Hamburg. CDU fordert nach Schüssen auf Einbrecher die Einführung von Tasern – Prüfung läuft bereits. Die Wirkung der Geräte ist umstritten.

Die schwerste Entscheidung im Leben eines Polizisten erfolgt in einem Wimpernschlag: schießen oder nicht. Vor einem Monat tötete ein Beamter in Notwehr einen geistig Verwirrten, der Ärzte und die Polizisten in der geschlossenen Psychiatrie der Bethesda-Klinik mit Messern attackiert hatte – erst vor wenigen Tagen gebrauchte ein Polizist in Marienthal seine Dienstwaffe gegen einen Einbrecher. Nun ist eine neue Debatte darüber entbrannt, ob es anderer Waffen für die Polizei bedarf.

Die CDU fordert in einem Antrag an die Bürgerschaft, auch in Hamburg elektrische Schockpistolen – sogenannte Taser – probeweise im Streifendienst einzuführen. Explizit verweist die Fraktion dabei auf den Vorfall in der Bethesda-Klinik. „Der Tod des Angreifers und das damit für den Beamten verbundene höchst traumatische Erlebnis hätten möglicherweise verhindert werden können“, heißt es in dem Dokument, dass dem Abendblatt vorliegt.

Lücke in der Ausrüstung

Die Anschaffung der Taser würde eine Lücke in der Ausrüstung füllen, die zwischen Schlagstock und scharfer Pistole klaffe. „Es wäre im Sinne aller Beteiligten“, glaubt der CDU-Innenexperte Dennis Gladiator. Als mögliche Gebiete für den Testlauf werden in dem Antrag bereits St. Georg und St. Pauli benannt, dazu müssten die dortigen Beamten entsprechend geschult werden.

Vorbild des Vorstoßes ist Berlin. Dort wird bereits seit Februar der Einsatz der Taser in zwei Bezirken erprobt. Zu einem Einsatz im Ernstfall kamen die Geräte noch nicht – dennoch zeigen die Taser Wirkung: Tatverdächtige verhielten sich „bei Anblick und Androhung des Einsatzmittels regelmäßig kooperativ“, statt etwa Widerstand gegen eine Festnahme zu leisten, teilte die Berliner Polizei auf Anfrage mit. „Der Probelauf wird nach wie vor durch die Kolleginnen und Kollegen positiv betrachtet.“ Ähnliche Erfahrungen gibt es in Rheinland-Pfalz, wo ebenfalls ein Pilotprojekt läuft.

Ob die Taser aber auch in Extremsituationen wirkliche Abhilfe schaffen, ist umstritten. In diesem Jahr mussten bereits fünfmal Polizisten in Hamburg schießen, meist auf bewaffnete Personen mit psychischen Auffälligkeiten. Bislang führt nur das Mobile Einsatzkommando (MEK) die Taser mit sich, um eine Alternative zu einem möglicherweise tödlichen Schuss auf einen Verdächtigen zu haben. Auf Anfrage teilte die Polizei jedoch mit, dass bereits ausgewertet werde, ob sich die Elektroschock-Pistolen für den täglichen Dienst eignen.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft, deren Landesvorsitzender Joachim Lenders als CDU-Abgeordneter ebenfalls hinter dem Antrag steckt, plädiert dafür, den Taser zur Grundausrüstung jedes Streifenwagens zu machen: „Die Ex­tremsituationen sind zu unterschiedlich, um dafür eine allgemeingültige Theorie zu finden. Aber wichtig ist, dass die Beamten selbst entscheiden können, ob sie mit einem Taser in den Einsatz gehen wollen.“ Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist dagegen zurückhaltender.

In manchen Situationen gibt es Probleme

„Bei absehbaren Gefahren kann ein Taser sinnvoll sein. Bei plötzlich auftretenden Situationen gibt es Probleme“, so der Landesvorsitzende Gerhard Kirsch. Wenn ein Beamter den Abzug der Elektropistole drückt, schießen zwei Dioden nach vorn – beide müssen den Körper treffen, damit die Zielperson außer Gefecht gesetzt wird. „Selbst wenn noch ein weiterer Beamte mit Schusswaffe danebensteht, kann eine noch größere Gefahr für den Beamten oder andere Menschen entstehen“, sagt Kirsch. Außerdem müssten sich Beamte möglicherweise zusätzlich rechtfertigen, wenn sie doch zur Schusswaffe statt dem Taser greifen mussten.

SPD und Grüne sind gegen einen Taser-Test. Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion der Grünen, sagt: „Ich halte nichts von Tasern als regulärem Einsatzmittel der Polizei. Für Notsituationen verfügt die Polizei schon seit 2005 über die Geräte.“ Taser seien nicht ungefährlich. Amnesty International weise immer wieder auf Todesfälle hin, zudem gebe es möglicherweise eine zu niedrige Hemmschwelle für den Einsatz des Geräts. „All diese Aspekte werden in den schon laufenden Pilotprojekten anderer Landespolizeien zum Beispiel in Berlin und Rheinland-Pfalz kritisch beleuchtet“, sagte Möller. „Die Ergebnisse sollten wir abwarten. Ein eigenes Hamburger Pilotprojekt würde die Hamburger Polizei finanziell und organisatorisch weiter belasten und ist überflüssig.“

Ähnlich sieht es der SPD-Innenexperte Sören Schumacher. „Der Taser wird bei SEK und MEK eingesetzt, da ist er ein taugliches Mittel“, sagt er. „Einen Einsatz bei der Schutzpolizei sehen wir skeptisch. Auch Bayern setzt den Taser dort nicht ein. Die Innenminister haben sich sich 2008 dagegen ausgesprochen.“

Polizist erschießt Angreifer im Bethesda-Krankenhaus:

Polizist erschießt Angreifer im Bethesda Krankenhaus

Gegen 13 Uhr wurden die Beamten ins Bethesda Krankenhaus gerufen
Gegen 13 Uhr wurden die Beamten ins Bethesda Krankenhaus gerufen © Michael Arning
Ein Beamter wurde in der Klinik mit einem Messer attackiert
Ein Beamter wurde in der Klinik mit einem Messer attackiert © Michael Arning
Der angegriffene Polizist soll oberflächliche Stichverletzungen erlitten haben
Der angegriffene Polizist soll oberflächliche Stichverletzungen erlitten haben © TV News Kontor
Nach der Messerattacke wurde auf den Patienten geschossen
Nach der Messerattacke wurde auf den Patienten geschossen © Michael Arning
Beamte des Dezernats Interne Ermittlungen werden wegen des Schusswaffengebrauchs Ermittlungen aufnehmen
Beamte des Dezernats Interne Ermittlungen werden wegen des Schusswaffengebrauchs Ermittlungen aufnehmen © Michael Arning
Ein Patient hat in der Psychiatrie Mitarbeiter mit Messern bedroht
Ein Patient hat in der Psychiatrie Mitarbeiter mit Messern bedroht © Michael Arning
Grund für das Ausrücken der Polizeikräfte war
Grund für das Ausrücken der Polizeikräfte war "eine Bedrohung in einem Krankenhaus" © dpa | Daniel Bockwoldt
Ein Patient des Krankenhauses sowie mindestens ein Polizeibeamter wurden verletzt
Ein Patient des Krankenhauses sowie mindestens ein Polizeibeamter wurden verletzt © Michael Arning
1/8