Hamburg. Tausende Pflanzen werden in Hamburg wieder abgeholzt. Gleichzeitig richteten die vergangenen Herbststürme dramatische Schäden an.

Der Baumbestand in Hamburg nimmt permanent ab, weil Bäume nicht in gleicher Zahl nachgepflanzt werden. Allein im vergangenen Jahr wurden laut Umweltbehörde im Straßenraum 1843 Bäume gefällt, gleichzeitig aber lediglich 1720 Bäume nachgepflanzt. Jetzt haben zusätzlich die Herbststürme „Sebastian“, „Xavier“ und zuletzt „Herwart“ dramatische Schäden in Hamburgs Grün angerichtet: 4549 Bäume wurden laut Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Stephan Gamm im gesamten Stadtgebiet in Mitleidenschaft gezogen, davon haben 2104 Bäume Totalschaden und 2445 Bäume Bruchschäden erlitten. Die Schadenssumme wird mit mehr als drei Millionen Euro beziffert – ohne Kosten für Nachpflanzungen.

Mit der aktuellen Fällsaison, die von Oktober bis Ende Februar dauert, werden weitere Bäume gefällt. Ein Thema, das die Menschen aufwühlt. Egal, ob sie die Fällung selbst beantragt haben oder gegen eine geplante Abholzung protestieren.

Die Bäume, sie täten der Seele gut

„Große Bäume fällen, in Zeiten, in denen das städtische Grün dramatisch zurückgeht, besonders hier im hochverdichteten Kerngebiet, um dafür einige Parkplätze zu bauen?“ – diese Frage treibt derzeit eine Hofgemeinschaft in Eimsbüttel um. Gemeinsam kämpfen die Mieter um drei Birken und eine Stieleiche, die ihr Vermieter des Wohnblocks an der Gustav-Falke-Straße/­Gorch-Fock-Straße zugunsten einer Tiefgarage fällen lassen will. Die Anwohner fürchten um ihre grüne Oase vor der Tür.

„Das hier ist Natur mitten in der Stadt, die Bäume sorgen für gute Luft“, sagt Anwohnerin Sylke Harzer. Sie steht gern auf dem Balkon und genießt den Blick ins Grüne. Das sei wie ein Waldspaziergang. Die Bäume, sie täten der Seele gut.

Allein im Bezirk Eimsbüttel werden pro Fällsaison etwa 1900 Bäume gefällt, durchschnittlich aber lediglich 1250 Ersatzbäume gefordert. In der laufenden Fällsaison sind bislang etwa 1000 Bäume zur Fällung freigegeben und 900 Ersatzbäume gefordert worden. „Bäume können in der Regel nicht 1:1 nachgepflanzt werden“, heißt es aus der Pressestelle des Bezirks. Zu berücksichtigen sei der vorhandene Platz auf dem Grundstück und der Wert der zu fällenden Bäume. „Wenn eine Nachpflanzung nicht erfolgen kann, sind Ausgleichszahlungen zu leisten, die für die Nachpflanzung von Bäumen an anderer Stelle genutzt werden.“ Nur für Gefahrenbäume werden keine Ersatzpflanzungen gefordert.

Laut Baumfällstatistik des Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hat die Stadt in der vergangenen Baumfällsaison (1. Oktober bis 28. Februar) mehr als 2500 Straßen- und Park­bäume auf öffentlichen Flächen verloren, hinzu kommen die privaten Fällungen. Anders als die Umweltbehörde zählt der Nabu neben den Straßenbäumen auch Bäume in Parks und Wäldern hinzu.

Laut Nabu sind für knapp 30 Prozent der gefällten Bäume Nachpflanzungen geplant. „Der Verlust eines alten Baumes lässt sich nicht durch die Neupflanzung von drei jungen Bäumen adäquat ersetzen“, sagt Sprecherin Birgit Hilmer. Die Wahrscheinlichkeit, dass die nachgepflanzten Bäume jemals das Alter des gefällten Baumes erreichen, sei aufgrund des Nutzungsdrucks, der Umweltbedingungen und des wenigen Platzes zur Wurzelentwicklung sehr gering. 1,5 Mio Euro für neue Bäume stehen zur Verfügung. Ziel der Umweltbehörde ist es, das Defizit bei den Nachpflanzungen abzubremsen.

Der Mensch, sagt Professor Ulrich Reinhardt von der Stiftung für Zukunftsfragen, braucht ein kleines Stück Grün. „Zunehmend mehr Neubauten, versiegelte Flächen, neue Straßen und Rad- und Fußwege stehen diesem Wunsch entgegen.“ Es sei eine Art Verlustangst, denn mit jedem gefällten Baum verschwindet ein Stück heile Welt.

Manchmal aber stehen Bäume auch im Weg und machen sich durch ihre Größe und Wucht unbeliebt. So wie im Garten der Niendorferin, die lieber anonym bleiben möchte. Gerade hat sie drei Rotfichten fällen lassen. „Ausschlaggebend war der Wunsch nach mehr Licht“, sagt die Gartenbesitzerin.

Während Straßenbäume nur dann gefällt werden, wenn sie nicht mehr bruch- und standsicher sind oder Radwege- und Wohnungsbau im Weg stehen, können auf Privatgrundstücken beispielsweise auch unzumutbare Beeinträchtigungen der Wohnnutzung geltend gemacht werden. Doch wer einen Baum loswerden will, muss sich an die Baumschutzverordnung halten. Diese schützt Bäume ab einer bestimmten Größe: Dazu gehören Einzelbäume mit einem Durchmesser von mindestens 25 Zentimetern oder einen Umfang von 78,54 Zentimetern, gemessen in 1,30 Metern Höhe. Kleinere Bäume sind geschützt, wenn sie eine Baumgruppe bilden, zu einer Allee oder einem Knick gehören. Ohne Genehmigung gefällt werden dürfen Obstbäume.

Fällanträge werden an das Bezirksamt gestellt

Anträge auf ein Beschneiden oder eine Fällung der Bäume können beim zuständigen Bezirksamt gestellt werden. Dieses kann anhand der Bedeutung der Bäume mit Blick auf das Naturschutzrecht eine Ausnahmegenehmigung von der Baumschutzverordnung erteilen. Nach einer Fällung ist in der Regel eine Ersatzpflanzung vorzunehmen.

Wer sich nicht mit Bürokratie beschäftigen möchte, kann seinem Gärtner die Vollmacht erteilen, sich um alles zu kümmern, und beim zuständigen Bezirksamt die Genehmigung einzuholen. Nächster Schritt: „Jemand von der Gartenbauabteilung kommt vorbei – auch unangemeldet – und schaut sich den Baum an“, sagt Holger Ahrens vom gleichnamigen Gartenbaubetrieb. Dieser Mitarbeiter entscheidet, ob gefällt werden darf.

Auch die Gartenbesitzerin aus Niendorf hat die Genehmigung über ihren Gärtner beantragt, 125 Euro hat diese gekostet. Dafür muss sie nun drei einheimische Sträucher nachpflanzen. Kontrollieren wird das aber wohl kaum jemand.