Hamburg. Investor Ralf Dümmel glaubt auch an den langfristigen Erfolg der TV-Gründershow mit. Millionen kaufen die Produkte.
Wenn Ralf Dümmel kommt, hört man das schon von Weitem. Ganz schön zackig, dieser Gang. Klar, der Mann hat ja auch einiges zu tun. Gerade ist die vierte Staffel der TV-Gründershow „Die Höhle der Löwen“ über die Bildschirme von Millionen Deutschen geflimmert. Und der Unternehmer im holsteinischen Stapelfeld hat wieder die meisten Deals abgeräumt. 18 sind es dieses Mal, für 2,8 Millionen Euro.
Dümmel, auch vormittags wie aus dem Ei gepellt, in dunklem Anzug, weißem Hemd und mit Einstecktuch, steht im Showroom der Firmenzentrale von DS Produkte. Hier hat er sich seine persönliche Löwen-Höhle eingerichtet. Rechts sind die Produkte aus der Staffel 2016 im Regal drapiert, links die aus diesem Jahr: Parodont, Protect Pax, Blinkerhandschuh, Yummynator. Um nur einige zu nennen.
Dümmel kennt sie alle. Wie auf Knopfdruck kann er über Gründergeschichten, Dealverhandlungen und Absatzzahlen reden. „Rokitta’s Rostschreck haben wir 600.000-mal verkauft“, schwärmt der 50-Jährige. Der Absatz des kleinen Magneten, der Besteck in der Geschirrspülmaschine vor Flugrost schützen soll, sei ungebrochen hoch. Ebenso beim Zahnfleischgel Parodont. „1,6 Millionen. Wir kommen mit der Produktion nicht hinterher“, sagt Dümmel. Auch die allermeisten Produkte aus seiner ersten Löwen-Runde laufen: vom Verschlussstopfen Abfluss-Fee bis zum Sporthandtuch Towell Plus.
"Die Höhle der Löwen" ist die erfolgreichste Vox-Eigenproduktion
Natürlich gibt es auch die anderen. Die, wie er sagt, „die Erwartungen nicht erfüllen“. Der Pannenfächer gehört dazu, der Tortenständer Caketales. Jeder Deal vor Millionenpublikum ist eben auch ein Versuch, einen Bedarf zu entdecken – oder zu wecken. „Die Sendung pusht“, sagt Handelsprofi Dümmel. „Aber wenn die Endkunden ein Produkt nicht annehmen, dann kann auch die Sendung es nicht erfolgreich machen.“
Fakt ist: In Deutschland gab es bei dem TV-Format noch nie so viele Zuschauer, noch nie so viele Bewerber, so viele und so hohe Deals, und noch nie waren so viele Hamburger Gründer dabei. Knapp drei Millionen Menschen verfolgten im Schnitt, wie Jungunternehmer ihre Geschäftsidee vor den fünf prominenten Investoren präsentierten – in einem Land, dessen Gründerquote stetig abnimmt. Mit einem Marktanteil von 16,9 Prozent bei den 14- bis 59-Jährigen ist „Die Höhle der Löwen“ die erfolgreichste Primetime-Eigenproduktion in der fast 25-jährigen Vox-Geschichte.
Sechs von sieben Hamburger Gründern bekamen einen Deal
Insgesamt 69 Start-ups warben in der Staffel, deren zwölfte und letzte Folge am Dienstag ausgestrahlt wurde, um Kapital bei den „Löwen“ und boten dafür Firmenbeteiligungen. 43 von ihnen waren so erfolgreich, dass sie mit einem oder mehreren Investoren einen Deal abschlossen. Zum Vergleich: In der ersten Staffel kamen bei 57 Verkaufsgesprächen, den sogenannten Pitches, nur 16 Deals zustande. In der zweiten Staffel waren es 21 von 65, in der dritten Staffel 35 von 68.
