Hamburg. Passagiere übernehmen immer mehr der bisherigen Serviceleistungen vor dem Start selbst – etwa die Aufgabe des Gepäcks.
Jahrzehntelang war eine Flugreise ein sehr Service-intensives Erlebnis, bei dem der Passagier am Flughafen mit etlichen Menschen wenigstens kurz in Kontakt treten musste: Am Check-in-Schalter galt es, beim Bodenpersonal die Bordkarte abzuholen und das Gepäck aufzugeben, dann stand die Sicherheitskontrolle an. Bei Auslandsflügen gehörte es meist zum üblichen Ablauf, den Ausweis oder Reisepass einem der manchmal streng, manchmal eher gelangweilt blickenden Beamten vorzulegen.
Wer heute am Hamburger Flughafen in den Urlaub oder zu einem geschäftlichen Treffen abhebt, kann mithilfe moderner Technik die meisten dieser Schritte selbst erledigen – ganz ohne menschliches Gegenüber. So hat der Airport erst vor wenigen Tagen die automatisierte Gepäckannahme von bisher zwei Geräten auf nunmehr zehn Annahmepunkte ausgeweitet.
Automaten statt Menschen
Es ist nur eines von vielen Beispielen für die zunehmende Automatisierung des Hamburger Flughafens: Passagiere, die mit dem Auto zum Airport kommen, können die Möglichkeiten der Digitalisierung schon vor Betreten der Terminals nutzen. „Wir bieten eine Online-Parkplatzreservierung von zu Hause aus“, sagt Flughafensprecherin Janet Niemeyer. Der Gast bekommt einen QR-Code auf das Smartphone gesendet, der den Zugang zum Parkhaus freigibt, in dem man dann nicht mehr nach einem freien Platz suchen muss.
Hat der Reisende keinen Koffer dabei, kann das Anstellen an einem Check-in-Schalter entfallen. Denn die Bordkarte lässt sich – jedenfalls von Kunden der Lufthansa, ihrer Billigtochter Eurowings/Germanwings und der britischen EasyJet – am Automaten ausdrucken, falls man das nicht schon daheim getan hat oder eine mobile Bordkarte auf dem Smartphone nutzt.
Doch nicht einmal mehr für die Aufgabe des Gepäcks ist Servicepersonal unumgänglich: Seit 2014 gibt es in Hamburg dafür Automaten, die für Zeitersparnis sorgen sollen. Vielflieger würden das Einchecken eines Koffers – wozu auch das eigenhändige Anbringen des selbstklebenden „Baggage Tag“-Papierstreifens gehört – in weniger als einer Minute schaffen, hieß es damals.
Maschinen lesen Ausweisdokumente
Dass die Gepäckaufgabeautomaten zur Flughafeninfrastruktur gehören und für Passagiere unterschiedlicher Airlines gleichzeitig zur Verfügung stehen, war sogar weltweit einzigartig. Derzeit nutzen nach Angaben des Airports die Fluggesellschaften Air France/KLM und EasyJet die Geräte, man sei aber offen für weitere Kunden. Die Automaten dafür sind jetzt da. Hat der Passagier seinen Koffer an einem davon auf die Reise geschickt, geht es weiter zur Sicherheitskontrolle. Die ist zwar noch Handarbeit, aber dort wie auch am Gate kann man die Bordkarte scannen lassen, muss sie niemandem mehr vorzeigen.
Auf Reisende, die aus einem Staat außerhalb des Schengen-Raums zurückkehren, wartet bei der Ankunft am Hamburger Flughafen ein System namens EasyPASS: Man legt das biometrische Ausweisdokument auf ein Lesegerät und schaut in eine Kamera, die mittels automatischer Gesichtserkennung entscheidet, ob es sich um die Person auf dem Passfoto handelt. Anfang 2014 startete in Fuhlsbüttel ein Probebetrieb mit sieben Ausweislesern, inzwischen sind elf Kontrollspuren damit ausgestattet. „Es gibt Überlegungen, dieses System auch bei der Ausreise einzusetzen“, erklärt Niemeyer.
Ganz offensichtlich verfolgt auch der Hamburger Flughafen die Strategie, die Automatisierung weiter voranzutreiben. Allerdings legt Niemeyer Wert auf die Feststellung, dass kein Fluggast gezwungen werden soll, derartige Möglichkeiten zu nutzen: „Es gibt viele Passagiere, die keine Scheu vor Technik haben und sehr gern alles selbst machen wollen. Es gibt aber auch die anderen, die nur einmal im Jahr eine Flugreise unternehmen und persönliche Unterstützung wünschen.“ Diesem Wunsch werde man immer entsprechen. Ohnehin stünden selbst an den Gepäckannahmeautomaten Mitarbeiter, um bei Problemen eingreifen zu können.
Das ähnelt der Situation, die viele Verbraucher aus dem Einzelhandel kennen, wo automatische Kassen ebenfalls nicht ohne menschliche Aufsicht in der Nähe funktionieren. In Ländern wie Großbritannien sind solche Selbstbedienungskassen allerdings schon viel weiter verbreitet – auch im Flughafenbereich. In der Hansestadt verwendet der Duty-Free-Shop-Betreiber Gebr. Heinemann diese Technik zwar noch nicht. Aber grundsätzlich zeigt sich das Hamburger Unternehmen für Automatisierung durchaus aufgeschlossen: Seit Juli werden die Shops am Flughafen Oslo durch ein fahrerloses Transportsystem mit Waren aus dem Lager versorgt.
In Japan arbeiten Roboter mit Passagieren
Wichtigstes Ziel der Automatisierung von Flughäfen ist aber, die Passagierabfertigung zu beschleunigen und zu vereinfachen. Einer der Gründe dafür: Nach Erkenntnissen des für die Luftfahrtbranche tätigen IT-Dienstleisters Sita sind Fluggäste, die eine zügige Abfertigung hinter sich haben, in der Flughafen-Gastronomie und den dortigen Geschäften ausgabefreudiger. In Frankfurt können Reisende, die sich in Lufthansa-Lounges aufhalten, sogar von dort aus online in den Flughafenshops einkaufen und sich die Produkte innerhalb einer halben Stunde liefern lassen.
Vorreiter der Automatisierung sind jedoch die Asiaten. So experimentieren Flughäfen in Tokio und im koreanischen Seoul unter anderem bereits mit menschenähnlichen, mehrere Sprachen beherrschenden Robotern für den Passagierservice. So etwas will man den Fluggästen in Hamburg auf absehbare Zeit denn doch noch nicht zumuten – auch wenn Roboter nicht von konfliktfreudigen Gewerkschaften zu Streiks aufgerufen werden.