Berlin/Hamburg. Hinter den Kulissen werden bereits Gespräche mit einem möglichen Betreiber geführt. Senat will in Kürze Einzelheiten bekanntgeben.

40 Sekunden braucht der Fahrstuhl, um die Aussichtsetage in 203 Metern Höhe zu erreichen. Durch die Glasdecke des Fahrstuhls können die Besucher die zügige Fahrt nach oben verfolgen. Willkommen auf dem Berliner Fernsehturm – einem möglichen Vorbild für die Wiedereröffnung des Heinrich-Hertz-Turms in Hamburg.

Der Berliner Fernsehturm, das mit 368 Metern höchste Gebäude Deutschlands, wurde im Oktober 1969 nach vier Jahren Bauzeit am Alexanderplatz eröffnet, der zu Ost-Berlin, der Hauptstadt der damaligen DDR gehörte. Die Panoramafenster geben den Blick auf die heutige Bundeshauptstadt frei, bei guter Sicht sogar bis zu 80 Kilometer weit. Dafür zahlen Erwachsene 13 Euro, Kinder 8,50 Euro.

Bislang gibt es weder Zeitplan noch Eröffnungstermin

Rund 1,3 Millionen Besucher kommen pro Jahr, 40 Prozent von ihnen aus dem Ausland. „Der Fernsehturm hat sich zu einer der beliebtesten Touristenattraktionen in Berlin entwickelt. Es ist ein Wahrzeichen der Stadt“, sagt Dietmar Jeserich, Sprecher der TV Turm Alexanderplatz Gastronomiegesellschaft mbH. Das Unternehmen betreibt den Fernsehturm seit 1994. Es ist eine Tochter der Montparnasse 56 Gruppe, die unter anderem in Paris eine Aussichtsplattform auf dem Tour Montparnasse und weitere in Chicago und Philadelphia (USA) unterhält. Eigentümer des Berliner Fernsehturms ist die Deutsche Funkturm GmbH (DFMG). Der Telekom-Tochter gehört auch der Hamburger Fernsehturm, der seit 2001 für die Öffentlichkeit geschlossen ist.

Nun soll er wiedereröffnet werden. Schon vor einem Jahr gelang es den beiden Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und Rüdiger Kruse (CDU), dass der Haushaltsausschuss des Bundestages eine Zuwendung von 18,5 Millionen Euro für die Sanierung bewilligte. Die Stadt will weitere 18,5 Millionen Euro beisteuern, um eine Modernisierung des Heinrich-Hertz-Turms zu ermöglichen. Bislang gibt es weder Zeitplan noch Eröffnungstermin. Nun hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) eine „Absichtserklärung“ unterzeichnet. Damit ist jetzt der Weg frei, um die Bundesmittel in Höhe von 18,5 Millionen Euro abzufordern. Zu den Einzelheiten soll es nach Angaben des Hamburger Senats in Kürze eine Mitteilung geben.

Erste Gespräche mit möglichen Betreibern

Und die Berliner Fernsehturm-Betreiber könnten eine bedeutende Rolle in der Hansestadt spielen. Die TV Turm Alexanderplatz Gastronomiegesellschaft mbH wäre nach Abendblatt-Informationen auch der Favorit als Betreiber des Hamburger Fernsehturms. Hinter den Kulissen gab es bereits Gespräche. Das Unternehmen hat dem Vernehmen nach sogar schon ein Betreiberkonzept vorgelegt. Rein formell soll der Betreiber aber durch ein „wettbewerbsrechtliches Verfahren“ gesucht werden, so der Senat.

Für den SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs steht fest: „Der Berliner Fernsehturm ist ein Vorbild für Hamburg, denn das ist ein Beispiel dafür, dass man aus einem Fernsehturm eine Touristenattraktion machen kann, die sich auch wirtschaftlich trägt.“ Kahrs hat sich bereits mehrmals über das Konzept des Berliner Fernsehturms informiert. Er sagt: „Wir brauchen Profis als Betreiber , die bereits Erfahrung auf diesem Gebiet haben und ein verlässlicher Partner sind. Die Betreiber des Berliner Fernsehturms würden diese Anforderungen erfüllen.“

