Hamburg. Die Zahl der Arbeitslosen in Hamburg steigt leicht an. Doch immer noch sind 17.000 Stellen unbesetzt – das ist ein Rekord.

In der Luft liegt ein starker, würziger Geruch. „Es ist eine Mischung aus Heilkräutern und Knoblauch“, klärt Michael Bruhns, Geschäftsführer der gleichnamigen Lagereigesellschaft im Hamburger Hafen, auf. „Gerade habe ich einen 63 Jahre alten Lkw-Fahrer eingestellt“, sagt Bruhns. Das zeige, wie schwierig die Suche nach Arbeitskräften ist. „Wir haben­ ständig Bedarf an zwei bis drei neuen Mitarbeitern“, sagt der Spezialist für Gewürze und Trockenfrüchte. In drei Logistikberufen wird ausgebildet. „Wir übernehmen jeden“, sagt der Firmenchef. Nicht nur er ist auf der Suche­ nach Arbeitskräften. Obwohl mit Carl Tiedemann gerade eine Traditionsfirma im Hafen Insolvenz anmelden musste, „ist das kein Signal für die Branche insgesamt“, sagt Sönke Fock, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit. „Allein in der Logistikbranche gibt es in Hamburg 1000 freie Stellen.“

Im August suchten 70.358 Hamburger einen Job

Mit solchen Botschaften fällt es etwas leichter, eine steigende Arbeitslosigkeit zu verkünden. Im August waren 70.358 Hamburger auf Jobsuche. Das sind ein Prozent mehr als von einem Monat. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,1 Punkte auf 6,9 Prozent. Aber eine Trendwende am Arbeitsmarkt will Fock daraus nicht ableiten, obwohl die Arbeitslosenzahlen den zweiten Monat in Folge steigen. „Wir haben eine gespaltene­ Entwicklung am Arbeitsmarkt“, sagt er. Denn im Vorjahresvergleich gehen die Arbeitslosenzahlen noch um 1,2 Prozent zurück. Auch die Zahl der unbesetzten Stellen hat mit 17.318 Jobs ein Rekordhoch erreicht. Viele Branchen suchen Mitarbeiter. 4200 sind es in Produktion und Fertigung, knapp 3000 im Handel und bei kaufmännischen Dienstleistungen. Im Gesundheits- und Erziehungsbereich sind 2300 Stellen unbesetzt. Deshalb bleibt Fock optimistisch.

„Wir haben eine kleine Delle auf dem Arbeitsmarkt“, sagt er. Das sei der Ferienzeit geschuldet, und wer seine Ausbildung abgeschlossen hat, wird nicht immer übernommen. Schon im September rechnet er wieder mit sinkenden Arbeitslosenzahlen. Allerdings gibt es einen Unsicherheitsfaktor. Die Zahl der arbeitslosen Ausländer nimmt seit Monaten zu. Innerhalb eines Jahres stieg sie um 4,7 Prozent auf 22.129. Rund 9000 Flüchtlinge sind in Sprachkursen und gehen daher noch nicht in die Arbeitslosenstatistik ein, aber nach und nach werden auch sie auf den Arbeitsmarkt drängen.

In der Logistibranche sind fast 100.000 Mitarbeiter beschäftigt

Zumindest bei Michael Bruhns haben­ sie gute Chancen. „Wir haben Mitarbeiter, deren Deutschkenntnisse sich auf ein ,Guten Tag‘ beschränken“, sagt er. In seiner Firma wird auch viel Englisch gesprochen. In den großen Hallen werden Gewürze und Trockenfrüchte nicht nur gelagert, sondern auch bearbeitet und entkeimt. „Wichtige Kriterien sind bei uns Zuverlässigkeit und Interesse“, sagt Bruhns. „Wir orientieren uns nicht am Schulerfolg.“ Schon ein Praktikum kann der Einstieg in die Firma sein.

Die Logistikbranche beschäftigt in Hamburg fast 100.000 Mitarbeiter. „In den letzten fünf Jahren wurden 8500 Mitarbeiter zusätzlich eingestellt“, sagt Fock. Doch der Bedarf ist weiterhin groß. 32 Unternehmen beteiligen sich in der nächsten Woche an einer Jobbörse, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Neben 1000 Arbeitsplätzen werden 200 Lehrstellen angeboten. „Das ist nicht nur eine Chance für Arbeits­lose, auch wer sich beruflich verändern will, ist dort gern gesehen“, sagt Fock.

Auch für Ungelernte bietet die Logistikbranche Chancen. „Über Probearbeit und Praktika lässt sich schnell herausfinden, ob Bewerber und Unternehmen zusammenpassen“, sagt Fock. Aber im Mittelpunkt müsse die Qualifizierung der ungelernten Mitarbeiter stehen. Reine Hilfsarbeiten seien auf längere Sicht bei den Unternehmen nicht gesucht, denn sie brauchen Fachkräfte. Die finanziellen Mittel für eine Qualifizierung seien vorhanden, ver­sichert Fock.

Arbeitslosigkeit durch Sommerpause angestiegen

Die Branche bietet mehr Perspektiven, als man auf den ersten Blick vermutet. Neben Lagerfachkräften und Berufskraftfahrern werden auch Kranführer, Buchhalter, Kfz-Mechatroniker, Rangierbegleiter und Informatiker gesucht. Im Lager von Bruhns sind die Regalböden mit farbigen Strichcodes gepflastert. „Unsere Kunden wollen wissen, wie viel Ware noch wo lagert“, sagt Bruhns. Deshalb gewinne die Digitalisierung von Arbeitsprozessen immer größere Bedeutung. „Auch dafür brauchen wir Experten“, sagt Bruhns.

Die Sommerpause mit Werksferien in vielen Unternehmen hat die Arbeitslosigkeit auch bundesweit leicht ansteigen lassen. Ende August waren 2,545 Millionen Jobsuchende regis­triert. Das waren zwar 127.000 mehr als im Juli, aber 139.000 Erwerbslose weniger als im August 2016. Die Arbeitslosenquote stieg im Vergleich zum Juli um 0,1 Punkte auf 5,7 Prozent. „Am deutschen Arbeitsmarkt herrscht aber weiterhin eine positive Grundtendenz“, sagt Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit.

Die Logistik-Jobbörse findet am 5. September in der BallinStadt, Haus 1, von 10 bis 15 Uhr statt. Eine Anmeldung ist nicht nötig.