Hamburg. Zu den Preisträgern gehören das Hamburger Projekt „Tonali“ und Philharmoniker-Chef Kent Nagano, der mit einem Coup entzückte.
Thomas Gottschalk kennt sich ernsthaft gut aus mit Klassik. Er weiß als Bayreuth-Stammgast, dass Wagner nicht nur Pizza kann, und ist im Board der Oper von Los Angeles tätig; auch das Salzburger Festspielhaus hat er bei Premieren schon oft von innen gesehen. Einen Aufmerksamkeitsmagnet wie ihn als Blickfang-Moderator für die erste Echo-Klassik-Gala im Großen Saal vom Aufmerksamkeitsmagnet Elbphilharmonie zu verpflichten, ist also nur konsequent. Und mit dem Begrüßungs-Gag, dieser Auftritt sei für ihn die einzige Möglichkeit, noch zu Lebzeiten in den Saal zu kommen, hatte er das Publikum eh sofort auf seiner Seite.
In seiner Begrüßungsrede sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD): „Kunst, die ankommt, Qualität, die begeistert – die Elbphilharmonie ist dafür der richtige Ort.“ Das leicht flüchtige Aroma einer Nummernrevue mit vielen Opus-Zahlen wurde die gut dreistündige Veranstaltung dennoch nicht los, doch das will sie wohl auch gar nicht.
Die Plattenbranche verteilt hier alle Jahre wieder Preise an sich. Oft an noch unbekannte Umsatz-Hoffnungsträger und, klar, an bewährte Prominenten-Produkte, mit möglichst lautem Einsatz von Marketing-Pauken und -Trompeten. Um nicht mehr und nicht weniger geht es bei der Bunte-Teller-Gala, die am Sonntag in Hamburgs neuem Konzerthaus inszeniert wurde, und die so, um im Tonfall zu bleiben, auch in nicht ganz kleiner Münze auf die Marke der Musikstadt Hamburg einzahlte.
Jonas Kaufmann ist „Bestseller des Jahres“
Bereits zur Begrüßung wurde es ganz kurz lokalpatriotisch und musikhistorisch: Generalmusikdirektor Kent Nagano dirigierte seine Philharmoniker und Brahms’ „Ungarischen Tanz Nr. 5“. Dass er als „Dirigent des Jahres“ – für eine Einspielung von Strauss’ „Alpensinfonie“ und mit seinem Göteborger Orchester – geehrt wurde, fügte sich geschmeidig in die Planung: So konnte der Gewinner ein komplettes Orchester als praktische Mitgift mitbringen. Und Nagano punktete später mit der These, mit dem Preis habe man auch Licht auf die Idee des Orchesters geworfen.
Zunächst aber ging es Auftritt auf Auftritt: Jonas Kaufmann, „Bestseller des Jahres“, wurde zwar für sein italienisches „Dolce Vita“-Album mit seinem achten Echo ausgezeichnet, sang aber eine französische Arie aus Massenets „Werther“, weil bereits die nächste Platte mit dem nächsten Repertoire draußen ist. Der Geiger Daniel Hope spielte sich routiniert durch den ersten „Winter“-Satz aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, nachdem Laudatorin Katja Riemann erkannt hatte: „Am Ende will alle Kunst Musik sein.“
Gleich zwei Sopranistinnen auf einmal übernahm Gottschalk selbst als Lobredner: Aida Garifullina, die sich mit „O mio babbino caro“ aus Puccinis „Gianni Schicchi“ präsentierte, bevor Pretty Yende mit dem „Je veux vivre“ aus Gounods „Roméo et Juliette“ verzückte. Kleine, feine Zugabe: das Duett „Tonight“ aus Bernsteins „West Side Story“. Die zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker bestätigten mit Piazzollas „Calambre“, wie gut sie mit der hiesigen Saal-Akustik klarkommen.
Programm-Coup von Kent Nagano
Danach wurde es partiell hochkarätig. Von Joyce DiDonato, „Sängerin des Jahres“ für ihr „War and Peace“-Projekt kam der beeindruckendste Satz des Abends: „Das Gegenteil von Krieg ist nicht Frieden, sondern Schöpfung.“ Der Preis für die beste Nachwuchsförderung ging zwischendurch an das Hamburger Projekt „Tonali“, bevor Altmeister Maurizio Pollini fürs Pollini-Sein geehrt wurde und Chopin spielte.
Den Preis für die beste Laudatio des Abends, gäbe es ihn, hätte sich Tobias Moretti für sein Lob des Baritons Matthias Goerne verdient, indem er von „diesem nie gehörten Ton“ sprach, bevor Goerne mit zwei frühen Mahler-Liedern seine Klasse bewies. Eine weitere würdige Lebenswerk-Preisträgerin war die Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender, über die Frankfurts Opern-Intendant Bernd Loebe zu Recht sagte: „Man muss sie lieben.“
Die kurioseste Gewinnerinnen-Kombination war der Auftritt der Akkordeonistin Ksenija Sidorova mit der französischen Cellistin Camille Thomas Carmens – sie spielten sich gemeinsam durch ein „Carmen“-Potpourri. Nachdem der Franzose Lucas Debargue mit einer Improvisation über Luthers „Ein feste Burg“ die klassischen Spielregeln clever unterbrochen hatte, beendete ein Programm-Coup von Nagano den Abend: Er schaffte es, mit einem „dirty kleinen Ligeti“ (Gottschalk) – einer Portion aus dem sehr frühen „Concert Romanesc“ – ein Stück von einem Klassiker des 20. Jahrhunderts ins ZDF-Programm zu schmuggeln. Schon dafür ging der Preis an ihn in Ordnung.