Hamburg. Bäume entlang der Gleise dürfen nicht mehr stark genug zurückgeschnitten werden. Fahrgastverband reagiert empört.

Ein Bild, das nicht selten ist nach Tagen mit stürmischem Wetter: Tausende Pendler stehen genervt am Hamburger Hauptbahnhof, weil wieder einmal Äste oder gar ganze Bäume auf den Schienen der Regionalbahn liegen. Besonders betroffen sind davon die Strecken Richtung Niedersachsen, zuletzt musste die niedersächsische Metronom-Eisenbahngesellschaft Anfang der Monats zwischen Stade und Hamburg den Betrieb sogar mehrere Tage ganz einstellen.

Ursache ist aber offenbar nicht eine Zunahme heftiger Stürme, sondern es sind strenge Naturschutzauf­lagen, die den Beschnitt von Ästen oder das Fällen von Bäumen an Strecken verzögern oder sogar behindern. Zu dieser Einschätzung kommen jedenfalls das Unternehmen Metronom und der Fahrgastverband Pro Bahn. „Den Interessen der Eisenbahngesellschaften stehen häufig die Interessen des Natur- und Umweltschutzes entgegen“, heißt es in einer Mitteilung der Metronom-Gesellschaft, die von den Behörden jetzt eine Lösung fordert, die „einen sicheren und zuverlässigen Eisenbahnverkehr auch bei Sturm und Regen gewährleistet.“

Nur noch sechs Meter werden freigehalten

Ähnlich äußert sich der Verband Pro Bahn, der ebenfalls im Gegensatz zu früheren Jahren „erhöhte Umweltauflagen“ beklagt. Ein Problem, das sich nicht nur in Niedersachsen, sondern beispielsweise auch in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern immer wieder zeige. Man müsse globaler denken, fordert der Pro-Bahn-Sprecher für Hamburg, Karl-Peter Naumann: „Was nützt es denn, wenn man drei Vögelchen schützt, aber Tausende Pendler aus den elektrischen Bahnen zurück ins Auto treibt?“, fragt er. Pro Bahn fordert, dass künftig entlang der Schienen nur noch Büsche, aber keine Bäume mehr wachsen sollen.

Tatsächlich musste vor einigen Jahrzehnten noch entlang der Gleise wegen der Gefahr von Funkenflug ein gut zehn Meter breiter Streifen freigehalten werden. Inzwischen sind die Strecken elektrifiziert und die Auflagen anders, jetzt werden in der Regel nur noch sechs Meter freigehalten – was bei höheren Bäumen aber eben zum Problem werden kann. Während der Brut- und Setzzeit ab Frühjahr darf zudem gar nicht mehr zurückgeschnitten werden. Und in besonders geschützten Landstrichen wie beispielsweise in der Aueniederung zwischen Stade und Horneburg bedarf es spezieller Genehmigungen der Landkreis-Naturschutzbehörden.

Hin und wieder gibt es Verzögerungen

Zuständig für die Pflege der Vegetation entlang von Bahnstrecken ist die DB Netz, die seit einigen Jahren an einem sogenannten Präventionsprogramm arbeitet. „Für diese Arbeiten sind intensive Abstimmungen mit den zuständigen Umweltbehörden notwendig“, bestätigt eine Bahnsprecherin. Und bei dieser Abstimmung kommt es offenbar hin und wieder zu Verzögerungen. „Mal kommt ein Antrag zu spät, dann arbeitet eine Genehmigungsbehörde zu langsam“, klagt Pro-Bahn-Sprecher Naumann. Und schließlich ist es für das Fällen eines umsturzgefährdeten Baumes zu spät, weil wieder Frühjahr ist.

Und genau dies ist wohl auch auf der Strecke Stade–Hamburg passiert: Das geht aus einem Prüfbericht des Bundesverkehrsministeriums hervor, über den das „Stader Tageblatt“ berichtet und den das Ministerium dem Abendblatt bestätigt. Danach gehörte der Abschnitt Stade–Horneburg auf der Strecke nach Hamburg zu einem Abschnitt, der eigentlich wegen der Gefährdungslage besonders durchforstet werden sollte. Dann habe sich aber ein „nicht geplanter, erhöhter Abstimmungsbedarf mit den niedersächsischen Umweltbehörden ergeben“, heißt es in dem Bericht. Die Arbeiten seien daher „zeitweise ausgesetzt“ worden – mit den bekannten Folgen.

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Inzwischen hat aber auch die Bahn und ihre für die Schienen-Infrastruktur zuständige Tochter DB Netz auf die „vielen Streckensperrungen“ der vergangenen Jahre reagiert, wie das Unternehmen selbst einräumt. Mit einem „erweiterten Vegetationsprogramm“ seien dazu durch Bäume und Äste besonders gefährdete Abschnitte identifiziert worden. Dort sei der Rückschnitt nun erweitert worden. Natürlich „unter Beachtung des Natur- und Umweltschutzes.“ Die Bäume dort würden nun entsprechend ihrer Höhe und Entfernung zum Gleis auch über die sechs Meter hinaus beseitigt. Dabei werden die Äste mit einem sogenannten V-Schnitt deutlich stärker als bisher beschnitten (siehe Grafik). Die Hoffnung: Bei Sturm sollen sie möglichst keine Schäden mehr anrichten können.