Hamburg. Überraschender Beschluss der neuen Führung. Haspa-Chef Vogelsang spricht von einer „kaum wiedergutzumachenden Katastrophe“.
Die Handelskammer Hamburg wird die Zusammenarbeit mit den anderen Kammern im Norden beenden. Das Präsidium der Wirtschaftsvertretung hat überraschend beschlossen, Ende 2018 aus der IHK Nord – der Arbeitsgemeinschaft der Kammern in Norddeutschland – auszutreten. Dieser Schritt hat bei vielen Wirtschaftsvertretern Bestürzung ausgelöst und steht beim Treffen der Kammerchefs am Montag auf der Tagesordnung. Die IHK Nord ist ein Zusammenschluss von zwölf Kammern in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Hamburg. Sie hat ihren Sitz in der Hansestadt.
Grund für die Entscheidung des Präsidiums seien die hohen sechsstelligen Mitgliedskosten und ein im Vergleich dazu geringer Ertrag, wie der Präses der Handelskammer, Tobias Bergmann, dem Abendblatt sagte. „Wir haben bei Amtsantritt angekündigt, jeden Stein in der Kammer umzudrehen und Doppelstrukturen abzubauen“, erklärte der Sprecher der Gruppe „Die Kammer sind Wir!“. Nachdem man sich bereits die teure Mitgliedschaft im DIHK (Deutscher Industrie- und Handelskammertag) leiste, um bei der EU in Brüssel vertreten zu sein, sei die IHK Nord eine solche Doppelmitgliedschaft, deren Mehrwert nicht erkennbar sei. „Sollte sich die IHK Nord aber reformieren und zu einer wirklich schlagkräftigen Institution wandeln, wären wir bereit, unsere Austrittsankündigung zurückzuziehen“, sagte Bergmann.
Kritik von Harald Vogelsang
Scharfe Kritik äußerte daran der Vorstandschef der Hamburger Sparkasse, Harald Vogelsang, eines der wenigen unabhängigen Plenumsmitglieder. „Wenn ausgerechnet die Hamburger Handelskammer aus der IHK Nord austreten sollte, wäre das eine kaum wiedergutzumachende Katastrophe“, sagte er. „In diesem Plan zeigt sich einmal mehr, dass die neuen Machthaber der Kammer immer noch nicht gewillt sind, die Interessen der Hamburger Wirtschaft ernsthaft zu vertreten.“
Die Bündelung der Kräfte in Norddeutschland in der IHK Nord sei angesichts der Vielzahl der Stimmen und Interessen im DIHK das sinnvollste, was man für Hamburgs Wirtschaft tun könne. Vogelsang machte deutlich, dass Hamburg im DIHK nur eine von 79 Stimmen habe. Themen wie die Elbvertiefung hätte man dort gar nicht alleine platzieren können. Zum Vergleich: Nordrhein-Westfalen ist mit 17 Kammern im DIHK vertreten, Bayern mit zwölf. „Intransparenter und undemokratischer als dieses Präsidium hätte man sich gar nicht aus der norddeutschen Zusammenarbeit davonstehlen können“, sagte ein weiterer Kritiker der neuen Kammerführung, Niels Pirck. „So eine wichtige Entscheidung gehört ins Plenum und muss dort diskutiert werden“, so der Geschäftsführer der Haspa Direkt.
Alte Kammerführung wehrt sich
Unterdessen wehrt sich auch die alte Kammerführung um den ehemaligen Präses Fritz Horst Melsheimer und den abgelösten Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz gegen die neuen Chefs in der Handelskammer. In einer gemeinsamen Erklärung reagierte die alte Führungsriege empört auf die Weigerung der Plenumsmehrheit, sie für den Jahresabschluss 2016 zu entlasten.
Wie berichtet, hatte das Plenum am Donnerstag die Entlastung für den Jahresabschluss 2016 der Kammer nicht erteilt. Der offizielle Grund: Der Handelskammer Innovationscampus (HKIC), also das neue Gebäude, welches die Wirtschaftsuniversität Hamburg School of Business Administration (HSBA) beherbergt, sei in den Büchern bisher zu hoch bewertet gewesen. Deshalb wurde es nun mit zusätzlich 7,7 Millionen Euro abgeschrieben. Die alte Kammerführung habe diesen Abschreibungsbedarf in ihren Zahlen nicht berücksichtigt und deshalb nicht wirtschaftlich und sparsam agiert, hieß es. Deshalb sei die Entlastung zu verweigern, urteilten das Präsidium und die Mehrheit des Plenums.
Recht auf Entlastung
Melsheimer und Schmidt-Trenz weisen die gegen sie erhobenen Vorwürfe entschieden zurück. „Präsidium und Hauptgeschäftsführer haben insbesondere im Jahr 2016 mit aller Kraft und nach bestem Wissen und Gewissen den Kammerauftrag umgesetzt und vor allem im Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften gehandelt“, schreiben sie in einer gemeinsamen Erklärung. Das belege nicht zuletzt das uneingeschränkte Testat der Rechnungsprüfer. „Die Nichtentlastung ist eine politische Bewertung der Kammerrebellen“, heißt es in der Erklärung, die mit einer leichten Drohung endet: „Wie wir damit umgehen, wird zu prüfen sein.“ Grundsätzlich hat die alte Kammerführung ein Recht auf Entlastung.
Präses Bergmann machte deutlich, dass es ihm nicht um eine allgemeine Ablehnung der alten Kammerführung gehe: „Die Diskussion war sehr offen. Und ich habe auch die Argumente derjenigen, die für eine Entlastung waren, als schlüssig empfunden und nachvollziehen können“, sagte er. Letztlich sei es eine „moralische Entscheidung“ gewesen, dem alten Gremium die Entlastung zu verweigern. Wie sparsam oder verschwenderisch die alte Kammerführung war, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Allerdings bleibt festzuhalten, dass der Haushalt der Wirtschaftsvertretung für dieses Jahr ein Plus von 12,5 Millionen Euro ausweist. Verantwortlich dafür sind Entscheidungen, die mehrheitlich noch die alte Kammerführung getroffen hatte.