Von dem Erfolg profitieren auch viele Hamburger Unternehmen. Allein sieben Start-ups der 2017er-Staffel kamen aus Hamburg. Sechs von ihnen schafften es, einen Deal abzuschließen – zumindest vor laufenden Kameras. Denn zustande gekommen sind gerade einmal drei. Kein Einzelfall: Allein 2016 sind laut Handelsblatt 14 geplatzt. In den ersten beiden Staffeln scheiterten insgesamt 26. Das sorgt immer wieder für Kritik und den Vorwurf, dass es weniger um „Betriebswirtschaft im Wohnzimmer“ geht, wie Finanzunternehmer und Juror Carsten Maschmeyer es nennt, sondern um inszenierte Emotionen.
2018 soll es zwei weitere Gründershows geben
Der wachsende Erfolg beschäftigt auch den Hamburger Trendforscher Peter Wippermann. Obwohl er die Show selbst nur selten guckt, kann er die Aufregung gut verstehen. „Die Sendung greift einen alten Mythos auf, der uns von jeher fasziniert: Gladiatoren“, sagt der Hamburger. „Früher haben die Menschen in der Arena gekämpft – heute in Castingshows. Die Faszination ist die gleiche: Sie erleben mit, wie jemand um sein Leben kämpft – oder um beruflichen Erfolg – und wie über sein Schicksal abgestimmt wird.“ Egal ob Model, Musiker oder Gründer: Das Muster ist immer das gleiche. „Der Zuschauer will dabei sein, wenn am Ende der Daumen gehoben oder gesenkt wird. Erfolg oder Misserfolg.“ Langweilig werde es erst, wenn es zu viele Nachahmer gebe.
2018 sind sogar zwei neue Gründershows geplant: Auf Sat.1 sucht Carsten Maschmeyer Deutschlands bestes Gründertalent. „Das ist deine Chance“ lockt mit einer Prämie von einer Million Euro. Der Sendetermin: ab Frühjahr 2018. Stefan Raab lässt auf ProSieben Anfang 2018 in der Show „Das Ding des Jahres“ nach originellen Erfindungen fahnden.
Dümmel ärgert sich über jeden Deal, den er nicht bekommt
Zurück in die Höhle: „Ich ärgere mich über jeden Deal, der platzt oder den ich nicht bekomme“, sagt Ralf Dümmel. Der bodenständige Kaufmann ist ein Glücksfall für die Show – und inzwischen selbst ein Promi. „Letztlich“, sagt er, „mache ich genau das, was ich immer mache. Ich suche innovative Produkte.“ Mit 23 Deals und einem Investitionsbudget von drei Millionen Euro bei seiner Premiere letztes Jahr hat er sich einen Namen als „König der Löwen“ gemacht – auch wenn sechs Deals letztlich nicht zum Abschluss kamen. „Es ist jedes Mal ein Einzelfall“, sagt er. Es geht um Details, die strategische Ausrichtung. Genauere Informationen gibt es nicht.
Von seinen 18 Deals des Jahres 2017 sind zwei geplatzt, weitere vier noch in Verhandlung. In einem Fall gibt es eine Kooperation. Dümmel und sein Unternehmen DS Produkte mit einem Umsatz von 260 Millionen Euro im vergangenen Jahr gehören zu den großen Gewinnern „Wir sind in den letzten Jahren immer leicht gewachsen, jetzt wachsen wir stärker“, sagt der Geschäftsführer.
„Höhle der Löwen“ ist eine riesige Marketingmaschinerie
Auch die Gründer verdienen teilweise ordentlich. „Die Sendung war die Initialzündung. Wir haben als Start-up mehrere Stufen auf der Geschäftsleiter übersprungen“, sagt etwa Florian Goecke, der mit Paul Dudda und Lennart Rieper das Sporthandtuch Towell Plus erfunden hat. In der dritten Staffel überzeugten die Hamburger damit und schlossen einen 250.000-Euro-Deal mit Dümmel und dem inzwischen ausgestiegenen Jochen Schweizer für 20 Prozent der Anteile. Letztlich machte Dümmel das Geschäft allein. „In der Nacht nach der Ausstrahlungen gingen 200.000 Bestellungen ein“, erinnert sich Goecke. Bis jetzt haben sie 700.000 Handtücher mit Tasche und Magnet zum Aufhängen verkauft und ihre Produktpalette erweitert. Der Umsatz 2016: 1,3 Millionen Euro. „Und wir wachsen weiter“, sagt er.
