Hamburg. Die Folgen des Unwetters waren auch am Freitag noch nicht vollständig beseitigt. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Nichts geht mehr. Und heute wird auch nichts mehr gehen. Jedenfalls kein Zug. Wie Nicola P., die in Büchen vergeblich auf eine Bahn nach Hamburg wartete, sickerte bei Tausenden Reisenden am Hauptbahnhof am Freitagmorgen durch: Die Nachwirkungen des Orkans „Xavier“ haben ein beträchtliches Ausmaß. „Die HVV-Auskunft war erst ab 7 Uhr besetzt“, erzählt die Nicola P. „Immerhin erfuhr ich über Twitter und Facebook, dass die Strecke gesperrt ist. Mit mir standen etliche ratlose Menschen auf dem Bahnsteig. Kein Ersatzverkehr! Nach mehreren Versuchen beim HVV erfuhr ich, dass die Deutsche Bahn Oberleitungen austauschen muss, Dauer ungewiss.“ Neben den schweren Problemen bei der Bahn und mindestens einem Todesopfer in Hamburg ist in anderen Bereichen das volle Ausmaß der Sturmschäden noch nicht genau zu überblicken. Das Abendblatt beantwortet die drängenden Fragen.

Wie außergewöhnlich war „Xavier“?

Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) war der Orkan trotz der schweren Verwüstungen kein besonders außergewöhnlicher Sturm. Bemerkenswert sei, dass er ein „Schnellläufer“ war, der zügig von Nordwesten bis Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg im Osten gezogen ist.

Wie hoch sind die materiellen Schäden, von „Xavier“ in Hamburg?

Noch ist das nicht absehbar. Gemessen an „rekordverdächtigen“ 2216 Einsätzen der Feuerwehr am Donnerstag und mehr als 180 Nachlese-Einsätzen am Freitag dürften die Schäden aber immens sein. Die Versicherungen gehen wie schon 2013 nach dem Orkan „Christian“ im Oktober von Schäden in Millionenhöhe aus. Seinerzeit hatte die Feuerkasse als größter Gebäudeversicherer der Stadt 6000 Schadensmeldungen mit einem Gesamtvolumen von sieben Millionen Euro erfasst.

Bei Rautenberg im Landkreis Hildesheim (Niedersachsen) riss der Sturm Bäume am Rand einer Straße um
Bei Rautenberg im Landkreis Hildesheim (Niedersachsen) riss der Sturm Bäume am Rand einer Straße um © dpa

Wer kommt für Schäden am Haus auf?
Eigentümer mit Hausrat– oder Wohngebäudeversicherung können sich ab Windstärke acht entspannen. Sturmschäden sind laut Bund der Versicherten mit diesen Versicherungen abgedeckt. Die Gebäudeversicherung begleicht Schäden wie ein abgedecktes Dach oder am Haus gestürzte Bäume, auch Folgeschäden sind inbegriffen. Gehen Möbel oder andere Gegenstände zu Bruch, kommt die Hausratsversicherung auf. In Hamburg wurde jüngst von der Feuerkasse zum Abschluss einer „Elementarschadenversicherung“ geraten. Sie kommt beispielsweise auf, wenn Überschwemmungen als Folge von Starkregen Schäden am Haus anrichten.

Wann müssen Schäden gemeldet
werden?

Wie bei der Grenzöffnung 1989 gilt die Schabowski-Antwort: sofort, unverzüglich. Im Schadensfall muss der Versicherer umgehend informiert werden. Zudem muss der Schaden selbstständig eingedämmt werden. Der Versicherungsnehmer hat nämlich eine Schadensminderungspflicht. Bedeutet: Zerbrochene Fenster müssen abgedichtet werden, um den Schaden nicht größer werden zu lassen. Eine Liste mit beschädigten Sachen sowie die Dokumentation mit Fotos ist ratsam.

Die Deutsche Bahn informiert hier im Internet

Was müssen geschädigte Autobesitzer beachten?
Bei Sturmschäden greift die Kaskoversicherung – Teilkasko langt. Die Polizei muss nicht informiert werden. Autofahrer sollten Schäden aber schnellstmöglich ihrer Versicherung melden. Ein Anruf reicht, wer auf Nummer sicher gehen will, greift zum Einschreiben mit Rückschein. Wie bei Hausschäden rät der Bund der Versicherten zur Dokumentation mit Fotos, vorhandene Zeugen müssen benannt werden. Nicht vorschnell in die Werkstatt fahren! Die Versicherung könnte eigene Gutachter fordern.




Fahrgäste
warten vor dem
Hamburger
Hauptbahnhof
auf einen
Taxigutschein
oder auf
Informationen
über ihre
Weiterreise
Fahrgäste warten vor dem Hamburger Hauptbahnhof auf einen Taxigutschein oder auf Informationen über ihre Weiterreise © dpa

Welche Ansprüche können Bahnkunden jetzt geltend machen?
Höhere Gewalt gibt es nicht mehr. Fallen reihenweise Züge ersatzlos aus, bekommen betroffene Fahrgäste den Ticketpreis ohne Zusatzkosten erstattet. Zudem, teilt die Bahn mit, gelten Zugtickets für die betroffenen Strecken mit Gültigkeit ab Donnerstag, 5. Oktober, vorsorglich bis 15. Oktober. Hat sich ein Zug wegen des Sturms nur verspätet, erstattet die Bahn einen Teil des Ticketpreises: 25 Prozent ab 60 Minuten Verspätung, 50 Prozent ab 120 Minuten. Entscheidend ist die Ankunft am Zielort. Die Erstattung kann in DB Reisezentren, DB Agenturen und im Internet mit dem Fahrgastrechte-Formular beantragt werden.

War die Bahn schon immer so anfällig oder rodet niemand mehr die Bäume?

Laut Bahnsprecher Christoph Dross war „Xavier“ stärker als „Kyrill“ 2007, insofern sei das Ausmaß der Beeinträchtigungen nachvollziehbar. Die Bahn teile Grün entlang der Gleise in eine Rückschnitts- und eine Stabilisierungszone ein. Bäume und Pflanzen, die in der Rückschnittszone wachsen, werden in der Regel einmal im Jahr zurückgeschnitten. Hier besteht ein besonderes Sicherheitsrisiko für den Bahnbetrieb. In der Stabilisierungszone werde die Standsicherheit der Bäume geprüft. Vor allem die Eiche werde dabei gefördert, sie trage zur Bodenstabilität bei.

Welche Strecken der Bahn sind
im Fernverkehr noch gesperrt?

Stand Freitagabend: Hamburg-Berlin, Hamburg-Hannover, Hamburg–Kiel und Osnabrück-Hamburg.