Hamburg. Mitgliederschwund und steigende Kosten lösen Krise bei Flottbek-Othmarscher Institution aus. Sondersitzung am 30. November geplant.

Der traditionsreiche Bürgerverein (BV) Flottbek-Othmarschen steckt in der tiefsten Krise seiner Geschichte. Es wird sogar schon vom Ende des Vereins gesprochen. „Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, gehen in vier Jahren die Lichter aus“, so die Vorsitzende Ann-Katrin Martiensen. Um die besondere Brisanz der Situation zu unterstreichen, erscheint die Vereinszeitung „Unser Blatt“ in diesem Monat mit einem dramatischen Titelbild: Es zeigt das Piktogramm eines Ertrinkenden, darüber stehen die Worte: „Der Verein geht unter.“

Laut Martiensen hat die aktuelle Krise vor allem zwei Ursachen: Da sind zunächst sinkende Mitgliederzahlen, die ein kostendeckendes Arbeiten immer schwieriger machen. Obwohl der Verein mit rund 446 Mitgliedern relativ gut aufgestellt ist, reichen die Mitgliedsbeiträge kaum zur Deckung der laufenden Kosten. Dazu gehört unter anderem die Miete für ein kleines Büro an der Waitzstraße, das Anlaufstelle für Mitglieder und Interessierte ist. In den Räumen treffen sich auch die vielen Arbeitskreise des Vereins, die nach wie vor stark nachgefragt werden. Vor einigen Jahren hatte der BV noch rund 600 Mitglieder.

Mehr Geld aufwenden

Um zeitgemäß arbeiten zu können und auch für potenzielle Neumitglieder attraktiv zu sein, musste der Verein in den vergangenen Jahren laufend mehr Geld aufwenden. Außer dem Internetauftritt betrifft das unter anderem auch Flyer mit Veranstaltungshinweisen und die Gestaltung von „Unser Blatt“. Vereinfacht beschrieben: Wo vor ein paar Jahren getippte und per Fotokopie vervielfältigte Zettel ausreichten, muss der Verein mittlerweile aufwendiger gestaltete Materialien anbieten, um nicht altmodisch rüberzukommen. Laut Martiensen müsste die Mitgliederzahl „zwingend“ auf 530 bis 540 steigen, um erfolgreich weiterzuarbeiten.

Der zweite Grund betrifft auch viele andere Vereine: Die aktive Arbeit vor Ort wird von einigen wenigen Mitgliedern gestemmt, während viele andere zwar auf dem Papier dabei sind, sich aber kaum an der Ausgestaltung des Programms beteiligen. Dadurch wird es immer schwieriger, überhaupt Mitglieder für engagierte Vereinsarbeit zu gewinnen, vor allem für die Übernahme von Ämtern. Der mangelnde Einsatz hängt auch, aber nicht nur, mit der starken Überalterung des Vereins zusammen. Rund 80 Prozent der Mitglieder sind nach Schätzung von Martiensen älter als 70 Jahre. „Da kann ich noch so viel bitten und Druck machen“, sagt sie, „viele können körperlich nicht mehr.“

Kritische Lage

Wie kritisch die Lage inzwischen ist, zeigt die Planung für die künftige Vorstandsarbeit. Von den jetzt acht Vorstandsmitgliedern wollen im kommenden Jahr nur ein bis zwei weitermachen. Im aktuellen Editorial von „Unser Blatt“ schreibt die Vorsitzende mit bitterer Ironie: „Wenn wir nicht zu den nächsten Wahlen im April 2018 genügend Mitglieder finden, die sich für den Vorstand zur Wahl aufstellen lassen, dann kann der Bürgerverein Flottbek-Othmarschen seine Türen schließen. Das 70. Jubiläum (...) würde dann das Jahr der Vereinsabwicklung.“ Auch Martiensen selbst hört aus zwingenden persönlichen Gründen als Vereinsvorsitzende auf. „Das hat nichts mit der Vorstandsarbeit zu tun“, stellt sie klar, die sei zuletzt völlig reibungslos gelaufen. Überhaupt wirbt sie mit viel Energie um neue Mitglieder. „Ich brenne für diesen Verein und will, dass er weiterlebt.“ Wegen der Nachfolge ist sie aktuell in „vielversprechenden“ Gesprächen.

„Fit für die Zukunft machen“

Ähnlich krisenhaft ist die Entwicklung in vielen anderen Bürgervereinen. Das bestätigt Herlind Gundelach, Präsidentin des Zentralausschusses der Hamburgischen Bürgervereine von 1886. „Die Vereine müssen sich fit für die Zukunft machen und auch für jüngere Mitglieder attraktiver werden“, so Gundelach. „Bürgervereinsmitglieder gehören leider allzu häufig zu denen, die an dem Liebgewonnenen festhalten wollen, Veränderungen scheuen.“ Um Reformen anzuschieben, vermittelt Gundelach unter anderem Workshops für bessere Medienarbeit und engere Vernetzung. Die Nachfrage sei groß. Aktuell sind rund 80.000 Frauen und Männer in 60 Bürger-, Heimat- oder Kommunalvereinen Hamburgs organisiert, Tendenz sinkend.

Um die Krise zu beenden und das Aus des Vereins abzuwenden, bittet der Vorstand für Donnerstag, 30. November, um 17 Uhr in die Aula der VHS, Waitzstraße 31. Eingeladen sind alle Vereinsmitglieder und alle, die es werden möchten.