Hamburg. Lebensmittelhändler Rewe setzt in Ottensen neues Konzept um. Der Standort in dem Baudenkmal soll etwas Besonderes werden.

Vor 100 Jahren wurden hier Schiffsschrauben gegossen, demnächst eröffnet in der ehemaligen Fabrik von Theodor Zeise ein neuer Supermarkt. Noch braucht man allerdings reichlich Fantasie, um sich Wocheneinkauf und Mittagssnack in der denkmalgeschützten Halle in Ottensen vorzustellen. Oder eine Computeranimation.

„Wir wollen Einkaufen mit Geschichte verbinden“, sagt Valentina Kinzel. Die Architektin steht mit Rewe-Kaufmann Sasa Surdanovic auf der Baustelle und zeigt auf ihrem Tablet die Planungen für Regale, Frischetheken, Gastrobereich und eine Kultur-Empore. Es gibt viel Beton, Metallprofile, Glas, Holz und historische Fotos an den weiß getünchten Backsteinwänden. „Passend dazu wollen wir hier ein besonderes Sortiment mit Produkten aus der Region anbieten“, sagt Händler Surdanovic.

Konzepte werden auf Stadtteil zugeschnitten

Im Supermarkt auf immergleichen Wegen durch die Regale hetzen, das war gestern. „Wir setzen verstärkt auf Individualisierung unserer Märkte“, sagt Marco Kittendorf, bei Rewe Nord zuständig für die Expansion in Hamburg. Mit auf den Stadtteil angepassten Konzepten will der Lebensmittelhändler gegen die Konkurrenz im stationären und vor allem auch im Internethandel punkten. Motto: Ottensen ist nicht Wandsbek.

Der Standort im Baudenkmal Zeisehallen soll dabei etwas Besonders werden. „Wir bauen hier keinen klassischen Supermarkt“, sagt Rewe-Nord-Sprecherin Daniela Beckmann, „das Konzept ist einzigartig.“ Und auch ein Test. Betreiber Surdanovic plant auf der Verkaufsfläche von insgesamt 1300 Quadratmetern Veranstaltungen. Der Gastro-Bereich soll auch am Sonntag geöffnet sein.

Das Vorzeigeprojekt in Ottensen liegt im Trend. Seitdem Discounter­ketten wie Aldi Nord oder Penny Milliarden in die Modernisierung ihrer Märkte und in Qualitätsoffensiven stecken, sind die Supermärkte im Zugzwang.

Supermärkte bekommen ein eigenes Profil

„Der Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel ist sehr stark“, sagt Brigitte Nolte vom Handelsverband Nord. „Um attraktiv zu bleiben, müssen die Standorte ein eigenes Profil entwickeln.“ Parallel wächst die Zahl der Supermärkte, laut EHI Retail Institute bundesweit binnen zehn Jahren von 10.446 (2006) auf 12.027 (2016). „Neben dem Sortimentsausbau wird die Warenpräsentation immer wichtiger“, sagt der Sprecher des Handelsverbands Lebensmittel, Christian Böttcher. Ungewöhnliche Standorte seien gerade auch in der Konkurrenz zum Onlinehandel eine Option, Alleinstellungsmerkmale zu schaffen und die „Aufenthaltsqualität zu erhöhen“, so Böttcher.

Die Planungen in den Zeisehallen haben eine lange Vorgeschichte. In der Werkhalle neben dem Komplex mit Kino und Restaurant Eisenstein gab es vor Jahren bereits einen Supermarkt. Bis 2013 wurde die Fläche vom Theater-Institut der Universität Hamburg genutzt. „Wir haben lange nach einem Konzept für den Standort gesucht“, sagt Bastian Hämmerle vom Vermieter Procom Invest. 4,5 Millionen Euro lässt sich das Unternehmen, das in direkter Nachbarschaft einen Bürokomplex für eine große Werbeagentur errichtet hat, das Projekt kosten. Vorbild ist die Umgestaltung der Rindermarkthalle auf St. Pauli. Mit Rewe-Partner Surdanovic ist ein langfristiger Mietvertrag geschlossen.

Barrierefreier Zugang zu allen Ebenen

Ursprünglich war die Eröffnung bereits für Anfang Dezember geplant. Es habe aber einige bauliche Probleme gegeben, so Rewe-Nord-Sprecherin Beckmann. So wurden unter dem Bodenbelag offene Schächte entdeckt, zudem soll ein Aufzug barrierefreien Zugang zu allen Ebenen des neuen Marktes ermöglichen. Aktuell laufen weitere Abstimmungen mit den Denkmalschützern. Die Eröffnung ist jetzt für Anfang April geplant. Alle vier Rewe-Supermärkte im unmittelbaren Umfeld sollen bleiben. Insgesamt hat Rewe in Hamburg derzeit 70 Standorte. Aber bislang keinen, der auch ein bisschen Museum ist – mit einer Schiffsschraube, die unter einer Glasplatte im Boden eingelassen ist.