Hamburg. Der Komplex an der Bahrenfelder Straße könnte Wohnungen weichen. Das Projekt floppte bereits mit der Eröffnung – die Stadt zahlt drauf.

Unter der Ägide des damaligen rot-grünen Senats in Hamburg sollte hier 2002 das größte deutsche ökologische Einkaufszentrum mit 80 Betrieben entstehen. Zur Grundsteinlegung im Mai 2001 kam daher eigens die grüne Verbraucherschutzministerin Renate Künast an die Bahrenfelder Straße nach Ottensen gereist. Sogar der Müll an der Baustelle werde getrennt, stellte die „taz“ seinerzeit voller Vorfreude fest. Doch die Eröffnung zog sich hin, schließlich floppte das Öko-Projekt, und seitdem ist das Vivo lediglich Behördensitz – und stets ein Zuschuss-Projekt.

Das könnte sich nun ändern. Wie die Finanzbehörde auf Abendblatt-Anfrage bestätigte, gibt es derzeit Überlegungen für eine völlig andere Nutzung: Man prüfe einerseits die „Revitalisierung“ des Objekts mit einer Gewerbenutzung, so die Behörde. Die andere Option wäre ein „Verkauf zum Zwecke des Wohnungsbaus“. Was kaum etwas anderes bedeutet könnte, als dass das gläserne Vorzeigegebäude abgerissen wird.

Mit seinen 20.000 Quadratmetern Fläche ist das Vivo fast so groß wie das nahe Mercado
Mit seinen 20.000 Quadratmetern Fläche ist das Vivo fast so groß wie das nahe Mercado © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Tatsächlich gibt es seit einiger Zeit schon Indizien, wonach sich die Stadt von dem Haus trennen will. So gibt es Pläne, dass die Landeskassen-Verwaltung „Hamburg Kasse“ mit 340 Mitarbeitern dort aus- und zusätzlich in das künftig neue Bezirksamt Mitte an der Caffamacherreihe mit einzieht. Direkt neben dem Vivo befindet sich zudem ein Bauwagenplatz auf städtischem Grund. Der Nutzungsvertrag dafür wurde von der Stadt zwar gerade für fünf Jahre verlängert, allerdings ohne die übliche Option auf eine weitere Verlängerung.

Immer schon ein Zuschussobjekt

Zusammen mit dem Vivo – das mit 20.000 Quadratmetern Fläche immerhin fast so groß wie das nahe Mercado-Einkaufszentrum ist – wäre dann ein „riesiges Areal“ für den Wohnungsbau möglich, sagt der Bezirkspolitiker und SPD-Distriktvorsitzende von Ottensen, Mithat Capar. Gut vorstellbar sei dort an der Grenze zu Bahrenfeld auch ein Mix aus Wohnen und Gewerbe. Capar: „Wichtig ist aber dann, dass die Bürger beteiligt werden und es eine sozialverträgliche Ausweichlösung für die Bauwagenbewohner gibt.“

Vorteile für die Stadt hätte eine solche Planung allemal. Zwar waren anfangs an dem staatlich geplanten Öko-Traum auch Handels- und Handwerkskammer indirekt an der eigens für das Vivo gegründeten Immobiliengesellschaft beteiligt, sie konnte ihre Anteile 2011 und 2013 in zwei Schritten aber an die Stadt verkaufen. Und für Hamburg war das für 40 Millionen Euro gebaute Gebäude immer ein Zuschussprojekt. Lange machte es selbst mit der Vermietung an eigene Behörden Miese, weil die Mieten nicht ausreichten, um die teure Investition zu refinanzieren.

Von 2004 bis 2012 lag der jährliche Zuschuss bei durchschnittlich 1,6 Millionen Euro. 14 Millionen Euro Verluste waren da bereits aufgelaufen, wie 2013 aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der FDP hervorging. Das Planen und Bauen solcher Projekte möge man bitte künftig nicht mehr mit Steuergeld finanzieren, hämten die Liberalen seinerzeit.

Schwierige Mietersuche

Auch 2013 lag der Verlustbetrag noch bei 1,25 Millionen Euro. Danach konnte die Vermietungsquote aber verbessert werden, sie liegt der Finanzbehörde zufolge derzeit bei 100 Prozent. Der jährliche „Fehlbetrag“ betrage nun 260.000 Euro.

Noch aber ist ein möglicher Abriss nicht endgültig entschieden. „Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen“, heißt es bei der Finanzbehörde. Es wäre aber das Ende eines Öko-Flops, der sich schon bald nach der Grundsteinlegung abgezeichnet hatte. Ursprünglich sollte das Haus 33 Millionen Euro kosten, dann kletterte der Preis immer höher. Und das nicht nur wegen der Baukosten.

Auch das Marketing und die erhoffte Anwerbung von potenziellen Mietern gestaltet sich schwierig – weswegen immer neue Eröffnungstermine verkündet werden mussten. Im eigentlichen Kern von Ottensen gebe es schon genügend Ökoläden, hieß es in der Branche. Schließlich stoppte der dann CDU-geführte Senat 2003 die vergebliche Suche nach geeigneten Mietern, nahm wegen möglicher „finanzieller Risiken“ aber von einem Verkauf zunächst Abstand

Ökohäuser statt Ökomarkt?

Die Alternative Wohnungsbau hält SPD-Bezirkspolitiker Capar heute aber angesichts des inzwischen „überhitzten Wohnungsmarktes“ in Ottensen für durchaus „überlegenswert“, wie er sagt. Tatsächlich dürfte der Grundstückswert dort in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sein, was einen Abriss des Nachhaltigkeits-Flops dann wirtschaftlich erträglicher machen könnte. Und wer weiß, vielleicht plant jemand dort ja einmal Öko-Häuser.