Hamburg. Der Präsident des Arbeitgeberverbands Nordmetall erklärt im Abendblatt, warum er für bis zu 42 Stunden pro Woche ist.

Die deutschen Arbeitgeberverbände und die Wirtschaftsweisen fordern ein Ende des Acht-Stunden-Tags, die Jamaika-Unterhändler in Berlin streiten auch über ein neues Arbeitszeitgesetz. Die FDP ist mit der Forderung vorgeprescht, gesetzlich künftig bis zu 48 Arbeitsstunden pro Woche zu ermöglichen. Die IG Metall dagegen will in den kommenden Wochen ein Recht auf die 28-Stunden-Woche für alle durchsetzen, in bestimmten Fällen mit einem Lohnausgleich.

Das ist eine der zentralen Forderungen der Gewerkschaft in den heute in Hamburg beginnenden Tarifverhandlungen für 140.000 Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Hamburg, Schleswig-Holstein, Nordwest-Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen. Sie sollen zudem sechs Prozent mehr Lohn erhalten, verlangt die IG Metall. Das Abendblatt sprach mit Thomas Lambusch, dem Präsidenten des Arbeitgeberverbands Nordmetall, über längere Wochenarbeitszeit, flexiblere Arbeitszeitregelungen – und Forderungen, die aus seiner Sicht nicht verhandelbar sind.

Herr Lambusch, die Forderungen der IG Metall sind Ihnen seit Anfang November bekannt. Bezirks­leiter Meinhard Geiken hat sie Ihnen persönlich überreicht. Was werden Sie in der ersten Verhandlungsrunde anbieten?

Thomas Lambusch: Wir werden uns zunächst einmal die Forderungen detailliert anhören. Besonders auf die Ausführungen zur Arbeitszeit bin ich sehr gespannt. Ich habe von der Gewerkschaft noch kein Wort darüber gehört, wie sie sich die Umsetzung ihres Vorschlags in den Betrieben praktisch vorstellt.

Das Thema Arbeitszeit müsste Ihnen aber doch gelegen kommen. Die Arbeitgeber fordern seit Jahren flexiblere gesetzliche Lösungen.

Lambusch: Richtig ist, dass wir daran interessiert sind, die Regelungen für die Arbeitszeit zu flexibilisieren – gesetzlich und tariflich. Das Arbeitszeitgesetz gehört deshalb zwar in die Debatte, kann aber nicht Teil der Tarifverhandlungen sein. Wenn wir über tarifliche Arbeitszeitregelungen reden, darf das keine Einbahnstraße sein. Wir müssen vor allem über eine bedarfsgerechte Ausweitung reden: Wenn ein Großauftrag reinkommt, muss vorübergehend auch mal mehr gearbeitet werden – was im Moment nur in ganz engen Grenzen geht.

Nämlich?

Lambusch: Zurzeit darf nicht einmal jeder siebte Beschäftigte regelmäßig länger als 35 Stunden im Westen und 38 Stunden im Osten arbeiten – selbst wenn beide, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, das wollen und die verlängerte Arbeitszeit natürlich auch bezahlt wird.

Das klingt, als ginge es Ihnen bei Flexibilisierung vornehmlich um die Möglichkeit, Beschäftigte länger arbeiten zu lassen, wenn es dem Unternehmen nützt. Warum sollten die Mitarbeiter dem zustimmen?

Lambusch: Es ist doch so, dass sich bei vielen Beschäftigten die Prioritäten verschoben haben. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass man das ganze Berufsleben lang mit der gleichen Wochenarbeitszeit tätig ist. Manche Mitarbeiter haben in bestimmten Lebensphasen das Interesse, möglichst viel zu verdienen. In einer IG-Metall-Umfrage haben fast ein Drittel der Befragten gesagt, sie würden gern auch länger arbeiten. Anderen ist Geld vielleicht nicht mehr so wichtig, sie hätten lieber mehr Freizeit oder wollen sich stärker um ihre Kinder oder um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Gleichzeitig verändert die Digitalisierung die Arbeitswelt grundlegend. Das alles führt dazu, dass wir Arbeitszeit insgesamt flexibler organisieren sollten, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu erhalten und zu stärken.

