Berlin. Vor dem Fest werden in diesem Jahr so viele Waren bestellt wie noch nie. Die Zustelldienste geraten an ihre Grenzen.

Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen gibt es Anzeichen dafür, dass viele Geschenke ihren Empfänger nicht rechtzeitig erreichen können. Grund dafür ist eine starke Zunahme der verschickten Pakete. Allein der Branchenführer DHL rechnet an den Spitzentagen mit bis zu 8,5 Millionen Sendungen täglich – 500.000 mehr als an Vorweihnachtstagen 2016. „Alle Versender erwarten das mengenmäßig stärkste Jahr der Geschichte“, sagt Frank Surholt, Sprecher des Handelskonzerns Otto, zu dem der Paketdienst Hermes gehört.

Geraten die Zustelldienste damit an den Rand ihrer Möglichkeiten? Gewisse Krisenanzeichen sind unverkennbar. So fürchtet jeder zweite Händler einer Umfrage des Händlerbunds zufolge, dass seine Sendungen an Weihnachten nicht pünktlich das Ziel erreichen.

290 Millionen Pakete vor den Feiertagen

Die Strukturen der Paketdienste sind mit der rasanten Zunahme nicht mitgewachsen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres trugen die Boten 6,6 Prozent mehr Pakete aus als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. Im Weihnachtsgeschäft rechnet der Bundesverband Paket & Expresslogistik sogar mit Zuwächsen um bis zu elf Prozent. 290 Millionen Sendungen stellen die Paketdienste vor den Feiertagen zu. Im Gesamtjahr werden es nach Verbandsschätzung wohl 3,3 Milliarden werden, die den Zustelldiensten 19 Milliarden Euro einbringen.

Gebühren für die Zustellung nach Hause?

Die Masse beschert der Branche gleich mehrere gravierende Probleme. Das größte ist die Lieferung auf den letzten Metern. Oft sind die Empfänger gerade nicht zu Hause oder nicht leicht auffindbar. Es kostet viel Zeit und Geld, dass die Zusteller notfalls mehrfach eine Adresse ansteuern. Am liebsten würden die Paketdienste ihre Sendungen nur noch in Paketshops bringen und den Empfängern die Abholung selbst überlassen.

„In der Zukunft kann es so kommen, dass die Paketdienste standardmäßig an den Paketshop liefern und die Lieferung zur Haustür dann zum Beispiel 50 Cent kostet“, sagte der Geschäftsführer des Paketdiensts DPD, Boris Winkelmann, der „Wirtschaftswoche“. Auch Hermes-Geschäftsführer Frank Rausch plädiert für höhere Preise für die Lieferung an die Haustür.

Kaum Flächen für Paketshops

Das zweite Problem sind die geringen Preise für den Versand, die von den großen Handelsunternehmen durchgesetzt werden können. Im Durchschnitt kostet eine Sendung 5,75 Euro. Aber manchmal gibt es auch nur zwei Euro dafür. Die Paketdienste sind daher kaum in der Lage, in neue Auslieferungszentren, einen größeren Fuhrpark oder auch in die bessere Bezahlung der Zusteller zu investieren. Es mangelt sogar an Flächen für Paketshops in Ballungszentren. Auch die Akzeptanz für den zunehmenden Lieferverkehr in den Städten schwindet, weil die Transporter vielfach den Verkehr behindern und die Luft zusätzlich belasten.

Die Paketdienste suchen händeringend nach effizienten und verträglichen Zustellungswegen. DHL und Otto haben über die Zustellung im Kofferraum des Kundenfahrzeugs nachgedacht. Technisch ist das machbar, aber ungelöst sind Haftungsfragen. Auch Drohnen werden als Lieferant ins Spiel gebracht. Nur ist deren Betrieb in den Städten gefährlich. Lieferroboter sind längst noch nicht für den Masseneinsatz herangereift. So bleibt als gangbarer Weg derzeit vor allem, den Kunden beim ersten Zustellversuch anzutreffen. Dies sei nicht nur für den Kunden gut, heißt es vom US-Onlinehändler Amazon, der eigene Zusteller beschäftigt, sondern vermeide auch unnötigen Verkehr und Kraftstoffverbrauch.

10.000 Aushilfskräfte

Die Paketdienste gehen teils unkonventionelle Wege: Amazon etwa bietet Brancheninsidern zufolge höhere Stundenlöhne, um der Konkurrenz Zusteller abzuwerben. Hermes vereinbarte mit dem Versandhändler Otto regionale Obergrenzen für die Zahl der Sendungen. Womöglich muss der Händler dann Bestellungen abweisen oder auf eine Zustellung nach Weihnachten vertrösten. Hermes gehört zum Otto-Konzern.

Von solchen Obergrenzen wollen andere noch nichts wissen. „Wir haben uns schon Monate im Voraus mit sehr detaillierten Planungen und in enger Abstimmung mit unseren Kunden auf das Weihnachtsgeschäft vorbereitet“, sagt DHL-Sprecherin Anke Blenn. Rund 10.000 Aushilfskräfte und 12.000 zusätzliche Transportfahrzeuge hat DHL für die Bewältigung der heißen Tage verpflichtet.

Unterwegs mit einem Paketzusteller

„Päckchen oder Pakete, die Absender bis 21. Dezember 2017 um 18 Uhr abgeben, erreichen in der Regel deutschlandweit bis Heiligabend ihre Empfänger“, versichert DHL. Weil Heiligabend auf einen Sonntag fällt, fehlt den Versandfirmen 2017 ein halber Werktag für die Zustellung. „Das wird eine echte Kraftprobe“, sagt Otto-Sprecher Surholt. Otto sagt zu, dass das, was bis zum 21. Dezember, 21.30 Uhr, bestellt wurde, rechtzeitig ausgeliefert wird.

Aufpassen sollten Kunden, die sich beim Marktführer Amazon noch Geschenke kaufen wollen. „Der spätest-mögliche Termin für Bestellungen steht noch nicht fest“, erläutert Sprecher Stephan Eichenseher. Ausgeliefert werden die Waren bis spätestens 23. Dezember. Heiligabend macht selbst der US-Riese Pause. Bei den vielen kleineren Onlineshops wird es nach Ansicht des Bundesverbands BEVH ebenfalls mit einer pünktlichen Auslieferung klappen. Allerdings rät der Verband den Verbrauchern, sich auf der jeweiligen Webseite über die garantierten Lieferzeiten zu informieren.