Michael Reinhold, Gründer von Musicworks, hat in der ersten Staffel einen Deal über 60.000 Euro gemacht. Die Vereinbarung mit Investor Jochen Schweizer kam letztlich so nicht zustande. Aber die Nachfrage für Musikevents zur Teambildung stieg sprunghaft. Innerhalb kürzester Zeit musste das Team die Professionalisierung hinbekommen. „Es ist viel ernster, als es wirkt“, sagt der Musiker. „Wenn man eine schöne Idee hat, dann ab damit in die Höhle.“ Denn auch wenn keiner der Löwen anbeißt: Allein die Aufmerksamkeit in der Show bringt Umsatz. Beispiel: SugarShape aus Stelle, die auch ohne Deal massenhaft BHs in Sondergrößen verkaufen.
Dass die Investoren mal danebenliegen, zeigt das Beispiel der Feinkost-Abo-Boxen Foodist oder der Nachhilfe-App Math24, die keinen Deal bekamen, aber inzwischen für Millionenbeträge verkauft sind. Denn schon lange geht es nicht mehr nur um eine TV-Show. Sondern um eine riesige Marketingmaschinerie. „Die Höhle der Löwen“ ist eine Marke, an der kaum jemand vorbeikommt. Egal, ob Supermärkte, Discounter, Drogerien, Kaufhäuser oder Möbelgeschäfte: Mehr als 40 Produkte, die in der Show vorgestellt wurden, sind bei 60 Handelspartnern dauerhaft gelistet. Allein Dümmel beliefert 20.000 Filialen – Tendenz steigend. In Köln wurde sogar ein Pop-up-Store eröffnet. Weitere Höhle-Shops seien im kommenden Jahr denkbar, heißt es. Dazu kommen Online-Handel und Teleshopping.
Holger Stanislawski ist Fan der "Höhle der Löwen"
Das Löwen-System profitiert dabei von den langen Vorlaufzeiten: Da die Sendung aufgezeichnet wird, stehen die Produkte direkt nach der Ausstrahlung in den Geschäften. „Wir nehmen alles, was zu unserem Sortiment passt. Unabhängig, ob es einen Deal gab“, sagt Holger Stanislawski von Rewe Stanislawski & Laas. Präsentiert wird es auf einer Sonderfläche mit großem Löwen-Display. Der ehemalige St-Pauli-Trainer ist Fan der Show. „Für die Start-ups ist es ein Entree in den Markt“, sagt er. Ob sie bleiben, zeigt sich in den Wochen danach.
Ins Regal in Winterhude geschafft haben es unter anderem die Gewürzmischungen von den Hamburger Gründern Ankerkraut oder Luicella’s Eiscreme. „Aktuell ist Mio-Olio ein Renner“, sagt Mitinhaber Alexander Laas. Nicht nur hier. Insgesamt wurden zehn Millionen Portionsbeutel mit Knoblauch- oder Chili-Öl abgesetzt. Um zu verkaufen, sagt Geschäftspartner Bernd Enge, „muss man Geschichten erzählen“.
Dümmel ist überzeugt, dass die Show weitergeht
Für die nächsten Monate ist jetzt erst mal Schluss damit. Aber kein Ende! Vox kündigte bereits an, das Format im kommenden Jahr fortzusetzen. Besteht angesichts des Hungers nach neuen Gründer-Ideen nicht die Gefahr, dass die Show zur Blase wird – und irgendwann platzt? Dümmel schüttelt den Kopf. „Das Vertrauen in ,Die Höhle der Löwen‘ wächst. Es bewerben sich inzwischen Firmen mit innovativen Geschäftsideen, die das früher nicht getan hätten.“ Die Gründer-Show, könnte man sagen, hat es in die Mitte der Gesellschaft geschafft. Nächstes Jahr muss Dümmel wohl in seiner Löwen-Höhle neue Regale aufstellen.