Nun sei es wichtig, dass es in abseh­barer Zeit eine Ausschreibung für den Betrieb des Hamburger Fernsehturms gebe. Auch Falko Droßmann (SPD), Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte, ist die Wiedereröffnung des Fernsehturms wichtig: „In Berlin wird ein Konzept umgesetzt, das funktioniert, und so etwas brauchen wir – natürlich mit hanseatischen Akzenten – auch für Hamburg.“

Auf der Berliner Aussichtsplattform gibt es die „Bar 203“ – die höchste der Stadt. Daneben stehen Luciana Massaro und Afonso Pinto aus Brasilien und machen ein Selfie mit ihrem Smartphone. Im Hintergrund: die pulsierende Stadt. „Dieser Blick ist atemberaubend. Wir sind wirklich begeistert, auf diese Weise Berlin zu entdecken“, sagt Pinto. Von hier oben haben die Besucher alles im Blick: Das Brandenburger Tor, die Siegessäule, die wiedereröffnete Staatsoper. Auch der Tiergarten und die für Berlin typischen Plattenbausiedlungen liegen den Besuchern zu Füßen.

Viele Paare geben sich auf dem Fernsehturm das Jawort

Auf Informationstafeln sind die Sehenswürdigkeiten und Quartiere erklärt: „Wir machen jetzt die höchste Stadtrundfahrt Berlins“, sagt Jeserich und bittet in das Restaurant Sphere in 207 Metern Höhe. Hier werden Frühstück, Mittag- und Abendessen angeboten. Das Restaurant dreht sich einmal pro Stunde um die eigene Achse – so wie früher übrigens auch das legendäre Drehrestaurant des Hamburger Fernsehturms. Während die Gäste eine typische Berliner Currywurst oder ein Stück Käsekuchen genießen, zieht die Hauptstadt in Zeitlupe an ihnen vorbei. Abends werden die Besucher von einem Klavierspieler unterhalten.

Auch eine Hochzeitsgesellschaft hat sich zum Festessen eingefunden. Als Erstes werden Steffen Hartmann und seine Frau Julia von einem Standesbeamten auf der Aussichtsetage getraut. „Wir wollten für unsere Hochzeit eine einzigartige Location haben, und deshalb haben wir uns für den Fernsehturm entschieden“, sagt Bräutigam Steffen Hartmann.

Häufig wird auf dem Fernsehturm der Bund für das Leben geschlossen. Auch für Geburtstagsfeiern und Firmenpartys werden die Räume genutzt. Nur die Anfragen von TV-Produktionsfirmen, die vor der spektakulären Kulisse drehen wollen, werden meist abgelehnt: „Der Fernsehturm ist für die Gäste da, wenn wir daraus ein Filmset machen, dann würden darunter die Besucher leiden“, sagt Jeserich. Der Betrieb eines Fernsehturms sei eine logistische Herausforderung“, so Jeserich. Das gilt zum Beispiel für die Zubereitung der Speisen: Die Vorbereitungs- und Produktionsküche ist im Erdgeschoss.

Deutschlands höchstes Public Viewing

Auch der Denkmalschutz spielt eine große Rolle: „Als wir 2012/2013 den Turm im Innern modernisiert haben und Sicherheit und Brandschutz auf den neuesten Stand gebracht haben, erfolgten die Arbeiten in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz, vieles musste originalgetreu erhalten bleiben.“

Deshalb ist der Besuch des Fernsehturms auch ein bisschen eine Reise in die Vergangenheit – und der Charme der späten 60er-Jahre ist noch zu spüren: Wer auf den Lift wartet, steht an einer mit lackiertem Palisadenholz verkleideten Wand, auf der Aussichtsetage lässt die goldene Tapete Nostalgie aufkommen. Auch die mit bunten Glasbausteinen verzierte Wand im Restaurant ist originalgetreu erhalten. In einer Stadt wie Berlin, in der es Sehenswürdigkeiten und Attraktionen wie Sand am Meer gibt, muss „man sich immer neue Anreize für die Besucher einfallen lassen, um im Wettbewerb bestehen zu können“, sagt Jeserich. So sind für das kommende Jahr zum Beispiel After-Work-Partys geplant und zur Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer 2018 in Russland wird es auf dem Fernsehturm Deutschlands höchstes Public Viewing geben. Das wäre auch eine Option für den Hamburger Turm, aber wohl erst für die WM 2022, die in Katar ausgetragen wird.