Hamburg. Breite Zustimmung bei Parteien – nur FDP in Schleswig-Holstein ist dagegen. Favorit ist der Reformationstag.

In Niedersachsen steht er im Koalitionsvertrag, in Bremen fordert ihn der Bürgermeister, in Schleswig-Holstein die regierende CDU, in Hamburg ist er Thema im Verfassungsausschuss: Überall im Norden wird über einen zusätzlichen Feiertag debattiert. Nach anfänglicher Zurückhaltung zeichnen sich in allen Bundesländern Mehrheiten für diese Idee ab. Am Ende könnte es eine Premiere geben: den ersten gemeinsamen norddeutschen Feiertag. Favorit ist der 31. Oktober – der Reformationstag.

In Schleswig-Holstein hat die regierende CDU eine spektakuläre Kehrtwende gemacht. Sie war lange gegen mehr Freizeit, besonders der Wirtschaftsflügel der Partei leistete Widerstand. Vor einer Woche beschloss der Parteitag dann einstimmig das Gegenteil: Die CDU forderte „die Einführung eines zusätzlichen gesetzlichen, im norddeutschen Verbund einheitlichen, kirchlichen Feiertags in Schleswig-Holstein“. Dass damit der Reformationstag gemeint war, ist kein Geheimnis.

Grüne skeptisch gegenüber religiösem Feiertag

Mit ihrem Beschluss stellen sich die Christdemokraten gegen ihre beiden Koalitionspartner. Die Grünen stehen nicht einem weiteren Feiertag, aber einem religiösen Feiertag skeptisch gegenüber. Die FDP lehnt ihn ab. Für die weiteren Beratungen sei zu prüfen, ob sich die schleswig-holsteinische Wirtschaft den zusätzlichen Feiertag überhaupt leisten könne, sagt Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Wäre dies nicht der Fall, müsste auf den zusätzlichen Feiertag verzichtet werden, oder es sei eine wirtschaftliche Kompensation an anderer Stelle nötig.

Die SPD ist für einen zusätzlichen Feiertag. Sie bevorzugt den 2. November, den Tag des Kieler Matrosenaufstands. Denkbar wäre für sie aber auch der 31. Oktober. Der Innenausschuss des Kieler Landtags will bald über das Thema beraten. Kommt eine Mehrheit aus CDU und SPD, aus Regierungs- und Oppositionsfraktion zustande?

Plädoyer für norddeutsche Feiertagslösung

In Niedersachsen ist die politische Lage klarer. Die frisch vereinbarte Große Koalition aus SPD und CDU hat die Einführung eines weiteren Feiertags ins Koalitionsprogramm geschrieben. Stephan Weil (SPD), der alte und neue Ministerpräsident, hat sich zum Reformationstag bekannt. „Mich hat die Art und Weise überzeugt, wie die evangelische Kirche das Reformationsjahr begangen hat“, sagt er. „Nicht als Feier der Abgrenzung, sondern als bewusster Brückenschlag zu anderen Religionen. Und das wäre auch ein guter Grund für einen Feiertag.“

Dirk Toepffer, CDU-Fraktionschef im Niedersächsischen Landtag, plädiert für eine norddeutsche Feiertagslösung. „Aufgrund der engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den norddeutschen Bundesländern wäre eine niedersächsische Insellösung der denkbar schlechteste Weg“, sagt er. Es müsse verhindert werden, dass entlang der Landesgrenzen ein „Feiertagsriss“ durch die Familien gehe. „Die Pendler zwischen den Bundesländern sollten die Gewissheit haben, dass der Feiertag überall in Norddeutschland gilt.“

DGB fordert zusätzlichen Feiertag schon für 2018

In Bremen schaut man auf Niedersachsen, das den Stadtstaat umschließt. Ja, der Reformationstag sollte zu einem festen Feiertag werden, sagte Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) im Oktober bei den Feierlichkeiten zum Reformationstag. Einen Alleingang werde es aber nicht geben. Man warte ab, wie der große Nachbar entscheide. In Bremen gibt es eine breite Mehrheit für einen weiteren Feiertag. Neben den Grünen, die mit der SPD die Regierungskoalition bilden, ist auch die oppositionelle CDU dafür.

In Hamburg hat die CDU das Thema auf die politische Tagesordnung gesetzt. Sie favorisiert den Reformationstag. „Hamburg hat eine lange protestantische Geschichte, die wichtige Impulse für die Stadt gegeben hat, die bis heute fortwirken“, heißt es in ihrem Bürgerschaftsantrag zur Begründung. Alle Fraktionen sind sich einig, dass es einen zusätzlichen Feiertag geben soll. Aber welchen? Da gehen die Ansichten auseinander. Mittlerweile befasst sich der Verfassungsausschuss mit dem Thema. Unklar ist, ob bei der nächsten Sitzung am 12. Dezember darüber beraten wird. „Ein Feiertag soll versöhnen und verbinden“, sagt SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. „Dazu führen wir gerade eine Vielzahl von Gesprächen.“

Ein Bundesland lässt Feiertagsdebatte kalt

Ein Feiertag soll versöhnen und verbinden, das findet auch die katholische Kirche. Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, zuständig für die Hansestadt, für Schleswig-Holstein und den Landesteil Mecklenburg, kann deshalb kein Freund des evangelischen Reformationstags sein. „Ich würde mir vor allen Dingen eine breite Debatte über den Tag wünschen und keine rein politische Entscheidung im Schnelldurchlauf“, sagt er – und schlägt einen „Tag der Schöpfung“ vor. „Ich glaube, dieser Tag hat großes Potenzial.“

Der einzige Nordstaat, den die Feiertagsdebatte kaltlässt, ist Mecklenburg-Vorpommern. Dort ist der Reformationstag schon seit der deutschen Einheit arbeitsfrei.

Enormer Nachholbedarf gegen über Bayern

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert mehr Tempo bei den Beratungen. Die Landesregierungen des Nordens sollten sich zügig absprechen, sagte Uwe Polkaehn, Vorsitzender des DGB Nord, am Sonnabend. „Dazu kann man sich gerne auch noch vor Weihnachten treffen. Der neue Feiertag wird schon 2018 gebraucht.“ Es gebe einen enormen Nachholbedarf gegenüber Bayern und weiteren Bundesländern.

Die seit Jahrzehnten geltenden Feiertagsungleichheit in Deutschland wäre mit einem neuen Feiertag im Norden etwas abgemildert. Neun solcher Tage gibt es in Hamburg, 13 in Bayern. Bald dürfte es 10:13 stehen.