Und wie sollte das Ihrer Meinung nach aussehen?

Lambusch: Meine Idealvorstellung wäre eine Regelung, die den Beschäftigten in Absprache mit ihrem Arbeitgeber eine große Bandbreite ermöglicht: von weniger Wochenarbeitszeit als heute bis zu 42 Stunden, ganz individuell nach den Bedürfnissen der Beschäftigten und den Bedarfen der Arbeitgeber.

Dann läge die Entscheidung über Teilzeit weiter allein beim Arbeitgeber.

Lambusch: Solche Entscheidungen verlaufen in aller Regel einvernehmlich. Außerdem ist es Aufgabe der Unternehmer sicherzustellen, dass die Arbeitsprozesse im Unternehmen laufen. Eine Regelung, die besagt: Ein Mitarbeiter kann, wann immer und so oft er will, in Teilzeit gehen, ohne die betrieblichen Bedarfe im Auge zu behalten, würde schlicht das Geschäftsmodell vieler Firmen zerstören. Im Übrigen wissen die Unternehmen, dass die Arbeitszufriedenheit ihrer Mitarbeiter gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein hohes Gut ist – und ermöglichen ihnen in aller Regel Teilzeitarbeit, wann immer es möglich ist. Und noch etwas: Es wird gern der Eindruck vermittelt, es gehe den Arbeitgebern bei der Flexibilisierung nur darum, zusätzliches Arbeitsvolumen möglichst günstig zu bekommen. Das ist falsch: Natürlich wollen wir mehr Arbeit auch weiter ordentlich vergüten.

Womit wir beim Thema Geld wären. Die IG Metall fordert auch einen Teilentgeltausgleich für Mitarbeiter, die in Teilzeit gehen, um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu betreuen. Verhandelbar?

Lambusch: Nein, das ist ein absolutes No-Go. Für uns ist eindeutig klar: Weniger Arbeit heißt auch entsprechend weniger Geld. Alles andere würde zu Ungerechtigkeiten unter den Mitarbeitern führen und den Betriebsfrieden stören.

Und die Forderung nach sechs Prozent mehr Lohn in den nächsten zwölf Monaten? Sie haben gerade erst verkündet, die Lage der Branche sei derzeit sehr gut.

Lambusch: Ja, aber das gilt nicht für alle Unternehmen gleichermaßen. Und wir reden über die Löhne der Zukunft, da gibt es eben auch viele Risiken. Der Fachkräftemangel hat sich dramatisch verschärft. Die Kostensteigerungen waren schon in der Vergangenheit sehr hoch, das führt bereits zu Wettbewerbsnachteilen. Angesichts eines durchschnittlichen Jahreslohns von fast 60.000 Euro in unserer Industrie ist eine Sechs-Prozent-Forderung nicht von dieser Welt.

Erwarten Sie wie der IG-Metall-Bezirks­leiter eine besonders harte Tarifrunde?

Lambusch: Ich gehe davon aus, dass der Manteltarifvertrag gekündigt wird, und erfahrungsgemäß wird es besonders schwierig, wenn es um Themen wie Arbeitszeit geht. Diese Tarifrunde könnte tatsächlich zu einem schmerzhaften Prozess werden. Bei der IG Metall ist ja bereits von 24-Stunden-Streiks die Rede. Deshalb fürchte ich schon, dass ein wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird. Mit wie viel Schärfe die Gewerkschaft um mehr Geld kämpfen kann, das wissen wir. Zu wie viel Schärfe ihre Mitglieder bereit sind, wenn es um Geld ohne Gegenleistung geht, werden wir sehen.