Hamburg. Themenabend im Hamburger Planetarium zeigt, wie Hamburgs neuer Röntgenlaser European XFEL funktioniert.
Vom Planetarium in Winterhude aus schweift Direktor Thomas Kraupe mit seinen Gästen für gewöhnlich durchs Universum. Doch am Mittwochabend unternahmen der Astrophysiker und mehr als 200 Besucher, unter ihnen Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne), im mit neuer Technik ausgestatteten Sternentheater eine Reise ins Innere der uns bekannten Welt: den Nanokosmos, die Welt der Atome und Moleküle.
Bisher für unmöglich gehaltene Filme von den Prozessen auf dieser Ebene soll der Anfang September eröffnete Röntgenlaser European XFEL möglich machen. Die 3,4 Kilometer lange Maschine, die Supermikroskop und Superkamera in einem ist, verläuft unterirdisch zwischen dem Forschungszentrum Desy in Hamburg-Bahrenfeld und einer Halle im schleswig-holsteinischen Schenefeld. Wie das Instrument funktioniert, erfuhren die Besucher nun bei der Veranstaltung im Planetarium, die von Matthias Iken moderiert wurde, dem stellvertretenden Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.
Zehn Millionen Mal kleiner als ein Millimeter
Wo auf der Innenkuppel sonst Galaxien mit ihren Sternen und Planeten aufleuchten, zeigten Animationen nun Zellstrukturen, Viruspartikel und einzelne Moleküle mit ihren Atomen – Teilchen, die zehn Millionen Mal kleiner sind als ein Millimeter. Mit sichtbarem Licht lassen sich Prozesse auf dieser Ebene nicht scharf abbilden.
Der European XFEL soll das mit seinem Röntgenlaserlicht schaffen. Die von der Maschine erzeugten Lichtblitze sind für den Bruchteil einer billionstel Sekunde heller als das gesamte Sonnenlicht, das im gleichen Zeitraum die Erde erreicht. Und sie sind so kurz, dass sie Atome schneller ablichten, als die Teilchen sich bewegen. Viele einzelne Aufnahmen wollen Forscher dann zu Filmen zusammenfügen.
Extreme Materiezustände erzeugen
Am heutigen Donnerstag beginnen die ersten Experimente, wie Thomas Tschentscher, wissenschaftlicher Direktor der Forschungseinrichtung, bei dem Themenabend im Planetarium bekannt gab. Wenn alles läuft wie erwartet, wird der Superlaser das leistungsfähigste Instrument seiner Art sein. Mit dem bisher stärksten Röntgenlaser der Welt, dem LCLS in Stanford (Kalifornien), erzeugen Forscher 120 Lichtblitze pro Sekunde – bis zu 27.000 Pulse pro Sekunde soll der European XFEL schaffen. Damit sollen sich Messungen in wenigen Tagen bewältigen lassen, die in Stanford heute Wochen dauern.
Die Bilder aus dem Innern der Materie sind eine computergestützte Rekonstruktion der Wirklichkeit. Um etwa die Struktur von Biomolekülen zu entschlüsseln, spritzen Forscher Teilchen in einer Flüssigkeit in die Probenkammer. Jedes Mal, wenn ein Lichtblitz etwa einen Proteinkristall trifft, entsteht ein Streubild, das ein Detektor aufnimmt. Aus Millionen von Streubildern lässt sich ein dreidimensionales Abbild der Probe errechnen – im Idealfall bis zum einzelnen Atom.
Super-Laser European XFEL:
Super-Laser European XFEL: Die Prominenz staunt
Infektionsforscher wollen mit dem Röntgenlaser erkunden, wie genau krankheitserregende Viren unsere Zellen manipulieren und wie Medikamente dagegen wirken könnten. Biochemiker möchten etwa den Beginn der Proteinfaltung ins Visier nehmen. Läuft diese schief, lagern sich falsch gefaltete Proteine zu Klumpen zusammen, was wahrscheinlich zur Entstehung von Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson beiträgt. Außerdem auf der Experimentier-Agenda: Wie lassen sich miniaturisierte Datenspeicher, stärkere Akkus und effizientere Katalysatoren konstruieren?
Selbst Astrophysiker werden die Blitzmaschine nutzen, wie Forscher Ulf Zastrau im Planetarium erläuterte. Dazu werden Laserstrahlen extreme Materiezustände erzeugen, wie sie wohl im Innern von Gasplaneten und Sternen herrschen. „Um zu verstehen, was in gewaltigen Objekten im Universum vorgeht, müssen wir auf die ganz kleine Skala gucken“, sagte Zastrau.
Extrem energiereiches Licht
Wer Winzlinge wie Atome sehen und ihre Anordnung erkennen will, braucht extrem energiereiches Licht. Denn je höher die Energie der Lichtteilchen (Photonen) ist, desto kürzer sind die Wellenlängen des Lichts. Ist die Wellenlänge so kurz wie der Abstand zwischen Atomen oder kürzer, lassen sich die Teilchen unterscheiden. Der Durchmesser eines Atoms beträgt etwa ein Zehntel Nanometer – die Wellenlängen der Röntgenblitze des European XFEL sollen bis zu 0,05 Nanometer klein sein.