Hamburg. Hamburger Gründer scheitern in der “Höhle der Löwen“. Nach der Kritik der Investoren verändern sie ihr Geschäftsmodell.
Ein Freundschaftsbeweis. Ein Gefallen für einen Kumpel. Nichts weiter als eine Spielerei sollte es sein. Mehr nicht. Dass daraus sein eigenes Unternehmen entstehen würde, hätte Tobias Otto (35) vor zwei Jahren selbst nicht gedacht. Klar, als Ingenieur für Druck- und Verpackungsdesign war er prädestiniert dafür, eine Schultüte für den Sohn eines Freundes zu kreieren. Was Ausgefallenes auf die Beine zu stellen, jenseits der Standardmodelle. Eine nette Abwechslung von seinem Job war es, wenn er abends und am Wochenende an der Tüte im Dino-Stil gebastelt hat. Sich damit aber selbstständig zu machen kam ihm nie in den Sinn. Nie, bis zur Einschulung.
Bis zu dem Moment, wo sein Schultütenmodell für Begeisterung sorgte. Nicht nur beim Sohn seines Freundes. Sondern auch bei anderen Eltern und Lehrern. Die begeistert davon waren, dass seine Tüte nicht nur mit Dinos dekoriert ist, sondern ein eigener Dino ist. Mit Kopf, Maul, Zähnen. Mit Körper, Armen und Beinen. Eine Tüte, die sogar stehen kann und die sich dank des abnehmbaren Kopfes mühelos öffnen und schließen lässt – ohne jedes Mal wie bei herkömmlichen Modellen umständlich Schleifen und Bänder auf- und zuknoten zu müssen.
Das Ziel: Marke für coole Schulsachen werden
Als der Junge nach der Einschulung dann auch noch auf die Idee kam, den abnehmbaren Dino-Kopf wie eine Trophäe als Wanddekoration aufzuhängen, war Tobias Otto plötzlich klar, dass er den Grundstein für eine innovative Geschäftsidee in den Händen hält. Zwei Jahre sind seitdem vergangen. Zwei Jahre, in denen Tobias Otto und seine Lebensgefährtin Johanna Kettner (37) ein Kind bekommen und eine Firma gegründet haben. Der Name: der kleine Knick – in Anlehnung an das Kinderbuch „Der kleine Nick“.
Nachdem Tobias Otto zunächst in seiner Freizeit und der Elternzeit an dem Prototypen gebastelt und das Businesskonzept erarbeitet hatte, kündigte er schließlich seinen festen Job, um sich voll auf den Aufbau des Unternehmens zu konzentrieren.
Selbstständigkeit statt Sicherheit? Für Familie Otto und Kettner ist das kein Widerspruch. Im Gegenteil: „Wir wollten das Unternehmen nicht trotz unseres Kindes aufbauen. Sondern gerade deswegen“, sagt Johanna Kettner. Sie möchte ihrem Kind vorleben, dass man seinen Träumen nachgehen sollte. Insgesamt 100.000 Euro haben Kettner und Otto bereits in die Entwicklung ihrer Schultüten gesteckt.
Judith Williams von Schultüte zunächst begeistert
Die Gründer aus Altona sind von ihrem Geschäftsmodell so überzeugt, dass sie sich am Dienstagabend „mit der ersten aufstellbaren Schultüte“ in die „Höhle der Löwen“ gewagt haben. In der TV-Show auf Vox wollten die Hamburger die Investoren Ralf Dümmel, Carsten Maschmeyer, Judith Williams, Frank Thelen und Dagmar Wöhrl überzeugen, insgesamt 50.000 Euro in ihr Unternehmen zu finanzieren. Dafür waren sie bereit, 20 Prozent ihre Firma abzutreten.
Doch obwohl Judith Williams gleich zu Beginn sagte, noch nie so schöne Schultüten gesehen zu haben, lief der Auftritt nicht richtig rund. Die Gründer drucksten so lange wegen der Zahlen herum, dass Frank Thelen schließlich ziemlich ungeduldig wurde und erst nach der vierten Nachfrage zu Umsätzen und Verkaufszahlen eine Antwort bekam. Die Antwort, dass im ersten Geschäftsjahr 200 Stück verkauft wurden. Zu einem Verkaufspreis von 29 bis 35 Euro pro Stück. Die Herstellungskosten: 6 bis 11 Euro.
Doch auch wenn Johanna Kettner und Tobias Otto alles versuchten, konnten sie die Löwen nicht überzeugen. Weder mit ihrer Aussage, bereits ein Patent für ihre stehende Schultüte angemeldet zu haben, noch mit weiteren Geschäftsideen wie dem Stiftehalter oder einem Mülleimer.
Investor Thelen spricht von „schwachem Auftritt“
Die größten Bedenken der Löwen: das Saisongeschäft. Zeitlich extrem begrenzt. Man müsse in zwei Monaten genug fürs ganze Jahr verdienen, gab Ralf Dümmel zu bedenken. Und Carsten Maschmeyer meinte sogar, dass es kein Saisongeschäft sei – sondern ein „Eintagesgeschäft“. Am Ende stieg ein Löwe nach dem anderen aus. Frank Thelen sprach gar von „einem schwachen Auftritt“, und Judith Williams riet den Gründern, lieber eine ganze Welt des kleinen Knicks zu machen, eine ganze Bastelwelt.
Diesen Rat haben Johanna Kettner und Tobias Otto mittlerweile beherzigt. Da die Sendung bereits vor rund sechs Monaten aufgezeichnet wurde, haben sie inzwischen auch Ganzjahresprodukte mit in ihr Sortiment aufgenommen wie Stehsammler, Ordner und Korkwände. „Der Auftritt in der ,Höhle der Löwen‘ war wie ein Realitätscheck“, sagt Johanna Kettner. Sie hätten gemerkt, dass sie stark umdenken müssen.
Der kleine Knick will zur Marke für coole Schulsachen werden. Was Johanna Kettner in der Sendung angekündigt hat, setzen die Gründer heute schon um. Künftig wollen sie noch mehr Ordnungshelfer für die ganze Familie kreieren und eine Serie für schöne Dinge im Interior Design ins Leben rufen. Geplant sind unter anderem LED-Lampen aus Pappe. Aber auch die Schultüten werden erweitert. Denn egal, was die Löwen gesagt haben: Johanna Kettner und Tobias Otto glauben an ihre Tüten. Und sie sind nicht die Einzigen: 2017 hat der kleine Knick 1300 Schultüten verkauft.