Hamburg. Judith Stoletzky und Markus Abele lassen Hamburger in der Warteschlange oder auch an der Bushaltestelle Turnübungen machen.

Yoga kann eine ernste Angelegenheit sein, so verbissen und humorlos. Oder auch nicht. Wenn Feuerwehrmänner der Wache 11 an der Admiralitätstraße in ihrer Montur die Heldenpose einnehmen, wenn eine Frau in der Warteschlange vor dem Toilettenwagen auf dem Dom den „Adler“ macht oder eine Frau die Zeit vor der Bahnschranke in Marienthal im „Flieger“ verbringt, ist Yoga ziemlich lustig.

Genau das hatte Judith Stoletzky beabsichtigt: In ihrem Buch „Yoga while you wait“ – Yogaübungen beim Warten – nimmt die Autorin die Ernsthaftigkeit so mancher Yogaanhänger, denen es um die richtige Übungsmatte, um teure Kleidung und Selbstdarstellung geht, auf die Schippe und zeigt: Yoga ist überall möglich, ohne Schnickschnack. Dafür ließ sie Hamburger in Alltagssituationen in Yogaposen fotografieren – an Orten wie der Bushaltestelle Alte Schule Reitbrook in Reitbrook, auf der Hundewiese an der Außenalster, im Freibad Marienhöhe in Sülldorf oder im Restaurant Cox in St. Georg. Herausgekommen ist ein Buch für Yogahasser und Yogafans gleichermaßen mit Übungen zum Nachmachen.

In der „Heldenposition“: ein
Hamburger Feuerwehrmann
In der „Heldenposition“: ein Hamburger Feuerwehrmann © Markus Abele

„Nie wieder dumm rumsitzen/blöd dastehen“, heißt der Untertitel. Denn die Warterei im Stau, unter der Trockenhaube beim Friseur oder an der Theke im Café kann auch sinnvoll gestaltet werden. „Ein Grund, dieses Buch zu machen, war, dass ich es so irre finde, dass die ganze Welt immer sofort zum Smartphone greift, sobald auch nur eine Minute Leerlauf ist“, sagt Judith Stoletzky. Sie findet es schrecklich, „dass man diesen Hypnotisiermaschinen so viel Macht über sich gibt. Sich freiwillig pausenlos beballert – mit Fetzen von Infos. Mit Fetzen von Pseudo-Kommunikation“, sagt sie. Und als ausgebildete Yogalehrerin weiß sie außerdem: Die Haltung ist dabei ganz schlecht für die Nackenmuskulatur. „Die leiert vollkommen aus.“

Turnübungen statt aufs Smartphone zu glotzen

Ein Yogabuch also, um den Mitmenschen zu helfen? Vielleicht, aber nicht nur. Der Werbetexterin und Journalistin geht es auch darum, dem Yoga das Verbissene und Ernsthafte zu nehmen. Natürlich müssten die Übungen korrekt ausgeführt werden, aber mit Humor geht es eben auch. „Mich nervt, dass eine solche Industrie aus dem Yoga geworden ist, und mir geht das Pseudospirituelle auf den Wecker“, sagt Judith Stoletzky. Sie praktiziert jeden Tag mindestens eine halbe Stunde Yoga und weiß, worüber sie schreibt.

Judith Stoletzky (r.) in der Pose „Die Ziffer 4“
Judith Stoletzky (r.) in der Pose „Die Ziffer 4“ © HA | Mark Sandten

Für das Buch mit rund 40 Abbildungen war sie mit Fotograf Markus Abele von Februar bis Juli unterwegs. Meistens haben sie Bekannte und Freunde als Models eingespannt. Diese ließen sich beispielsweise im Wartezimmer von Judith Stoletzkys Hausarzt auf der Uhlenhorst im „Drehsitz“ fotografieren. Dazu gibt es nicht nur Beschreibungen, wie die Übungen korrekt ausgeführt werden, sondern mehr oder weniger Wissenswertes von Judith Stoletzky, ironisch verpackt. Zum „Drehstuhl“ im Wartezimmer heißt es: „Menschliche Nähe ist häufig eine Zumutung. Wenn es keine Deckung vor Keimbombardements gibt, wenden Sie sich achtsam der wertfreien Betrachtung des fein vernebelten Niessekrets aus der Nase Ihres Nachbarn zu – und Sie werden Frieden im Hier und Jetzt finden.“

Hamburgs sportliche Feuerwehrmänner

Überrascht ist die Rheinländerin von den Hamburgern: „Die reagierten überhaupt nicht auf uns, wenn wir vor einer geschlossenen Schranke Yogaübungen gemacht haben. Die tun so, als ob das alles nicht stattfindet.“ Hanseatisch reserviert eben. Andererseits zeigten sie sich offen für Stoletzkys Projekt. So wie der Chef vom Friseursalon Rieckhoff Beim Grünen Jäger in der Schanze. Der ließ sie dann doch gewähren. Am Montag nach dem G-20-Gipfel morgens um 8 Uhr hatten sie eine halbe Stunde Zeit in seinem Salon, um die Übung „Die umgekehrte Planke“ unter der Trockenhaube zu praktizieren. Auch die Feuerwehr machte mit – die Männer stellten sich geschickt an: „Die hatten Spaß daran und haben eine Grundsportlichkeit und Kraft mitgebracht.“

Ihr Lieblingsmotiv? „Der Stuhl“ an der Bushaltestelle. „Die kräftigt praktisch alles, besonders Ihre Mitte und die Knie. Stärkt Willen und Durchhaltevermögen“, schreibt sie dazu.

„Yoga while you wait“, ISBN 978-3-95453-147-9, Becker Joest Volk Verlag, 16 Euro.