Kreis Pinneberg. Mit Blühstreifen auf etwa 400 Hektar Land wollen Bauern im Kreis Pinneberg ihren Beitrag zur Artenvielfalt leisten
Am Rand dieses Maisfeldes blühen unter anderem Persischer Klee, Sonnenblumen, Phacelia, Wicke und Ringelblumen. Bienen tummeln sich auf den Blüten. Angelegt hat den Blühstreifen der Tornescher Landwirt Harm Johannsen. „Entgegen anderslautender Meinungen, kümmern wir uns auch in der Agrarlandschaft um die Artenvielfalt“, sagt der Pferdewirt. Er hat am Blühstreifen eine Bank und Schilder sowie einen Briefkasten mit weiteren Informationen aufgestellt. „Einige Radfahrer nutzen das Angebot“, sagt Johannsen.
Mit seinem Engagement steht er nicht alleine da. „200 Hektar Blühstreifen sind im Kreis offiziell angemeldet“, sagt Peer Jensen-Nissen, Kreisgeschäftsführer des Bauernverbandes. Er schätzt aber, dass die doppelte Fläche als Bienenweide genutzt wird, sowohl in der Geest als auch in der Marsch. Die EU zahlt für Blühstreifen einen Zuschuss für die Saat und den Arbeitsaufwand von 750 Euro pro Hektar. Nicht jeder Landwirt beantragt die Prämie, denn sie ist an viel Bürokratie gebunden. Zudem decke sie keineswegs den Ernteausfall. „Wenn ein Landwirt auch noch Pacht zahlen muss, lohnt es sich finanziell gar nicht für ihn“, so Jensen-Nissen. Trotz des starken ökonomischen Drucks der Bauern würden viele freiwillig einen Blühstreifen anlegen – nicht ganz ohne Eigennutz.
In Deutschland gibt es nämlich immer weniger Insekten. Das bestätigte kürzlich eine Langzeitstudie des Entomologischen Vereins Krefeld. Wie der Verein, der mit der Naturschutzorganisation Nabu zusammenarbeitet, aufzeigt, ist die Biomasse der Fluginsekten allein in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen 15 Jahren um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Für viele Tierarten und für den Menschen habe dies schwerwiegende Folgen. Als Grund für den dramatischen Rückgang werden der Einsatz von Pestiziden und das Fehlen natürlicher Lebensräume aufgeführt.
„Die Landwirte leisten bereits einen Mehrwert für Natur und Umwelt, indem sie zum Beispiel die Knicks pflegen, die ebenfalls zur Artenvielfalt beitragen“, sagt Georg Kleinwort, Kreisvorsitzender im Bauernverband. Als Obstbauer weiß er auch um den ökonomischen Wert von Bienen und anderen Insekten. „Der allgemeinen Forderung der Gesellschaft nach Umweltschutzmaßnahmen wollen wir Landwirte nachkommen, brauchen aber auch Unterstützung.“
Der Artenschutz sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Tun könne jeder Einzelne etwas, zum Beispiel, indem er seinen Garten bienenfreundlich gestaltet. Auch die Kreisverwaltung sei gefordert. So sei ja Geld für Ausgleichsflächen bei Siedlungs- oder Straßenbau vorhanden. „Die Verwaltung sollte mit Jägern, Landwirten und Imkern zusammen überlegen, wo es am besten angelegt wird“, sagt Kleinwort.
Blühstreifen und bienenfreundliche Gärten sind auch Thema des Umweltschutzpreises der Stadt Tornesch. „Bis Anfang September kann man sich noch dafür bewerben“, sagt Rainer Lutz vom Fachbereich Umwelt. Eine Mail an rainer.lutz@tornesch.de reiche aus. Die Stadt hatte für 2017 insgesamt 10.000 Euro zusätzlich für das Anlegen von Blühstreifen bewilligt. „Davon haben wir mehrjährige Blühstreifen im Gewerbegebiet und im Neubaugebiet Tornesch am See angelegt“, sagt Lutz.
Die Saat für seinen Blumenmix hat Johannsen, der auch eine Grünabfallverwertung betreibt, im April ausgesät. „Der Zeitpunkt ist so gewählt, dass die Bienen auch Nahrung finden, wenn die Rapsblüte vorbei ist“, sagt er. Im Februar wird er den Blühstreifen unterpflügen und ihn im Frühjahr wieder neu aussäen. So will er sicherstellen, dass im zweiten Jahr nicht das Unkraut die Blumen überwuchert. Bevor Johannsen den Blühstreifen anlegte, hat er sich von der Tornescher Imkerin Susan Jendrsczok beraten lassen. Sie unterrichtet am Ludwig-Meyn-Gymnasium Biologie, hat mit ihren Schülern das Projekt begleitet und unter anderem Hinweisschilder zu den Pflanzen angelegt. Auf Johannsens Feld finden die Bienen im übrigen nicht nur Nahrung, sondern auch ein neues Zuhause. Seine Mitarbeiter Nils Höer, Rainer Henning und Frederik Früchtenicht haben ein Insektenhotel gebaut, das sie am Rande des Blühstreifens aufgestellt haben.