Hamburg. Wie ausreichend sind die Sicherheitsmaßnahmen? Die Flucht von Pjeter A. war jedenfalls nicht der erste Vorfall dieser Art.
Nichts ging mehr am Hamburger Flughafen – für gut eine Stunde weder Starts noch Landungen, nur die hektische Suche nach dem 22-jährigen Albaner Pjeter A., der aus dem angrenzenden Abschiebegewahrsam entkommen und möglicherweise über das Rollfeld geflüchtet war.
Die Passagiere in einem Dutzend Flugzeugen hingen buchstäblich in der Luft, ehe sie in Bremen oder Hannover zwischenlandeten – oder doch noch mit Verspätung in Hamburg ankamen. Der Vorfall vom Donnerstagabend schlägt nicht nur am Flughafen, sondern auch in der Verwaltung Wellen.
Per Räuberleiter aus dem Abschiebegewahrsam
Großen Aufwand musste der 22-jährige Albaner jedoch nicht betreiben, um aus der Einrichtung zu fliehen. Rückblick: Am Donnerstagabend hebelt Pjeter A., der wegen Diebstahls und Drogendelikten polizeibekannt ist, mit einem 24-jährigen Komplizen aus Algerien mit einem Stuhl ein Fenster im Männertrakt der Anlage auf. Auch den Hof überqueren sie im Dunkeln unentdeckt; dabei hatte die Stadt als Lehre aus den bisherigen Ausbrüchen veranlasst, dass stets drei Wachleute der zuständigen Sicherheitsfirma den Außenbereich im Blick behalten sollen.
Der Zaun hat mit 2,50 Meter eine Höhe, für die eine „Räuberleiter“ ausreicht. „Wenn man ein junger Mann ist, ist das eben kein unüberwindbares Hindernis“, heißt es dazu aus dem Senatsumfeld. Pjeter A. lässt seinen Komplizen, der ihm eben noch Hilfestellung gab, zwar zurück, statt ihn hochzuziehen – als dieser gefasst wird, verrät er seinen Mittäter jedoch zunächst nicht. Erst gegen 20 Uhr wird am Donnerstag das Fehlen des Albaners bemerkt, daraufhin die großflächige Suche nach dem Mann eingeleitet. Da Pjeter A. auf der anderen Seite auch auf das Rollfeld des Flughafens gelangt sein könnte, wurde der Airport komplett gesperrt. Erst nach einer Stunde konnte Entwarnung gegeben werden. Die Bundespolizei fand aber auch woanders keine Spuren.
Deutlich höhere Kosten als erwartet
Ein Polizeisprecher sagte am Freitag, dass die Fahndung andauere. Es gibt aber offenbar keine genauen Anhaltspunkte. Da der 22-Jährige weder ein Handy noch eine Geldkarte besitzt, gestaltet sich die Suche schwierig. Wie die Ausländerbehörde bestätigte, hatte es zuvor schon fünf Fluchtversuche aus dem Abschiebegewahrsam gegeben, von denen drei erfolgreich waren.
Dort werden ausreisepflichtige Ausländer festgehalten, bei denen es Anlass zur Sorge gebe, dass sie sich einer Abschiebung entziehen wollen. Für den Betrieb wendet der Staat im Jahr mehr als zwei Millionen Euro auf, wie eine Kleine Anfrage der Linke-Abgeordneten Christiane Schneider ergab – deutlich mehr als bislang erwartet. Die Einrichtung ist seit ihrem Bau 2016 umstritten, da dort nur wenige Menschen vor ihrer Abschiebung untergebracht werden – in diesem Jahr bislang knapp 80 Personen.
Waren die Sicherheitsmaßnahmen ausreichend?
Jetzt, nach der nächsten Flucht, solle bei einem Ortstermin am Montag geprüft werden, wie sich die Sicherheit des Gewahrsamzentrums verbessern lasse. Das sagte Kerstin Graupner, Sprecherin der Innenbehörde. „Dieser Termin war aber bereits lange vor den Geschehnissen am Donnerstag angesetzt.“
Hätte die Flucht einfach verhindert werden können? In der Innenbehörde wird energisch betont, dass es sich bei der Anlage „eben um einen Gewahrsam und nicht um ein Gefängnis handele“. Innerhalb des Areals dürfen sich die abgelehnten Asylbewerber frei bewegen. Der rechtliche Status habe auch Einfluss auf die konkrete Bauform der Anlage: So dürften die Fenster etwa nicht vergittert sein. Auch bei anderen Maßnahmen gegen Fluchtgefahr gebe es möglicherweise rechtliche Hindernisse. Details sollen nun geprüft werden.Als Sofortmaßnahme wurde die reguläre Anzahl der Wachleute in der Gewahrsamsstelle von acht auf zehn Personen verstärkt, zusätzlich sind immer zwei Verwaltungsmitarbeiter anwesend.