Hamburg. Nur eine einzige Partei ist in allen Stadtteilen zweistellig, es gibt eine „Szene-Partei“, und eine Partei trotzt der Flüchtlingskrise.

Am Morgen danach haben sie es noch nicht realisiert. „Eigentlich wählt man hier CDU oder SPD“, sagte ein Fahrgast am Bahnhof Billwerder-Moorfleet. Aber seit Sonntagabend steht fest: Die AfD hat im Hamburger Osten ihre Hochburg. Im Wahllokal Sandwisch 83 stimmten sogar 41 Prozent für die Partei. Rechtspopulisten als stärkste politische Kraft.

So haben Ihre Nachbarn gewählt: die interaktive Wahlkarte

In der Wahlstatistik nach Stadtteilen (ohne Briefwahl) stecken mehrere Überraschungen. Das Abendblatt analysiert, wo die Parteien triumphierten und wo sie geschlagen wurden.

AfD: In einem Jagdrevier war die Partei erfolgreich

In der Nähe des Bahnhofes in Billwerder liegt ein Kiosk mit Kaffee aus Thermoskannen und einem Regal mit Süßigkeiten. Vor dem Laden sitzen drei Männer. Das Ergebnis der Wahl erklären sie mit einem Fingerzeig. Sie meinen die nahen Flüchtlingsunterkünfte.

Tatsächlich feierte die AfD auch in Stadtteilen mit großen Siedlungen für Asylbewerber ihre Erfolge: In Billbrook holten die Rechtsaußen 27,6 Prozent und teilen den Spitzenplatz mit der SPD. In Neugraben-Fischbek, Neuallermöhe, Billwerder und Jenfeld waren es mehr als 15 Prozent der Zweitstimmen.

Stärke der AfD an Brennpunkten ist auffällig

Am Kiosk in Billwerder sagen sie, dass die Kriminalität gestiegen sei und die großen Parteien sie damit allein ließen. Die Stärke der AfD an Brennpunkten ist auffällig. In Billstedt stimmten mehr Bürger für die AfD (14,5 Prozent) als für die Linke (11,5 Prozent), auch in Steilshoop steht ein zweistelliges Ergebnis. Wenige Stimmen fuhr die AfD in Sternschanze (2,3 Prozent) und Ottensen (3 Prozent) ein – selbst auf St. Pauli liegt die Partei dagegen nur knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde.

In ihrem zweiten „Jagdrevier“ – den gutbürgerlichen Stadtteilen – schnitt die AfD schlechter ab. In den Elbvororten und den Walddörfern im Norden gab es in keinem Stadtteil mehr als neun Prozent – auch nicht in Poppenbüttel oder Blankenese, wo umstrittene Flüchtlingsunterkünfte geplant wurden.

CDU: Stark an den Flüssen und auf den Feldern

An den Rändern wird es schwarz. In den Bezirken Wandsbek und Bergedorf erreichte die CDU 30,9 und 29,5 Prozent. Einige Stadtteile stechen dabei heraus. Vor allem in ländlichen Gegenden wie Francop (48,4 Prozent), Spadenland (44,2 Prozent) sowie in Reitbrook (42,8 Prozent) wurde gepunktet. Traditionell stark zeigte sich die CDU etwa in den Elbvororten mit bis zu 39 Prozent in den Stadtteilen.

Ähnlich wohlhabende Walddörfer wie Wellingsbüttel (36,9 Prozent) und Sasel (35 Prozent) im Nordosten wählten ebenfalls schwarz. Stark war die CDU auch an der Außenalster. Rund um das Rondeel etwa erhielt die Union im Wahllokal Moorfuhrtweg 43 Prozent der Zweitstimmen, Direktkandidat Christoph Ploß siegte dort mit 53,4 Prozent.

Richtig miserabel lief es dagegen auf St. Pauli (10,4 Prozent). Nur auf dem Kleinen Grasbrook und auf Steinwerder fuhr die Union mit 4,9 Prozent ein noch schlechteres Ergebnis ein.

