Hamburg. Studie zeigt Zusammensetzung und Motive der Demonstranten: Wer nach der Gewalt keine Lust mehr hatte zu protestieren.

Sie waren überdurchschnittlich gebildet, zur Hälfte weiblich, eindeutig links, lehnten Gewalt als legitimes Protestmittel allerdings ab. Nachdem die Krawalle während des G20-Gipfels in Hamburg sowohl die Inhalte des Treffens als auch die politische Motivation der Demonstranten weitgehend überdeckten – in Erinnerung blieb nur die Eskalation der Gewalt – , zeigt nun eine neue Untersuchung, wer im Juli für welche kritischen Inhalte auf die Straße gegangen war.

Am Anfang der Gipfelwoche waren es beispielsweise 43 Prozent Linke- und 35 Prozent Grünen-Wähler. Am Ende 60 Prozent Linke-Wähler und nur noch 18 Prozent Grüne.

Die Inhalte verblassten angesichts er Gewalt

Für diese und andere Erkenntnisse wurden vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung, dem Göttinger Institut für Demokratieforschung und dem Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen 1095 Antwortbögen von Demonstranten ausgewertet, die sich den Protesten zum Auftakt („Protestwelle“) und zum Ende der Gipfelwoche („Grenzenlose Solidarität statt G20“) angeschlossen hatten.

Für die Wissenschaftler steht demnach fest: Die moderate, von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen getragene, „G20-Protestwelle“ und die von linken und antikapitalistischen Gruppen organisierte Abschlussdemonstration drangen inhaltlich nicht durch. Die wesentlichen Motive der Demonstrationen – der Klimawandel, die Sorge um demokratische Rechte und die soziale Gerechtigkeit – verblassten angesichts der Gewalt.

Große Mehrheit lehnte Gewalt ab

Die „bürgerlichere“ Demonstration zu Beginn des Gipfels war laut Untersuchung weiblich (53 Prozent) und durchschnittlich fünf Jahre älter als die am Ende. War am Anfang nur jeder zehnte Demonstrant ein Studierender, war es am Ende jeder fünfte. Beide Demonstrationen wurden mit 60 Prozent und 51 Prozent von Hamburgern dominiert. Der größte Unterschied bestand in der Wahrnehmung der Polizei. Am 2. Juli schätzten 80 Prozent die Polizei als wenig aggressiv ein, am 8. Juli sank dieser Wert auf 55 Prozent.

Viele Selbstständige gingen auf die Straße

Einigkeit zeigten die Demonstranten beider Protestzüge bei der Ablehnung von Gewalt. Am 2. Juli hielten nur 2,9 Prozent der Befragten Gewalt für legitimes Mittel des Protest, am 8. Juli 7,4 Prozent. Entsprechend wurde die Kritik am Ende der Gipfelwoche mit größerer Vehemenz vorgetragen. Eine radikale Ablehnung der globalen Ordnung ließen am 2. Juli nur 50 Prozent erkennen, am 8. Juli stimmten schon 75 Prozent der Demonstrationsteilnehmer der Aussage zu, der Kapitalismus müsse überwunden werden. Bei beiden Demonstrationen war der Anteil der Angestellten, Arbeiter und Beamten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung leicht überdurchschnittlich. Im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt war der Anteil der Selbstständigen erstaunlicherweise sogar mehr als doppelt so groß.

Nach den G20-Krawallen sind fast 350 Anträge auf Entschädigung gestellt worden. Insgesamt laufen 260 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen bekannte Beschuldigte, 179 Verfahren gegen Unbekannte.