Er war Hotelchef, Hallenchef, Vereinschef. Nun Operativ-Chef beim Betreiber der Barclaycard Arena. Warum er glücklich ist.

Da klemmt dieser Zettel auf der Fensterbank. Man sieht ihn schnell, weil Uwe Frommhold auf ausschweifenden Raumschmuck in seinem Büro in der Barclaycard Arena verzichtet hat. Zwei Tage die Woche ist der 60 Jahre alte Vizepräsident und Chief Operating Officer der Anschutz Entertainment Group Germany nur noch in Hamburg, seit er den Job des Arenachefs im Mai an Steve Schwenkglenks weitergereicht hat, meist lenkt er von Berlin aus seine Geschäfte. Aber der Zettel, der ist ihm wichtig. „No limits to the future“ steht darauf, ein Leitmotiv, das ein früherer Geschäftspartner ihm mitgab. Und viel besser könnte man Frommholds beruflichen Werdegang kaum in einen Satz kleiden.

Begonnen hatte alles Ende der 60er-Jahre. Frommhold war mit seiner älteren Schwester Anke in Berlin aufgewachsen. Vater Walter leitete die Radiologie im Auguste-Viktoria-Klinikum, Mutter Gabriele kümmerte sich um Haushalt und Kinder. Der Sohn besuchte die zweisprachige John-F.-Kennedy-Schule. „Das war ein großes Privileg“, erinnert er sich. Als der Vater eine Professur in Tübingen annahm, wurde aus einem Privileg ein Kulturschock. Am mathematisch-naturwissenschaftlichen Kepler-Gymnasium verging Frommhold der Spaß an der Schule schnell. „Ich bin mit dem System und den Schwaben gar nicht klargekommen.“

Erstes Geld im Hotel verdient

Flucht aus dem Alltag boten die Familienurlaube. Uwe Frommhold war zwölf Jahre alt, als er im Hotel am See im österreichischen Altaussee sein erstes eigenes Geld verdiente, indem er die Münzfächer der gebührenpflichtigen Toiletten leerte. Das Geld wurde gerollt, jede 25er-Rolle brachte 1,50 Schilling – genauso viel, wie eine Kugel Eis in der Hotelküche kostete. „In dem Urlaub habe ich so viel Eis gegessen wie nie, und ich habe gespürt, dass mir das Hotelleben gefällt.“

Natürlich hätte sich sein Leben auch in eine ganz andere Richtung entwickeln können, hätte er das Abitur am Kepler-Gymnasium machen müssen. Aber weil er in der 7. Klasse sitzen geblieben war und wegen vieler Fehlzeiten Gefahr lief, den Abschluss zu riskieren, entschieden seine Eltern, den leidenschaftlichen Schwimmer auf ein sportbetontes Internat im Schwarzwald zu schicken. Diese Entscheidung, sagt Frommhold, sei seine Rettung gewesen: „Mit 15 lernte ich plötzlich eine neue Art des freien Denkens kennen. Ich musste schneller reifen, und ich fand Freunde, die mich bis heute begleiten. Es war die beste Zeit meiner Jugend“, sagt er. Welchen Wert Gemeinschaft haben kann, wie sie im Internat herrschte, daran hat er sich oft erinnert, wenn es im Beruf schwierige Phasen zu überstehen galt.

Er wollte Hoteldirektor werden

Wer Uwe Frommhold begegnet, hört einen Mann, der von seinem Weg überzeugt ist, ohne andere davon überzeugen zu wollen. Er ist ein Mensch, der führen, aber trotzdem auch verstehen will, wohin die wollen, die mit ihm arbeiten. Er ist ein Lernfreak, und genau diese Eigenschaft half ihm nach dem Abitur, die richtige Abzweigung zu finden. Über die Beziehungen des Vaters zu Karl-Theodor Walterspiel, dem legendären Direktor des Hamburger Hotels Atlantic, erhielt er eine Lehrstelle als Koch, danach ließ er sich im Berliner Hotel Palace im kaufmännischen Büro anstellen. Immer wenn irgendwo intern eine neue Stelle frei wurde, bewarb er sich darauf. „Ich wollte doch Direktor werden, also musste ich so viel wie möglich lernen und selbst erfahren“, sagt er.

Halbes Jahr lang arbeitslos

Seinen Kindern Lisa (22) und Julius (20) hat er dieses Credo weitergegeben. „Keine Angst vor Menschen, immer beide Seiten der Medaille sehen und so viel wie möglich ausprobieren“, das sei sein Rat an die Jugend. Die Tochter arbeitet nach bestandenem Studium der Wirtschaftspsychologie in Stockholm, der Sohn lernt Garten- und Landschaftsbau und studiert berufsbegleitend BWL. „Sie haben sich ihre Ziele selbst gesteckt und werden sie erreichen“, sagt Frommhold.

Sein eigenes Ziel erreichte er über einen Umweg. Nach diversen Weiterbildungen und verschiedenen branchenüblichen Jobwechseln hatte Frommhold kurz vor Weihnachten 1992 zum einzigen Mal in seiner Laufbahn einen Job gekündigt, weil er ihm nicht passte. „Ich war mir sicher, dass ich mit meiner Erfahrung schnell wieder etwas finden würde. Und dann war ich fast ein halbes Jahr arbeitslos. Das war eine harte Zeit, in der ich zum ersten Mal Selbstzweifel hatte“, sagt er.