SPD: Überall zweistellig, aber ohne echte Hochburg

Steilshoop vor Billstedt. Das ist der Zieleinlauf beim Rennen um die Hochburg der Sozialdemokratie. Aber kann man – gemessen am Anspruch der Hamburger Regierungspartei – bei 32,7 und 32,3 Prozent von Hochburgen sprechen? Lurup, Jenfeld und Eidelstedt festigen zumindest das Bild, bei dem die SPD vor allem in einkommensschwachen Stadtteilen punkten konnte. Zumal das beste Wahllokal 13616 in Kirchdorf-Süd mit 43,8 Prozent gewonnen werden konnte. Andererseits blieb die SPD als einzige Partei in allen Stadtteilen zweistellig. Insgesamt gewonnen werden konnte bei den Zweitstimmen aber nur der Bezirk Mitte.

Grüne: Im Zentrum zufrieden, im Nordosten mit Ausreißer

Ist das Bio? Und ob! Zumindest auf den Hamburger Inseln der grünen Glückseligkeit. Die heißen Eimsbüttel (26,2 Prozent) und Ottensen (26,1). Hoheluft-West (24,7) ging ebenfalls an die Grünen, Hoheluft-Ost erstaunlicherweise nicht. Die Hoheluftchaussee dient hier offenbar nicht nur als Bezirks- und Stadtteilgrenze, sondern auch als Mentalitätsgraben. Auf der anderen Straßenseite siegte die CDU mit 25,4 Prozent. Stark waren die Grünen im Zentrum und in den drei nordöstlichen Stadtteilen Volksdorf, Bergstedt und Wohldorf-Ohlstedt (16 bis 18,9 Prozent). In Spadenland erreichte die Partei dagegen fast niemanden: 4,8 Prozent.

FDP: Die HafenCity ist eine liberale Bastion

Hätten die bürgerlichen Stadtteile im Norden und Westen eine eigene Regierung, würde alles auf Schwarz-Gelb hinauslaufen: Dort liegt die FDP jeweils deutlich oberhalb von zehn Prozent, etwa in Othmarschen, Nienstedten, Harvestehude und Wohldorf-Ohlstedt sogar bei rund 20 Prozent. Die größte liberale Bastion ist die HafenCity, dort wurde die FDP zweitstärkste Kraft mit 23,1 Prozent hinter der CDU.

In nur vier der insgesamt 104 Stadtteile sprang die Partei nicht über die Fünf-Prozent-Hürde (St. Pauli, Sternschanze, Steinwerder, Veddel). Die FDP ist nach vier Jahren der außerparlamentarischen Tristesse wieder da.

Linke: Wahlsieger in der westlichen Innenstadt

Die Linke hat in gleich neun Stadtteilen die meisten Stimmen erhalten, vier davon in der westlichen Innenstadt: St. Pauli (33,8 Prozent), Sternschanze (34,9 Prozent), Altona-Altstadt (27,8 Prozent) und Altona-Nord (29,1 Prozent) – jeweils mindestens fünf Prozent mehr als die Konkurrenz. In Steinwerder (42 Prozent) war der Vorsprung noch höher, auch in Moorburg lag die Linke vorn.

Auffällig: In Szene-Stadtteilen wie Eimsbüttel (20,3 Prozent), Ottensen (25,5 Prozent) und St. Georg (22,6 Prozent) erzielte die Partei fast durchweg anteilig mehr Stimmen als in sozial schwächeren Stadtteilen wie Jenfeld, Osdorf oder Billstedt. Dort verlor die Partei mutmaßlich Wähler an die AfD. Veddel und Hammerbrook gingen jedoch deutlich an die Linke.

Fast schon traditionell schwächere Ergebnisse unter sieben Prozent gab es für die Linke in Sasel, Lemsahl-Mellingstedt, Nienstedten und Blankenese.