Hamburg. Kunden bestellen online Lebensmittel, die sie später mitnehmen. Rewe und Edeka testen Möglichkeiten für den bequemen Einkauf.

Mal ist es der Wocheneinkauf für die ganze Familie, mal sind es die Zutaten für ein spontanes Abendessen mit Freunden. „Es ist alles dabei“, sagt Alexander Laas vom Rewe-Center an der Dorotheenstraße. Mehrmals am Tag schicken ihm Kunden ihre Einkaufszettel zu. Butter, Brot, Käse, Waschpulver oder Tiefkühlpizza – statt selbst mit dem Einkaufswagen zwischen den Regalen zu kreuzen, kann man in dem Winterhuder Geschäft seit einigen Wochen auch einkaufen lassen. Geordert wird online, abgeholt am gleichen Tag. Dafür gibt es eigens Parkplätze, bezahlt wird an einer separaten Kasse. „Der Ablauf“, sagt Laas, der den Supermarkt zusammen mit seinen Geschäftspartnern Holger Stanislawski und Bernd Enge führt, „ist so ausgerichtet, dass die Kunden Zeit sparen.“

Kampf um den bequemen Kunden

Der Abholservice ist eine weitere Variante im Kampf um den bequemen Kunden – und ein Schritt im digitalen Wandel der Branche. Während die Onlinekonkurrenz dem stationären Buchhandel oder Modegeschäften inzwischen mit zweistelligen Zuwachsraten zusetzt, sind die Konsumentengewohnheiten beim Einkauf frischer Lebensmittel weitgehend konstant. Nur ein Prozent am Gesamtumsatz läuft derzeit bereits über den Versand. Die Tendenz steigt zwar, aber auf einem niedrigen Niveau. „Der Onlinehandel mit Lebensmitteln hat das größte Wachstumspotenzial“, sagt Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH). Derzeit werde vieles probiert. „Die Entwicklungen laufen teilweise parallel.“

System von Abholstationen

Der Handelskonzern Rewe, mit 3300 Märkten die Nummer zwei im deutschen Lebensmitteleinzelhandel, baut parallel zum bereits etablierten Lieferservice bundesweit ein System von Abholstationen aus. Bislang gibt es das Angebot an 50 Standorten. In der Region Nord sind es zehn, etwa in Elmshorn, Braunschweig, Rostock und zwei Märkte in Hamburg. Bestellt wird über rewe.de oder die Rewe-App. Das Angebot richtet sich nach dem Marktsortiment. Einen Mindestbestellwert gibt es nicht. Pro Einkauf werden zwei Euro Gebühr fällig.

„Die Kühlkette wird auf jeden Fall eingehalten“

Bei Rewe Stanislawski & Laas steht seit Mitte Oktober ein Abholcontainer im Parkhaus des Marktes. Die Warenkörbe der Kunden werden frisch von Mitarbeitern zusammengestellt und in Fächern gelagert. „Die Kühlkette wird auf jeden Fall eingehalten“, sagt Mitinhaber Laas. Die Kunden geben bei der Bestellung ein Zeitfenster für die Abholung während der Öffnungszeiten an. Das kann am selben Tag sein oder auch später. Bei der Abholung müssen sie klingeln. Ein Mitarbeiter gibt die Waren aus und kassiert. Zeitaufwand: wenige Minuten. „Die Nachfrage steigt stetig“, sagt Laas. Aktuell sind es etwa 30 Abholungen pro Woche. Auch beim Rewe-Markt in Groß Borstel wird der neue Service angenommen. „Der Einzelhandel ist im Wandel, und das Angebot passt zum Trend“, sagt die stellvertretende Marktmanagerin Jennifer Mohr.

Experten sind zurückhaltend

Branchenbeobachter äußern sich zurückhaltend. „Das Abholmodell ist ein Versuch, im Onlinehandel Fuß zufassen und Kosten zu senken“, sagt Thomas Roeb, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Die Einzelhändler sparten sich die Anlieferung, die eine aufwendige Logistik erfordert, so der Handelsexperte. Der Vorteil für den Kunden: Der Einkauf wird einfacher und kostet weniger Zeit.

Auch Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka mit mehr als 7000 Märkten zwischen Flensburg und Füssen bietet an den ersten Standorten die Option Selbstabholung von Online-Einkäufen. Über edekanord-shop.de sind im Norden derzeit 30 Händler online für den Service gelistet, unter anderem in Wedel, Ellerbek, Rendsburg, Kiel oder auch in Heiligenhafen. Pionier in Hamburg ist Edeka Boecker in der HafenCity. „Der Vorteil ist, dass das individuelle Sortiment des Marktes abgebildet wird“, sagt ein Sprecher von Edeka Nord. Allerdings gibt es einen Mindestbestellwert von 35 Euro, bei Abholung von Einkäufen im Wert von bis zu 85 Euro wird zudem eine Gebühr von 4,90 Euro fällig. Bezahlt werden kann sowohl direkt online als auch erst bei der Abholung im Laden.

Abholstationen ähnlich wie Schließfächer

Parallel laufen Pilotprojekte mit Abholstationen außerhalb des Marktes, den sogenannten Edeka-Boxen. Derzeit stehen diese neben einem Edeka-Center im bayerischen Gaimersheim, zwei weitere auf dem Ingolstädter Werksgelände des Automobilherstellers Audi. Die Kunden können unter www.edeka-sb.de aus mehr als 15.000 Artikeln sowie drei verschiedenen Abhol-Zeitfenstern wählen. Der Vorteil: Die verschlossenen Boxen lassen sich rund um die Uhr und an sieben Tagen in der Woche über einen Code öffnen. „Wir bemerken, dass der zusätzliche Service gerne in Anspruch genommen wird“, heißt es bei Edeka Südbayern auf Abendblatt-Anfrage.

Hinter den Abholstationen, die ähnlich wie Schließfächer aussehen und drei verschiedene Temperaturzonen haben, steht das Münchner Start-up Emmasbox. 2015 hatten die Gründer die erste Station am Münchner Flughafen für Edeka aufgestellt. Auch am Stuttgarter Hauptbahnhof gibt es das Angebot, seit Jahresbeginn, auch in einer Kaufland-Filiale in Berlin. „Abholen ist ein Thema, das die Kunden sehr schätzen“, ist Geschäftsführer Michael Reichelt sicher. Allerdings tue sich der Handel noch schwer mit der Umsetzung.

Service soll weiter ausgebaut werden

Die Abholbox-Pioniere, eine Ausgründung der TU München, verkaufen ihre Boxen derzeit vor allem ins Ausland: in die Schweiz, nach Frankreich, Österreich und in den arabischen Raum. Inzwischen hat das Unternehmen zwölf Mitarbeiter. „Die Abholstationen sind nur ein Teil des großen Themas Digitalisierung“, sagt Reichelt. Entscheidend sei, dass der Onlineshop dahinter auch wirklich aktuell ist.

Im Rewe-Markt an der Dorotheenstraße können die Kunden aus einem Angebot von 25.000 Artikeln im Internet auswählen. Der Abholservice soll nach dem positiven Start weiter ausgebaut werden. Bislang schafften die Mitarbeiter es noch, die Einkaufslisten abzuarbeiten und die Warenkörbe zu packen, sagt Mitinhaber Alexander Laas. „Aber wenn das so weitergeht, müssen wir neue Kollegen einstellen.“