Hamburg. Nabu meldet Volksinitiative an. Kritiker warnen, Einschränkung des Wohnungsbaus könne Mieten weiter steigen lassen

Der Kampf um die künftige Entwicklung Hamburgs ist offiziell eröffnet: Am Donnerstagmorgen um 8.30 Uhr hat der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) offiziell seine Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ angemeldet. Vom Freitag an will die Initiative mit dem Sammeln von Unterschriften beginnen – mit dem Ziel, Hamburgs Grün vor weiterer Bebauung und Versiegelung zu schützen.

„Es ist an der Zeit, den fortschreitenden Grünverlust in unserer Stadt nicht nur zu beklagen“, sagte der Hamburger Nabu-Vorsitzende und frühere Grünen-Umweltsenator Alexander Porschke. „Mit der Volksinitiative schlagen wir einen Weg ein, mit dem wir dem ungebremsten Flächenverbrauch eine deutliche Grenze setzen wollen. Eine große Stadt im Zentrum einer Metropolregion braucht ein Umdenken hin zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Dazu gehört eine Planung, die Grenzen berücksichtigt, anstatt unbegrenzten Wachstumsfantasien freien Lauf zu lassen.“

Nabu befürchtet Betonwüste

Der Nabu beklagt seit längerem eine deutliche Abnahme der Hamburger Grünflächen. So seien nach Senatsangaben seit 2001 im Mittel 186 Hektar pro Jahr für den Bau von Wohnungen, Gewerbegebieten und Verkehrsinfrastruktur verbraucht worden. „Wenn es in diesem Tempo weitergeht, steuert die noch grüne Stadt Hamburg in Richtung Betonwüste“, so der Nabu-Chef. „Wir appellieren deswegen an die Politik, schon heute nachhaltig zu planen und bereits versiegelte Flächen wie Supermarktparkplätze oder stillgelegte Gewerbeflächen effektiver zu nutzen.“

Wenn Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sage, er wolle mit dem Bau von Wohnungen nie wieder aufhören, klinge das „mehr nach einer Drohung als nach einer Lösung“, sagte Malte Siegert, Leiter Umweltpolitik beim Nabu. „Wo und wie dauerhaft 10.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden sollen, bleibt das Geheimnis des Senats.“

Nabu wählte eine eher unverbindliche Formulierung

Nach längeren Beratungen mit dem Landesabstimmungsleiter hat der Nabu sich für eine wohl verfassungsgemäße, aber für den Senat nicht verbindliche Formulierung seiner Volksinitiative entschieden. Diese lautet nun: „Ich fordere Bürgerschaft und Senat auf, darauf hinzuwirken, den Anteil des Grüns in Hamburg zu erhalten, wobei Hamburgs Grün der gesamten gemeinsamen Fläche von Grünanlagen, Kleingärten, Friedhöfen, Parkanlagen, Naturnahen Landschaften, Wäldern, Landwirtschaftlichen Kulturlandschaften sowie Gewässerlandschaften und Auenentwicklungsbereichen (Milieus laut Hamburger Landschaftsprogramm) entspricht und der Anteil sich auf die Gesamtfläche Hamburgs zum Stichtag 1. Juni 2018 bezieht.“

Ursprünglich hatte der Nabu eine härtere Formulierung favorisiert, nach der der aktuelle Grünanteil schlicht festgeschrieben werden sollte. Dies aber wäre vermutlich nicht zulässig gewesen, weil es Senat und Bürgerschaft auf alle Zeiten gebunden und damit in ihren Rechten eingeschränkt hätte – und weil Baurecht im wesentlichen Bundesrecht ist, das nicht durch eine Initiative geändert werden kann.

Öffentliches Grün muss bewahrt werden

„Eine Großstadt wie Hamburg kämpft mit Lärm- und Luftbelastungen“, sagte Nabu-Chef Porschke. „Außerdem hat nicht jeder einen eigenen Garten vor der Tür. Umso wichtiger ist, dass wir das öffentliche Grün bewahren. Auch die verantwortlichen Politiker müssen verstehen, dass in einer begrenzten Stadt das Wachstum nicht grenzenlos sein kann.“

Porschke wehrte sich auch gegen die Kritik von SPD und Mieterverein. Dessen Chef Siegmund Chychla hatte die Initiative im Abendblatt als „Kampf der Besitzenden gegen die Besitzlosen, derjenigen die eine Wohnung haben gegen diejenigen, die eine suchen“ bezeichnet. Eine Einschränkung des Wohnungsbaus führe nämlich zu immer höheren Wohnungskosten.

Grüne stimmen prinzipiell mit Nabu überein

Der Nabu-Chef bezeichnete diese Argumentation als falsch. Neue Wohnungen würden auch nach Aussagen aus dem Senat im Durchschnitt zu Quadratmetermieten von zwölf Euro angeboten – also deutlich teurer als die aktuellen acht Euro aus dem Mietenspiegel. „Wie das die Mieten senken soll, muss mir mal jemand erklären“, so Porschke. Er plädiere stattdessen dafür, die Landflucht durch besseren Ausbau der Infrastruktur in ländlichen Regionen zu bekämpfen. Außerdem solle Hamburg aufhören, das eigene Wachstum weiter anzuheizen.

Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks sagte, es sei klar, dass die Grünen prinzipiell mit dem Anliegen des Nabu übereinstimmten. „Allerdings müssen wir mit Blick auf den stetigen Zuzug auch darauf achten, dass es um Abwägungsprozesse geht – vor allem was günstigen Wohnraum betrifft.“ SPD-Stadtentwicklungspolitiker Dirk Kienscherf sagte: „Wohnungsbau und Grünerhalt gegeneinander auszuspielen bringt uns nicht weiter.“ Der CDU-Abgeordnete Jörg Hamann bezeichnete die Volksinitiative als „Quittung für die rot-grüne Stadtentwicklungspolitik“.

Nabu will von Freitag an Unterschriften sammeln

Der Verbandsdirektor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, Andreas Breitner, warnte davor, die Themen Umweltschutz gegen und Bau bezahlbarer Wohnungen gegeneinander auszuspielen. „Wir lehnen eine weitere Beschränkung des Wohnungsbaus in Hamburg ab“, so Breitner. „Wir plädieren dafür, sinnvoll zu verdichten und auch am Rande die Stadt zu erweitern.“

Vom Freitag an bis Ende Mai will der Nabu nun Unterschriften sammeln und für sein Anliegen werben – mit Plakaten, Flyern, in den sozialen Medien und an Ständen in der Mönckebergstraße. Für die erste Stufe der Volksgesetzgebung braucht die Initiative lediglich 10.000 Unterschriften. Deutlich höher ist die nächste Hürde, sollte der Nabu die erste nehmen. Voraussichtlich Anfang 2019 müssten binnen drei Wochen für ein erfolgreiches Volksbegehren rund 65.000 Unterschriften gesammelt werden. Unterschreiben können alle in Hamburg angemeldeten und bei der Bürgerschaftswahl wahlberechtigten Hamburger (ab 16 Jahre). Ziel des Nabu ist ein Volksentscheid parallel zur Bürgerschaftswahl Anfang 2020.

Weitere Infos im Internet unter www.nabu-hamburg.de