Hamburg. Nach der Großrazzia im April ist der Aufwand gewaltig. 850 Eigentümer haben sich gemeldet – nur wenige haben ihr Rad zurück.
Es war einer der größten Schläge gegen Fahrradhehler im Norden: Im April durchsuchte ein Großaufgebot der Polizei ein Firmengelände in Hammerbrook. Rund 2000 gestohlene Fahrräder wurden damals sichergestellt. Der Einsatz war erfolgreich – und ernüchternd zugleich.
Zwar wurden nach der Razzia weniger Fahrräder in Hamburg gestohlen. Doch der Einsatz zeigte den Ermittlern der Sonderkommission, die eigens wegen der vielen Fahrraddiebstähle eingerichtet wurde, andererseits, dass hochwertige gestohlene Fahrräder vermutlich auf anderen Wegen verschoben werden. Und der bürokratische Aufwand, den die Polizeiaktion im April nach sich zog, ist gewaltig.
Jeden Monat weniger Fahrraddiebstähle
Doch zuerst zum Erfolg: Die Zahl der Fahrraddiebstähle dürfte in diesem Jahr in Hamburg zurückgehen. „Gerade in den Wochen nach der Aktion waren deutlich weniger Fahrraddiebstähle als im gleichen Vorjahreszeitraum zu verzeichnen“, sagt Frank Fürst, Leiter der Soko „Fahrrad“, einer noch fünfköpfigen Ermittlungsgruppe, die bald auf sechs Beamte aufgestockt werden soll.
Seit April dieses Jahres sind in jedem Monat weniger Taten zu verzeichnen, trotz der wärmeren Jahreszeit, in der Diebstähle üblicherweise Konjunktur haben. „Insgesamt liegt die Zahl der Fahrraddiebstähle aber immer noch hoch“, sagt Fürst. Kein Wunder: Man kommt von einem jahrelangen Höchststand. Vergangenes Jahr wurden in Hamburg 17.485 Fahrräder gestohlen.
Besitzer können Räder kaum eindeutig identifizieren
Wie viele Fälle durch die Razzia aufgeklärt werden können, ist noch völlig unklar. Erst etwa ein Prozent der sichergestellten Räder konnten bisher eindeutig Straftaten – und damit den rechtmäßigen Eigentümer – zugeordnet werden. Dafür gibt es drei Gründe.
Erstens: Wegen des G20-Großeinsatz und der Vorbereitung auf das Gipfeltreffen, der anschließenden Urlaubszeit sowie den juristischen Formalitäten ist erst seit Anfang August die Sichtung und Erfassung der Räder abgeschlossen. Zweitens: Viel Arbeit floß bislang in Ermittlungen gegen die Beschuldigten, um ihnen gewerbsmäßige Hehlerei nach-weisen zu können.
Drittens, und das macht die Arbeit besonders schwer: Kaum jemand kann sein Rad eindeutig identifizieren. Die Masse der sichergestellten Räder sind eher das, was man als „Drahtesel“ bezeichnen würde oder böse gesagt: Schrotträder. Oft sind sie schon älter. Hochwertige Räder waren bei den in Hammerbrook knapp 2000 sichergestellten Fahrrädern recht wenige dabei. An rund 600 Rädern war zudem zunächst keine Rahmennummer zu finden. Bei einem Teil von ihnen ist jetzt die Kriminaltechnik gefragt, die mutwillig entfernte Nummern wieder sichtbar machen soll. Mehr als 90 der Räder werden dort untersucht.
Oft fehlt die Rahmennummer
„Wir haben trotzdem 850 Mails von angeblichen Besitzern bekommen“, sagt Fürst. Die kennen allerdings in den meisten Fällen nicht die Rahmennummer. Das liegt auch daran, dass diese Nummer in Deutschland beim Fahrradkauf nicht automatisch auf der Rechnung vermerkt wird. Was die Arbeit zusätzlich verkompliziert, ist, dass mehrere der ins Internet eingestellten Räder von gleich mehreren Personen als ihr angebliches Eigentum erkannt wurden.
„Es werden sicherlich auch gestohlene Räder dabei sein, deren Eigentümer bereits von der Versicherung entschädigt wurden und die kein Interesse mehr daran haben, zu prüfen, ob ihre Räder, die ja alle fotografiert und ins Internet eingestellt wurden, unter den gestohlenen sind“, glaubt Fürst.
Unterm Strich ist der Aufwand, die sichergestellten Fahrräder wieder ihren rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben, für die Polizei weit größer als erwartet. Ende September und Anfang Oktober, so die jetzigen Planungen, soll dennoch eine Besichtigung vor Ort stattfinden können. Dafür wurde in den Hallen „aufgeräumt“. „Wir haben für die Räder überschaubare Parzellen mit zehn bis 20 Stück geschaffen“, so Fürst. Außerdem wird eine Art „Laufzettel“ entwickelt, in dem Bestohlene individuelle Merkmale ihres Rades beschreiben sollen – und zwar bevor sie die Räder zu Gesicht bekommen.
Polizei will sich auf teure Räder konzentrieren
Die Razzia in Hammerbrook hat auch dazu geführt, dass die Soko „Fahrrad“ ihre Arbeit kritisch hinterfragt hat und sie zukünftig gezielter ausrichtet. „Wir müssen ermitteln, wo die Masse der gestohlenen hochwertigen Räder, die wir ja in Hammerbrook kaum gefunden haben, hingehen“, sagt Fürst. Solche Fahrräder werden vermutlich in kleineren Chargen aus Deutschland in Richtung Ost- und Südosteuropa weggeschafft. Oft, so bisherige Erkenntnisse, in Kleintransportern.
Gestohlene Fahrräder, die in Deutschland verhehlt werden, finden offenbar über das Internet Käufer. Anbieter dürften Vielfachtäter sein, die sich auf Fahrraddiebstahl spezialisiert haben. Das können, so die Erkenntnisse, gut organisierte Banden sein, die streng arbeitsteilig vorgehen. „Diese Täter und das Internet als Verkaufsplattform werden die Schwerpunkte unserer Arbeit“, sagt Fürst.
Bei der Eindämmung von Diebstählen setzen die Ermittler auch auf die Unterstützung der Radbesitzer – und zwar im Vorfeld. „Die meisten Fahrräder sind immer noch schlecht gesichert“, weiß Fürst. Das mache es den Tätern einfach. So kommen Fahrraddiebe in Hamburg in der Regel mit Seiten- oder Bolzenschneider als Aufbruchswerkzeug aus. Auch könnten Täter weiterhin viele Fahrräder einfach wegtragen, weil sie zwar mit einem Schloss gesichert, aber nirgendwo angeschlossen seien. E-Bikes, die im Trend liegen, würden laut Fürst in Hamburg nur recht selten gestohlen. Vermutlich auch, weil die Räder teurer sind und die Besitzer mehr in die Sicherheit investieren.