Hamburg. Schokoherzen, Spekulatius und Dominosteine sind zurück in den Regalen. Viele Kunden konnten es kaum erwarten.

Der Verkaufsstart war Alexander Laas eine Mitteilung in der virtuellen Welt wert. Der Einzelhändler postete ein Foto von der ersten Palette mit Lebkuchen, die im Rewe-Center H. Stanislawski & A. Laas in Winterhude angeliefert worden war. „Es wurde auch langsam Zeit“, lautete sein Kommentar. Das war vor zwei Wochen. Jetzt steht Laas zusammen mit Bernd Enge in seinem Markt vor mannshoch gestapelten Lebkuchen-Herzen, Spekulatius, Pfeffernüssen und Dominosteinen. Einige Kartons sind schon ziemlich leer gekauft.

„Wenn die Produkte endlich wieder da sind“, sagt Enge, geschäftsführender Gesellschafter und seit mehr als 40 Jahren im Einzelhandel, „haben die Kunden Nachholbedarf.“ Der September ist für die weihnachtliche Bäckerei der umsatzstärkste Monat.

Alle Jahre wieder: Die Sommerferien sind noch nicht ganz vorbei, da beginnt in vielen Supermärkten und Discountern die Lebkuchen-Saison. Und ebenfalls jedes Jahr wieder sind die einen voller Vorfreude auf das weihnachtliche Gebäck, andere verdammen den frühen Verkaufsstart als Kulturfrevel. Es gibt eine Facebook-Gruppe namens „Kein Lebkuchen vor dem 1. Advent“ , 1000 Abonnenten, mehr als 1000 Likes. Regelmäßig rufen die Kirchen zum Verzicht auf den voreiligen Verzehr auf. Aber, das belegen Erhebungen verschiedener Internetdienstleister, schon im August suchen die ersten Liebhaber im Web nach den typischen Weihnachtsleckereien. Dann steigt mit jeder Woche die Lust auf Lebkuchen und Co.

Termine seit Jahren konstant

Der Handel reagiert. In den Rewe-Märkten kommt Weihnachtliches in der Tüte regelmäßig in den ersten Septembertagen in die Regale. Bei den Händlern im Gebiet von Edeka Nord wurden die ersten Paletten in der vergangenen Woche ausgeliefert, heißt es in der Zentrale in Neumünster. Dass dieser Sommer sich im Norden eher wie Herbst angefühlt hat, spielt für die Lieferkette überhaupt keine Rolle. Die Termine sind seit Jahren konstant, so ein Edeka-Sprecher. Aber die Verkaufs­zahlen variieren wetterbedingt. Bei spätsommerlichem Wetter mit hohen Temperaturen und viel Sonne werde erfahrungsgemäß weniger Weihnachts­gebäck gekauft, so der Sprecher. Gute Aussichten also für den Absatz 2017.

Noch ein bisschen früher werden echte Weihnachtsfans bei Aldi fündig. Die Discounterkette gehört zu den Ersten, die die Produkte anbieten. „Wenn die Nachfrage nicht da wäre, würden wir es nicht machen“, sagt ein Sprecher von Aldi Nord. Besonders in der Anfangsphase im September sind Lebkuchen, Spekulatius und Dominosteine ein Verkaufsschlager. Als Nächstes kommen Schoko- Weihnachtsmänner, Pralinen und Marzipankartoffeln. Der Absatz verläuft in Wellenbewegungen. „Die nächste Nachfragespitze haben wir Ende November, wenn die Adventskalender gefüllt werden, dann noch einmal vor Nikolaus und vor dem Weihnachtsfest“, so der Aldi-Nord-Sprecher.

Ein Kilo Weihnachtsgebäck im Jahr

Jeder Deutsche vertilgt im Schnitt ein Kilo Weihnachtsgebäck im Jahr, meldet der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie. Allerdings nennt er es nicht mehr so. Um dem Jahreszeiten-Wirrwarr zu entgehen, firmiert die Kategorie in der Branche jetzt unter dem Begriff „Herbstgebäck“. Für echte Fans spielt das eher eine unter­geordnete Rolle, für sie zählt der Geschmack. Das wohlige Gefühl beim Öffnen einer Tüte mit Schoko überzogenen Herzen, der unverwechselbare Geruch nach Schokolade und Gewürzen.

Lebkuchen sind mit einem Anteil von 38 Prozent am Gesamtumsatz nach Absatzzahlen klarer Favorit der Kunden, ermittelte das Marktforschungs­institut Nielsen. Es folgen Spekulatius und Stollen mit je 21 Prozent, danach kommen Dominosteine (9 Prozent). In der Gruppe Sonstige (11 Prozent) sind Zimtsterne, herbstliche Mürbekekse und weitere Saisonartikel zusammengefasst.

Bei den deutschen Lebkuchen-Herstellern beginnt die Produktion, die zu gut 80 Prozent im eigenen Land bleibt, zumeist Anfang August. Zum Saisonstart, so ein Sprecher des Aachener Traditionsunternehmens Lambertz, sei der Heißhunger besonders groß, sodass der September der umsatzstärkste Monat des Jahres ist. Das Nürnberger Unternehmern Wicklein geht noch einen Schritt weiter. Im Nürnberger Stadtzentrum haben die Lebkuchen-Spezialisten gerade ihren ersten Flagship-Store mit Café eröffnet. Die „Lebküchnerei“ soll helfen, neue Kundenkreise zu erschließen und Lebkuchen als Ganzjahresprodukt zu etablieren.

Eine Eisdiele wird zum Lebkuchen-Laden

In Hamburg bekommt man die braunen Kuchen in der Regel im Lebensmittelhandel, manchmal in Bäckereien und Cafés. Es gibt aber auch ein Spezialgeschäft. An der Steinstraße, unweit der Hauptkirche St. Petri, verkauft Familie Sprink seit 25 Jahren Lebkuchen der Nürnberger Firma Schmidt. Ende September verwandelt sich die knapp 15 Quadratmeter große Eisdiele Alissa in ein Lebkuchen-Mekka. „Am 4. Oktober beginnt in diesem Jahr der Verkauf“, sagt Eigentümerin Angela Sprink. Hersteller Schmidt geht einen ungewöhnlichen Weg. Neben dem Versand bietet das 1926 gegründete Unternehmen in der Vorweihnachtszeit seine Produkte im Direktvertrieb in mehr als 100 Läden in Deutschland an. Im Norden werden Schmidt-Lebkuchen auch in Lübeck, Bremen und Hannover angeboten.

Die Starttermine für die einzelnen Weihnachtsbackwaren sind inzwischen fester Bestandteil des Einzelhandels­kalenders. „Vor einigen Jahren gab es noch ein Wettlauf, wer zuerst mit dem Weihnachtsangebot im Laden ist, aber das hat sich eingependelt“, sagt Verkaufsprofi Enge im Winterhuder Rewe-Center. Klar ist auch: „Wenn die Produkte da sind“, so Mitinhaber Laas, „werden sie gekauft.“ Er selbst sieht das eher nüchtern. Ganz anders seine Ehefrau. „Sie liebt Lebkuchen und freut sich jedes Jahr aufs Neue auf diese Zeit.“