Direktor im Atlantic – Berufsziel erreicht

Es war sein Ausbildungsbetrieb, der ihm diese nahm – und das auf eine Art, die sich Frommhold nicht besser hätte erträumen können. Atlantic-Chef Walterspiel bot ihm an, den Job des Direktors zu übernehmen. „Für mich war das ein unfassbares Glück. Als ich anfing, waren viele meiner damaligen Ausbilder noch da. Das war der Moment, in dem ich wusste, warum man immer nett zu seinen Untergebenen sein muss – sie können irgendwann dein Chef sein“, sagt er. Hier hätte die Geschichte enden können, und das hätte sie wohl auch getan, wenn die Kempinski-Gruppe nicht die Leitlinie verfolgt hätte, ihr Führungspersonal nicht länger als fünf Jahre an einem Ort zu halten.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

So musste Frommhold seiner ebenfalls im Hotelgeschäft tätigen Ehefrau Heike, die er 1990 in Düsseldorf kennengelernt hatte, und den Kindern 1998 wieder einen Ortswechsel zumuten, obwohl man in Hamburg hatte sesshaft werden wollen. Über das Taschenbergpalais in Dresden ging es ins Grand Hotel Schloss Bensberg – bis dort im Herbst 2001 ein Anruf einging. „Meine Sekretärin sagte, da habe schon dreimal ein Mann angerufen, der komisch spricht und nur mir sagen wolle, worum es geht“, erinnert sich Frommhold. Dieser Mann war Mika Sulin, Statthalter des finnischen Bau- und Immobilienkonzerns Harry Harkimo. Der plante, in Hamburg eine Multifunktionsarena in den Volkspark zu stellen. Sulin bat Frommhold, nach Helsinki zu kommen. „Offiziell, um meine Meinung zu dem Projekt zu hören. Als mir dann angeboten wurde, die Arena zu leiten, war ich völlig perplex.“

Es gehört Glück dazu, im richtigen Moment am richtigen Ort die richtigen Menschen zu treffen, um sich beruflich zu entwickeln. „Aber eine Position so auszufüllen, dass alle zufrieden sind, das ist kein Glück mehr“, sagt Uwe Frommhold. Er wagte den Abschied aus der Hotelbranche, weil ihn die Herausforderung, eine Arena in seiner Lieblingsstadt zum Erfolg zu führen, reizte. „Es gab große Widerstände und viele Hürden. Aber Harry und Mika hatten eine ,Alles wird gut‘-Mentalität, die mir imponiert und geholfen hat“, sagt er.

Das Aus der Freezers

Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte sich Frommhold nicht mehr als Angestellter, sondern als Unternehmer. Und er lenkte die Geschäfte der mehrfach umbenannten Halle so geräuschlos und gut, dass er auch nach dem Verkauf an die Anschutz Entertainment Group (AEG) bleiben durfte. Mehr noch: 2012 übernahm er zusätzlich die Geschäftsführung des Eishockeyclubs Hamburg Freezers, der als einer der Ankermieter ebenfalls im Besitz der AEG war. „Dieses 100-prozentige Vertrauen, das AEG mir entgegenbringt, prägt mein berufliches Wirken“, sagt er.

Allerdings war die Abwicklung der Freezers, die AEG im Frühjahr 2016 unvermittelt vom Spielbetrieb abmeldete, auch der emotional härteste Teil seines Berufslebens. „Das war eine neue Dimension, ich habe unfassbar viel gelernt in der Zeit.“ Wahrscheinlich hat seine Leidenschaft für den Sport eine Menge dazu beigetragen, Entscheidungen schneller treffen und vor allem auch akzeptieren zu können. Die Führung der Arena und damit das operative Geschäft und den direkten Kundenkontakt an seinen Nachfolger abzugeben, das sei ihm nicht leichtgefallen. „Mein neuer Posten bietet zwar die Chance, für das Unternehmen eine Zukunftsstruktur mit zu entwickeln. Aber ich hätte die Herausforderung nicht angenommen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass ,meine‘ Arena in guten Händen ist“, sagt er.

Stress kennt er nicht

Frommhold gewährt jedem Mitarbeiter größtmöglichen Entscheidungs- und Handlungsspielraum, erwartet im Gegenzug aber Hingabe, Fairness, Offenheit und Loyalität. Wer das berücksichtigt, habe in ihm einen Chef, der darauf achte, dass die Arbeit auch Freude macht. „Arbeite hart, sei fair und habe Spaß“, das ist das Motto, mit dem er selbst jeden Tag neu anpackt. Das führe dazu, dass er trotz seines immensen Pensums kaum Stress kenne. „Mir macht mein Job so viel Spaß, dass ich spätestens nach zehn Tagen Urlaub unruhig werde und wieder loslegen will“, sagt er.

Wie er das nötige Maß zwischen An- und Entspannung findet? Frommhold, der Gitanes ohne Filter raucht, lacht bei dieser Frage. Er spiele sehr gern Golf, um abzuschalten, vor allem aber genieße er freie Stunden auf der Couch in seinem Reinbeker Haus. Dann schaut er viel Sport. Kochen ist dagegen, trotz seiner nachgewiesenen Expertise, nicht so seins. Nudelauflauf ist sein Spezialgericht, er selbst isst am liebsten deutsche Hausmannskost, Rouladen mit Rotkohl.

Gedanken über das Leben nach der Arbeit, die macht sich Uwe Frommhold nicht. „Ich weiß noch gar nicht, wann das sein wird“, sagt er. Im Oktober 2018 wird in Berlin der Entertainment District eröffnet, den er für AEG mitverantwortet. Das ist sein nächstes Ziel, alles andere stellt er hintan. „Ich bin ein rundum glücklicher Mensch, aber nicht im Sinne von Selbstzufriedenheit, sondern weil ich ein ausgefülltes Leben, eine großartige Familie und tolle Menschen um mich herum habe. Ohne Menschen kann ich nicht sein“, sagt er. Alles andere werde er auf sich zukommen lassen. Immer im Bewusstsein, dass es für die Zukunft keine Grenzen gibt.