Hamburg. Die Hamburger Wasserschutzpolizei beobachtet einen Trend: Menschen, die raus wollen aus Deutschland – auf waghalsigem Weg.

Es ist ein Phänomen, das Experten überrascht: Menschen versuchen, Hamburg und die Bundesrepublik zu verlassen, in dem sie sich als blinde Passagiere auf Schiffe schmuggeln. „So etwas haben wir vor wenigen Jahren noch nicht für möglich gehalten, sagt Mario Strunk, bei der Wasserschutzpolizei zuständig für die Hafensicherheit in Hamburg. Bislang machten sich Menschen als blinde Passagiere auf den umgekehrten Weg. Rein nach Deutschland, um sich den Traum von einem besseren Leben zu erfüllen.

Es gibt daher noch nicht einmal einen amtlichen Begriff. Die Bezeichnung „Ausschleicher“ ist eine Eigenkreation der Polizei. Neben Hamburg sind auch andere norddeutsche Seehäfen betroffen.

66 Ausschleicher gestoppt

Ende 2015 rückte das Phänomen in den Blickpunkt der Sicherheitsbehörden. Mitarbeiter von Sicherheitsunternehmen schnappten Personen, die auf gesicherten Terminals umherschlichen und heimlich auf Schiffe kommen wollten, die in Richtung England oder Kanada ablegen. Seitdem wurden immer wieder solche Ausschleicher geschnappt. Bislang sind es 45 Fälle, bei denen 66 Ausschleicher gestoppt wurden. Die Sicherheitsbehörden wissen von drei Fällen, in denen es Ausschleicher an Bord von Schiffen geschafft haben und nach Übersee gelangt sind.

Strunk geht davon aus, dass die meisten Ausschleicher über den sogenannten ISPS-Code bemerkt werden. Der ISPS-Code ist ein drei Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingeführter, verbindlicher Sicherheitsstandard für Schiffe oder Hafenanlagen im internationalen Schiffsverkehr und dient der Gefahrenabwehr. Konkret soll er verhindern, dass Terroristen Schiffe als Transportmittel für Ausrüstung oder für sich selbst nutzen.

Ausschleicher werden wieder auf freien Fuß gesetzt

„Bei den festgestellten Ausschleichern handelt sich immer um Männer und überwiegend um Albaner“, sagt Strunk. Sie kommen, wenn sie einen biometrischen Pass besitzen, problemlos als Touristen nach Deutschland. Die Einreisestempel in ihren Pässen zeigen, dass sie in der Regel über Slowenien in den Schengenraum gelangen, in dem es dann keine weiteren Grenzkontrollen gibt. Dann dürfen sie drei Monate bleiben. Einige stellen in der Zeit einen Asylantrag, dessen Aussicht auf Erfolg nahezu bei null liegt.

Dass die Albaner weiter nach England oder Kanada wollen, hat seinen Grund. In beiden Ländern gibt es mittlerweile große Gruppen ihrer Lands­leute. In Großbritannien besteht keine Meldepflicht. Auch einen Personalausweis kennen die Engländer nicht. Dort werden Personen über den Reisepass oder den Führerschein identifiziert. Es ist verhältnismäßig leicht, dort unerkannt zu leben.

Kein Haftbefehl

Eine spürbare Strafe droht ertappten Ausschleichern nicht. Es ist für die Polizei eigentlich eine Ordnungswidrigkeit. „Der Betreiber des Terminals kann Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch stellen“, sagt Strunk. Ist beispielsweise ein Zaun beschädigt worden, käme noch eine Sachbeschädigung dazu. Für einen Haftbefehl reicht es in der Praxis nie. Nach Erkenntnissen der Wasserschutzpolizei sind die festgestellten Ausschleicher reine Wirtschaftsflüchtlinge. Kriminelle, die in Deutschland Straftaten verübten, finden sich unter ihnen nicht.

Das schlägt sich auch in ihrem Verhalten nieder, wenn sie erwischt werden. „Gewalttätig ist von ihnen noch keiner geworden“, sagt Strunk. So werden Ausschleicher gleich wieder auf freien Fuß gesetzt. „Wir haben keinen rechtlichen Grund sie festzuhalten“, so Strunk. Sind die drei Monate legaler Aufenthalt als „Tourist“ bei einem Ausschleicher noch nicht um, oder befinden sie sich in einem laufenden Asylverfahren, sind sie nicht einmal ausreisepflichtig. So kommt es vor, dass Ausschleicher auch mehrmals auf gesicherten Terminals gestoppt werden.

Kaum Einschleicher

„Dann“, sagt Strunk, „ist es zwar eine Straftat. Aber einen Haftgrund gibt es auch dann nicht.“ Schärfstes Mittel ist eine Ausreiseverfügung. Durch sie wird angeordnet, dass eine Person den Schengenraum über die Grenzstation verlassen muss, über die sie gekommen ist. Die Einschleicher, die illegal per Schiff nach Deutschland gelangen wollen, spielen dagegen kaum eine Rolle. „Wir haben im ganzen Jahr ein oder zwei Fälle“, sagt Strunk. Vor wenigen Jahren waren es noch 20 und mehr.

In anderen Häfen, Kiel, Wilhelmshaven, eigentlich überall, wo Schiffe Richtung England oder Kanada ablegen, geht es ähnlich zu. Im Gegensatz zu Hamburg ist in den anderen Häfen die Bundespolizei für die grenzpolizeilichen Aufgaben zuständig. Eine Besonderheit ist Cuxhaven. Von dort gibt es einen regelmäßigen Linienverkehr einer Fähre mit Häfen in Großbritannien. Dort werden die meisten Ausschleicher festgestellt. Sie versuchen oft, versteckt in einem Lastwagen an Bord einer Fähre nach England zu kommen.