Hamburg. Das Programm „Natürlich Hamburg!“ führt durch zwei große Naturschutzgebiete der Stadt. Bald kommt die Fischbeker Heide dazu.
Der Vibrationsalarm meldet sich am Froschteich. Das Zittern in der Hosentasche von Nicolas Loesch signalisiert ihm: Jetzt ist es nicht mehr weit bis zur nächsten naturnahen Sehenswürdigkeit. Zur Sicherheit schickt ihm das Handy gleich eine ortstypische Ansicht auf den Bildschirm. Aha. Soso. So muss das also aussehen. Ach, guck, da hinten ist es ja.
Dann nur noch kurz hier drauf drücken und schon springt der Audio-Guide an: Hier lebt also der relativ seltene, streng geschützte Moorfrosch, lässt eine Dokumentarfilmsprecherstimme wissen. Zur Laichzeit, im März, färbt sich das Tier blau. Aha. Soso. „Interessant“, sagt Nicolas.
Steckbriefe zu Fauna und Flora
Audio-Guide? Vibrationsalarm? Sachen, die man sonst aus Museen kennt, nutzt der 17-Jährige neuerdings im Naturschutzgebiet Duvenstedter Brook. Mit der App „Natürlich Hamburg!“ navigiert er mittels Mobiltelefon durch die Wildnis. Die Anwendung führt ihn bei Bedarf durch die Moorlandschaft, verspricht weiterführende Informationen und legt ihm Tier- oder Pflanzensteckbriefe nahe.
Mit eingeschalteter GPS-Ortung ist die von Nabu und Umweltbehörde entwickelte App Navigationsgerät und Tourguide in einem. Aber auch ohne Handy-Empfang lassen sich die Informationen abrufen – sogar kindgerechte Schnitzeljagden oder Erklärungen wie bei der „Sendung mit der Maus“ sind programmiert. Da ist beim Moor im Duvenstedter Brook dann von „Pampe“ die Rede. Plastisch-drastisch, so wie es Kinder am besten verstehen.
Das Schutzgebiet im Norden Hamburgs ist erst kürzlich dazugekommen. Etwas länger gibt es den Dienst für die Boberger Niederung. Jeweils drei Routen – kurz, mittellang, lang – sind hinterlegt, gespickt mit 19 (Duvenstedt) beziehungsweise zwölf (Boberg) Hotspots, interessanten Wegmarken also. Sobald man sich diesen Punkten nähert, bimmelt’s. Oder es vibriert. Damit können sich Besucher in zwei von 34 Hamburger Schutzgebieten auch ohne Ranger oder Naturkundler informativ führen lassen. Fortsetzung in der Fischbeker Heide ist geplant.
Für Kinder geeignet
„Das Angebot ist als Ergänzung zum Naturerlebnis, als Anregung konzipiert“, sagt Sarah Zwerger von der Umweltbehörde. „Das heißt: Niemand muss mit den Augen auf dem Bildschirm kleben.“ Vielmehr werde der Nutzer auf markante Punkte aufmerksam gemacht, in welchem Umfang er die dazugehörigen Audio-Informationen abruft (hinterlegt sind jeweils drei Steckbriefe pro Station), bleibe ihm überlassen. Zwischen den Hotspots gebe es genügend Raum für elektronisch ungetrübte Eindrücke. Es gehe darum zu erkennen, was warum geschützt wird. „Manche Sachen versteht man so vielleicht besser“, sagt Zwerger.
Natursoziologen wie Rainer Brämer sehen solche Apps trotzdem kritisch. Gerade für Kinder. Im Abendblatt sagte er kürzlich: „Bloße Lehrprogramme können sinnliche Kontakte mit Tieren und Pflanzen nicht ersetzen. Selbst wenn man in die Landschaft beliebte Medienfiguren hineinprojiziert, landen Kinder nur wieder da, wo sie sich ohnehin schon viel zu viel aufhalten: in der Virtualität.“
Nutzer wie Nicolas Loesch sehen eher den Mehrwert. Er glaubt ohnehin nicht, dass viele Jugendliche raus ins Naturschutzgebiet gehen. „Der Großteil interessiert sich nicht dafür.“ Bei ihm sei das anders. Er macht ein Freiwilliges Ökologisches Jahr, will danach Forstwirt oder Tischler werden. „Ich finde die App sinnvoll“, sagt er. Laut Behörde wurde die kostenlose Anwendung etwa 3000-mal heruntergeladen.
Die Startpunkte der App „Natürlich Hamburg!“ sind die Naturschutz-Informationshäuser in Boberg und Duvenstedt. Ob zu Fuß oder mit dem Rad spielt bei der App keine Rolle. Hauptsache: unterwegs und draußen.
Der schnelle Weg zur App: Das Smartphone oder Tablet sollte über WLAN mit dem Internet verbunden sein. Im App-Store (iPhone) oder bei Google-Play (Android-Geräte) können die Anwendungen dann kostenlos mit Routen, Audio- und Bild-informationen geladen werden.