

Starship-Mann Albers hat inzwischen noch einen weiteren Testmarkt im Auge. Der studierte Sportmanager, der vorher bei dem Luxusgüter-Hersteller Montblanc und bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte im internationalen Management gearbeitet hat, strebt Kooperationen mit Unternehmen an, die Roboter auch auf Betriebsgeländen fahren lassen. Der Vorteil: Weil es sich um privaten Grund handelt, greift die städtische Begleitungspflicht nicht. „So können einfach, flexibel und ohne zusätzlichen Personalaufwand etwa Akten, Ersatzteile oder Produkte transportiert werden“, sagt Albers und das klingt ziemlich zuversichtlich.

Schon bevor der Familienvater die Stelle bei Starship antrat, hatte er erste Kontakte mit den rollenden Paketboten. „Ich wohne in Hamburg und mir ist immer wieder der Lieferroboter begegnet. Ich wollte wissen, was dahintersteckt“, sagt er. Inzwischen ist er begeistert. „Das Potenzial für die Technologie und die Möglichkeiten innerhalb der Logistik-Branche sind riesig.“ Parallel zu den Hamburger Projekten verhandelt das Team um Albers über eine bundesweite Genehmigung für die Lieferroboter. Die Verkehrsministerkonferenz habe sich bereits mit dem Thema befasst, weiß der Starship-Deutschland-Chef. Eine Entscheidung ist noch nicht absehbar. Das liegt nicht etwa an technologischen oder sicherheitstechnischen Gründen, sondern an der schwierigen Regierungsbildung in Berlin.